Rechtsstreit um Milliardenbau

Fehmarnbelt-Tunnel wird Fall fürs Bundesverfassungsgericht

Fehmarnbelt-Tunnel wird Fall fürs Bundesverfassungsgericht

Fehmarnbelt-Tunnel wird Fall fürs Bundesverfassungsgericht

Henning Baethge/shz.de
Fehmarn/Karlsruhe
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Illustration Tunneleinfahrt Fehmarn
Zukunftsvision: So soll die Tunneleinfahrt auf Fehmarn einmal aussehen. Foto: Illustration Fehrmarn A/S

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Das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung reicht eine Verfassungsbeschwerde samt Eilantrag in Karlsruhe ein – und will so ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts angreifen.

Der Streit um den Bau des deutsch-dänischen Fehmarnbelt-Tunnels wird jetzt das höchste deutsche Gericht beschäftigen: Das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung hat eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Das teilte Bündnissprecher Hendrick Kerlen am Freitag mit.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts, das die Tunnelbau-Pläne im November bestätigt hatte. Zugleich hat das Aktionsbündnis einen Eilantrag gestellt, der verhindern soll, dass auf deutscher Seite durch Baumaßnahmen vollendete Tatsachen geschaffen werden, ehe die Karlsruher Richter über die Beschwerde entschieden haben.

Die Richter in Leipzig hatten die Klage des Aktionsbündnis und weitere fünf Klagen gegen die schleswig-holsteinische Baugenehmigung für den 18 Kilometer langen Ostseetunnel glatt abgewiesen und damit grünes Licht für den Bau gegeben. Und das, obwohl die Planer der dänischen Projektfirma Femern AS schützenswerte Riffe auf der Tunneltrasse übersehen hatten.

Das Gericht hatte dies zwar auch kritisch beleuchtet, aber letztlich nur ein „ergänzendes Verfahren“ angeordnet, in dem Femern AS und das Land Schleswig-Holstein eine „naturschutzfachliche Berücksichtigung“ der Riffe sicherstellen müssen – was von beiden bereits vorher zugesagt worden war.

Die Kritik: Leipzig hätte Europäischen Gerichtshof anrufen müssen

Die Beschwerde des Aktionsbündnisses richtet sich nun vor allem gegen genau diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die Baugenehmigung trotz der übersehenen Riffe für wirksam zu erklären. „Wir sehen hierin einen Verstoß gegen Europa- und Verfassungsrecht“, sagte Bündnissprecher Kerlen. Denn das Europarecht gebe dem Aktionsbündnis ein Recht auf „Anfechtung“ von behördlichen Genehmigungen. Ob eine freiwillige Zusage von Femern AS dieses Recht auf Anfechtung erfülle, sei eine europarechtliche Frage, die Leipzig nicht ohne vorherige Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hätte entscheiden dürfen. Das Gericht sei daher seiner „verfassungsrechtlichen Vorlagepflicht nicht nachgekommen“, bemängelte Kerlen.

 

Mit dem Urteil zum Fehmarnbelt-Tunnel versucht das Bundesverwaltungsgericht offenbar, die europarechtliche Verbandsklage ad absurdum zu führen.

Hendrick Kerlen, Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung

Zudem monierte er, dass das Bundesverwaltungsgericht eine Kosten-Nutzen-Analyse für den sieben Milliarden Euro teuren Tunnel für verzichtbar gehalten hat. „Das Gericht hat zu dieser Frage ohne vorherige Anrufung des EuGH entschieden, dass die Genehmigungsbehörde eine solche wirtschaftliche Prüfung nicht vornehmen muss. Hier liegt ein weiterer Akt von Willkür vor“, kritisierte Kerlen – und resümierte: „Mit dem Urteil zum Fehmarnbelt-Tunnel versucht das Bundesverwaltungsgericht offenbar, neue Maßstäbe zur Anwendung der europarechtlichen Verbandsklage zu setzen oder diese sogar völlig ad absurdum zu führen. Dagegen wehren wir uns.“

Nabu verzichtet wahrscheinlich auf eine Beschwerde

Die Chancen des Aktionsbündnisses in Karlsruhe sind allerdings nicht allzu hoch: Nur ein bis zwei Prozent aller Verfassungsbeschwerden haben Erfolg. Der Naturschutzbund Nabu, der ebenfalls in Leipzig geklagt hatte, verzichtet daher auf eine zunächst erwogene Verfassungsbeschwerde. „Wir werden höchstwahrscheinlich nicht nach Karlsruhe gehen“, sagte Schleswig-Holsteins Nabu-Chef Ingo Ludwichowski unserer Zeitung. Denn die Erfolgsaussichten dort seien „sehr ungewiss“.

 

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