Großbritannien
Setzen Regional- und Kommunalwahlen Johnson unter Druck?
Setzen Regional- und Kommunalwahlen Johnson unter Druck?
Setzen Regional- und Kommunalwahlen Johnson unter Druck?
Diesen Artikel vorlesen lassen.
Großbritannien wählt neue Gemeinde- und Bezirksräte. Für die skandalgeplagten Tories um Premier Johnson könnte es unangenehm werden. In Nordirland zeichnet sich derweil ein historisches Ereignis ab.
In weiten Teilen des Vereinigten Königreichs wird heute gewählt. So stimmen die Bürger in Teilen Englands sowie in Schottland und Wales über Gemeinde- und Bezirksräte ab. In Nordirland sind die Menschen aufgerufen, ein neues Regionalparlament zu wählen.
Die Wahlen gelten in mehrfacher Hinsicht als richtungsweisend. Die Lokalwahlen in England werden als Stimmungstest für die nationale Ebene betrachtet. Erwartet wird, dass die Konservativen von Premierminister Boris Johnson deutliche Verluste hinnehmen müssen. Mit Spannung wird erwartet, ob das den Stand des skandalumwitterten Premiers in der eigenen Partei weiter erschüttert. Johnson gab am Mittwoch reihenweise Interviews für lokale Radiosender.
Symbolischer Wendepunkt in Nordirland möglich
Empfindliche Niederlagen für die Tories gelten beispielsweise im Londoner Bezirk Wandsworth, in der Küstenstadt Southampton und in Newcastle-under-Lyme als möglich. Doch ob sich Johnson um seine Chancen auf Wiederwahl beim nächsten nationalen Urnengang sorgen muss, dürfte vor allem davon abhängen, wie die Tories im Vergleich zu den Wahlergebnissen der vergangenen Jahre abschneiden.
In Nordirland ist die republikanisch-katholische Partei Sinn Fein auf Kurs, erstmals stärkste politische Kraft zu werden. Sollte ihr das gelingen, wäre das nach Ansicht vieler ein symbolischer Wendepunkt in der Geschichte der Provinz. Die Partei galt einst als politischer Arm der militanten Organisation IRA (Irish Republican Army), die jahrzehntelang gewaltsam für eine Vereinigung der beiden Teile Irlands kämpfte. Die Partei setzt sich mit friedlichen Mitteln für ein geeintes Irland ein, hat dies im Wahlkampf jedoch nur als längerfristiges Ziel ausgegeben und mehr auf soziale Themen gesetzt.
Als stärkste Kraft hätte Sinn Fein nach dem als Karfreitagsabkommen bekannten Friedensschluss von 1998 erstmals das Recht, den Regierungschef (First Minister) in der Einheitsregierung zu stellen. Ob es zu einer erfolgreichen Regierungsbildung kommt, hängt jedoch von der Zustimmung der stärksten protestantisch-unionistischen Partei DUP (Democratic Unionist Party) ab und gilt daher als fraglich.
Die DUP muss mit schweren Verlusten rechnen. Die Partei hat sich auf die kategorische Ablehnung des im Brexit-Abkommen festgelegten Sonderstatus für Nordirland eingeschossen und die vergangene Einheitsregierung im Streit darüber im Februar platzen lassen. Sie verlangt von der Regierung in London, die Abmachungen mit Brüssel zu kippen. Das sogenannte Nordirland-Protokoll sei ein «absolutes Desaster», das den Handel zwischen Nordirland und Großbritannien schwer belaste, sagte Ian Paisley, britischer DUP-Abgeordneter und Sohn des gleichnamigen Parteigründers vor Reportern in London.
Die Regelung soll verhindern, dass es wegen des britischen EU-Austritts zu neuen Grenzkontrollen zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland kommt. Stattdessen müssen nun Waren kontrolliert werden, wenn sie von England, Schottland oder Wales nach Nordirland gebracht werden. Die DUP fürchtet, dieser innerbritische Warengrenze könnte der erste Schritt zur Loslösung der Provinz von Großbritannien sein.
Wähler haben Nase voll
Hört man sich bei den Menschen auf der Straße in Belfast um, wird deutlich, dass viele auf beiden Seiten die Nase voll haben von der ewigen Hängepartie bei der Regierungsbildung und dem Gezänk zwischen Befürwortern der irischen Einheit und den Anhängern der Union mit Großbritannien.
Der 35-Jährige Connor sprüht mit einem Freund zusammen ein Grafitti auf die protestantische Seite einer sogenannten Friedensmauer - einem meterhohen Zaun, der die Wohnviertel der beiden Konfessionen voneinander trennt. In seinen Augen spielen die wirklich wichtigen Fragen, wie das marode Gesundheitssystem und der Wohnungsmangel wieder einmal keine wirkliche Rolle bei der Wahl. Es gehe wie so oft nur um die bekannten Trennlinien zwischen Orange (protestantisch) und Grün (katholisch). Dass er für den Brexit gestimmt habe, bereue er inzwischen, gesteht er. «Es hat so viel Ärger gebracht hier.» Die DUP will er aber trotzdem wählen, einfach weil sie die größte protestantische Partei sei.
Für Jennifer Donnelly, die mit ihrer Schwester und Nichte über die katholisch geprägte Falls Road schlendert, ist die DUP «in der Vergangenheit steckengeblieben». Die 53 Jahre alte Lehrerin wünscht sich zwar langfristig ein vereintes Irland, findet aber, dass soziale Themen Vorrang haben sollten. Das sei bei Sinn Fein zu erkennen. Besser findet sie zwar noch die gemäßigtere SDLP, die habe keine Chancen, in der Regierung eine wichtige Rolle zu spielen. Hoffnungen setzt Donnelly auch in die Alliance-Partei. Die konfessionsübergreifende Partei lag in Umfragen zuletzt gleichauf mit der DUP.