Album Nummer 25

Nächster Geniestreich der Popikonen Sparks

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dpa
London
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Die Brüder Ron (l) und Russell Mael legen ihr neues Album «The Girl Is Crying In Her Latte» vor. Foto: Munachi Osegbu/Island Records/Universal Music/dpa

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Sparks sind ein musikalisches Phänomen. Seit rund 50 Jahren stehen die Brüder Russell und Ron Mael für unangepasste, zeitlose Musik mit brillanten Texten und keinerlei Genregrenzen.

Mit über 70 haben Russell und Ron Mael etwas erreicht, das man beinahe als Durchbruch bezeichnen könnte. Die eigenwilligen Brüder, besser bekannt als Sparks, haben visionäre Popklassiker wie «Kimono My House» oder «No. 1 in Heaven» veröffentlicht und zählen zu den einflussreichsten Künstlern der Musikgeschichte. Doch erst seit einiger Zeit bekommt das Duo aus Los Angeles endlich die verdiente breite Anerkennung. Auf ihrem 25. Studioalbum «The Girl Is Crying In Her Latte» stellen Sparks erneut ihre Genialität unter Beweis.

Viele Musiker, die so lange im Geschäft sind, ruhen sich auf alten Hits aus oder versuchen ihren Sound von früher zu rekreieren. Sparks tun bewusst das Gegenteil. «Wir wollen immer etwas machen, was die Leute herausfordert», sagt Ron Mael (77) im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London. «Das eigentlich Überraschende ist, dass uns immer noch Dinge einfallen, die überraschen. Und ich glaube, das, was uns von einigen anderen Bands unterscheidet, die so viele Alben haben wie wir, ist, dass wir motiviert sind.»

Das Mädchen weint im Coffeeshop

Der Titelsong leitet das neue Album mit einem harten, industriell klingenden Elektrosound ein. «Is it due to the rain, or is she in some pain», singt Russell Mael (74), bevor ein dumpfer Beat einsetzt. In typischer Sparks-Manier erzählt «The Girl Is Crying In Her Latte» von einem alltäglichen Mikromoment. «Das Mädchen weint im Coffeeshop, aber man weiß nicht genau warum», sagt Russell. «Wir geben nicht wirklich eine Antwort, aber uns gefällt diese Situation. Es zeigt vielleicht auch die Einsamkeit und Isolation, die Menschen erleben.»

Der Inhalt des Songs und auch das Albumcover erinnern an das Gemälde «Automat» von Edward Hopper, auf dem eine Frau einsam ihren Kaffee trinkt. Sogar die Kaffeetassen haben dieselbe blaue Farbe. «Ein Zufall», stellt Ron klar. «Das Bild gibt den Inhalt des Liedes perfekt wieder. Ich würde gern behaupten, dass das der Grund war, warum wir ihn aufgenommen haben, aber es war nur Glück.» Im skurrilen Musikvideo dazu tanzt die zweifache Oscar-Gewinnerin Cate Blanchett.

«Veronica Lake» dreht sich um die gleichnamige Hollywood-Aktrice der 1940er Jahre. Deren berühmte, stilprägende «Peek-a-boo»-Frisur galt während des Zweiten Weltkriegs als Risiko. Immer wieder sollen sich Frauen verletzt haben, weil sich ihr Haar in Maschinen verhedderte. Welche andere Band außer Sparks würde daraus einen Popsong machen? «Es klingt irgendwie albern», sagt Ron, «aber Veronica hatte so einen Einfluss auf amerikanische Frauen, dass die ihre Frisur kopiert haben. Und das führte oft zu sehr tragischen Ergebnissen.»

Minimalistischer Elektrosound

Ob Rock, Pop, Disco oder New Wave - Sparks haben musikalisch fast alles gemacht. Auch auf «The Girl Is Crying In Her Latte» gelingt dem Duo aus Los Angeles wieder ein faszinierender eklektischer Musikmix, der zeitlos ist. Minimalistischer Elektrosound («You Were Meant For Me») wechselt sich mit launigem Rock («Nothing Is As Good As It Seems») und theatralischen Songs im Musicalstil («It's Sunny Today») ab. «Take Me For A Ride» ist das reinste Kino für die Ohren.

Die Lyrik ist mal poetisch, mal sarkastisch, meistens tiefgründig und oft witzig. In «We Go Dancing» singt Russell aus nordkoreanischer Sicht über die riesigen Militärparaden und den «großartigsten DJ der Welt»: Kim Jong-Un. Was wäre, wenn die Mona Lisa im Pariser Louvre keine Lust mehr hätte? Sparks geben die Antwort mit «The Mona Lisa's Packing, Leaving Late Tonight». Und mit «Gee, That Was Fun» liefern die Brüder ein gleichermaßen witziges wie ergreifendes Trennungslied. Unter den 14 Tracks auf diesem brillanten Album ist kein Ausfall.

Sparks sind ein musikalisches Phänomen, eine Anomalie des Pop, die keinen Regeln folgt. Während ihrer langen Karriere haben sich die Brüder kaum reinreden lassen und dafür manches Karriere-Tief in Kauf genommen. «It Doesn't Have To Be That Way» klingt wie ein Seitenhieb gegen frühere Weggefährten, die sich einmischen wollten. «Man kann es so deuten», sagt Russell, der mit dem Lied aber vor allem andere Künstler motivieren will: «Bleib deiner eigenen Vision treu und lass keine Kräfte von außen diktieren, was du machen solltest.»

Nach 50 Jahren: Auch viele junge Fans

Trotz kommerzieller Rückschläge hat sich diese Beharrlichkeit für Sparks bewährt. Nach rund 50 Jahren gewinnt die Band immer noch Fans dazu, was auch dem unterhaltsamen Dokumentarfilm «The Sparks Brothers» von Regisseur und Sparks-Fan Edgar Wright zu verdanken ist. «Das hat uns sehr geholfen», sagt Russell Mael. «Immer mehr Menschen und auch jüngere Leute kommen zu den Sparks-Konzerten. Viele Leute sagen, sie hätten vorher gar nicht von der Band Sparks gehört.»

Ein bevorstehendes Karrierehighlight für Russell und Ron Mael, die in den 70er Jahren in London lebten, sind zwei Konzerte im Mai in der längst ausverkauften Londoner Royal Albert Hall und ein Auftritt im berühmten Hollywood Bowl in ihrer Heimstadt Los Angeles im Juli. «Das ist wirklich etwas Besonderes», sagt der jüngere Mael-Bruder Russell. «Es ist wirklich unglaublich.» Dazwischen geben Sparks ein einziges Konzert in Deutschland. Am 18. Juni treten sie im Tempodrom auf.

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