Rettungsaktion

Paddel mitsamt Armprothese von der Gjenner Bucht verschluckt

Paddel mitsamt Armprothese von der Gjenner Bucht verschluckt

Paddel mitsamt Armprothese von der Gjenner Bucht verschluckt

Kalö/Kalvø
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Die 56-Jährige ist eine fröhliche und sportliche Frau. Allerdings kann sie ohne ihre Armprothese am Sonnabend nicht ihre Kajak-Führerscheinprüfung ablegen. Foto: Paul Sehstedt

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Eine Welle der Hilfsbereitschaft schwappt seither über Kirsten Anna-Margrethe Tychsen hinweg.

Ein Facebook-Eintrag von Kirsten Anna-Margrethe Tychsen vom Mittwochabend ist im Laufe der vergangenen Tage mehr 1.600-mal geteilt und zigtausendmal angesehen worden. Das Foto zeigt ein Kajakpaddel, das mit viel Gaffatape an einer Armprothese befestigt ist.

Genau dieses Teil ist der 56-Jährigen aus Hadersleben (Haderslev) am Mittwoch bei ihrer letzten Trainingseinheit vor ihrer Kajak-Führerscheinprüfung in der Bucht von Gjenner abhandengekommen.

Kirsten Tychsen ist vor 56 Jahren linksseitig mit verkürzten Gliedmaßen auf die Welt gekommen. Foto: Paul Sehstedt

Aktives Leben trotz Behinderung

Kirsten Tychsen fehlen von Geburt an Teile des linken Armes und des linken Beines. Sie lässt sich davon aber nicht unterkriegen. Im Gegenteil, sie will sich und anderen beweisen, dass man trotz eines körperlichen Handicaps ein selbstbestimmtes, aktives Leben führen kann und mit Freunden und Familie Spaß mit Sport und in der Natur haben kann. Früher ist sie geritten, nach einem zweifachen Bandscheibenvorfall ist Reiten für sie aber keine Option mehr.

Beim Kajakfahren kann sie ihre Beweglichkeit trainieren und ist in der Natur an der frischen Luft. Sie kann den Sport gemeinsam mit anderen betreiben – mit Behinderten und nicht Behinderten.

Führerschein in Gefahr

Der Kajakführerschein sollte nun eine Art Beweisstück für ihre positive Lebenseinstellung sein.

Der ist jetzt in absoluter Gefahr. Am Sonnabend hätte Kirsten Tychsen nämlich ihre Prüfung machen sollen. Ohne Armprothese ist das aber unmöglich.

Diese Armprothese mitsamt Halterung und Paddel liegen noch am Boden der Bucht von Gjenner. Foto: privat

Gefährlicher Unterstrom

Beim letzten Training am Mittwoch vor Kalö sollte sie noch mit ihrem Lebensgefährten Uffe eine Partnerrettung üben. „Er glitt ins Wasser, aber wurde dort von einem Unterstrom erfasst. Da er ein sehr guter Schwimmer ist, hat er sich selbst retten können“, erzählt die 56-Jährige.

Sie wurden sich aber einig, dass die Partnerrettung an dieser Stelle zu gefährlich sei, weshalb sie dichter an die Küste paddeln sollte.

„Ich hatte meine Armprothese an meinem Kajakpaddel befestigt, aber beides für die Partnerrettung abgenommen. Leider ist beides dann vom Kajak gerutscht und durch die Strömung in die Tiefe gezogen worden. Mein Freund hat noch versucht, danach zu tauchen, aber das war zwecklos. Meine Prothese mitsamt Paddel waren weg“, erzählt Kirsten Tychsen.

Facebook, dein Freund und Helfer

Ihr Kajaklehrer hat geistesgegenwärtig die Koordinaten notiert, in der Hoffnung, dass Taucher anhand dieser Informationen ihre Prothese wiederfinden können.

Das war dann auch der eigentliche Anlass ihres Facebook-Posts. Sie benötigt nämlich zwei Taucher und ein Boot, damit ihr Arm und ihr Paddel wieder vom Meeresgrund hochgeholt werden können. Aber sie ist inzwischen klüger geworden. „Ich dachte erst, dass ein Taucher ausreichen würde, aber wegen der schwierigen Strömungsverhältnisse und der enormen Tiefe erfordert ein dortiger Tauchgang mindestens zwei Personen.“

Die Bucht von Gjenner ist an dieser Stelle rund 15 Meter tief.

Überwältigende Hilfsbereitschaft

Auf ihren Facebook-Aufruf ist förmlich eine Welle der Hilfsbereitschaft über sie hinweggeschwappt, wie Kirsten Tychsen es beschreibt. „Viele haben ihre Hilfe angeboten. Sämtliche Taucherklubs im Raum Apenrade und Hadersleben haben reagiert. Es ist überwältigend. Am Donnerstag waren auch schon zwei Taucher vor Ort; sie konnten aber leider mit den Koordinaten des Kajaklehrers nichts anfangen“, sagt die 56-Jährige.

Verzweifeln ist keine Option

Sich der Verzweiflung zu ergeben, ist aber offensichtlich nicht ihr Ding. Sie sucht (und findet meist auch) Lösungen. – „Die Koordinaten sind inzwischen neu berechnet worden. Für Freitagvormittag hatte ich eigentlich auch zwei Taucher gefunden, aber bedauerlicherweise musste die Tochter des einen am Morgen akut ins Krankenhaus, weshalb er absagen musste. Und so kurzfristig haben wir keinen Ersatz gefunden“, erzählt Kirsten Tychsen.

Am späten Freitagnachmittag wollten zwei weitere Taucher einen Versuch unternehmen. Das Ergebnis dieser Aktion stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Ersatz ist teuer

„Ich hoffe inständig, dass meine Prothese im wahrsten Wortsinn wieder auftaucht. Ich habe schon bei meinem Orthopädietechnik-Mechaniker (dän. Bandagist, red. Anm.) angerufen, um zu hören, was mich eine neue Prothese kosten würde. 70.000 bis 80.000 Kronen lautete sein erster Kostenvoranschlag. Das Geld habe ich nicht. Und für Prothesen, die für Sport und Freizeit gedacht sind, gibt es keinen Zuschuss von der Kommune. Und meine elektronische Armprothese, die für leichtere Alltagsarbeiten gedacht ist, ist für solche grobmotorischen Dinge nicht zu verwenden und außerdem nicht wasserdicht“, erläutert sie die Problematik.

Abschlägiger Antrag

„Ich hatte übrigens erst kürzlich bei der Kommune Hadersleben eine grobmotorische Armprothese beantragt, damit ich meinen Garten selbst pflegen kann inklusive Heckeschneiden und Unkrautjäten, aber auch dafür gibt es leider keine finanzielle Unterstützung. Eigentlich schade, dass Behinderte offensichtlich nicht in Häusern mit eigenem Garten wohnen dürfen“, sagt sie doch ein wenig verärgert. Als Kontaktperson für die Amputiertenvereinigung in Dänemark kennt sie viele solcher und ähnlich gelagerter Fälle.

Ihr Partner Uffe kann ihr die Gartenarbeit übrigens auch nicht großartig abnehmen. Er ist seit einem Arbeitsunfall auf den Rollstuhl angewiesen.

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