Mobilität

Ich fahre mit dem Rad zur Arbeit, weil es logisch ist

Ich fahre mit dem Rad zur Arbeit, weil es logisch ist

Ich fahre mit dem Rad zur Arbeit, weil es logisch ist

Apenrade/Aabenraa
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Mit Kind im Hänger und gut eingepackt geht es jeden Morgen auf Tour. Bei jedem Wetter. Foto: Hannah Dobiaschowski

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Mit dem Rad zur Arbeit – dazu rief der dänische Fahrradverband in Kalenderwoche 4 auf. Warum das aber nicht für alle etwas Besonderes ist, berichtet Hannah Dobiaschowski.

Montagmorgen gegen 7.30 Uhr. Die Zähne sind geputzt, die Frisur sitzt. Mann und Sohn haben bereits das Haus verlassen, und ich gehe in den Bryggers, wo die Familiengarderobe untergebracht ist. Dort hat sich meine Tochter schon angezogen: Schneeanzug, Mütze, Winterstiefel, den Kindergartenrucksack auf dem Rücken.

Mit routinierten Handgriffen habe ich auch schnell Regenhose und Jacke an, vergrabe die Frisur unter einer Mütze und einem Fahrradhelm, ziehe eine Warnweste an und suche kurz die Handschuhe. Die sind aber auch nie da, wo man sie hingelegt hat.

Es ist Kalenderwoche 4, der dänische Fahrradverband hat zur Winterfahrradwoche aufgerufen. Das bedeutet für mich, dass ich diese Woche mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, und damit ändert sich an meinem morgendlichen Ablauf: nichts. Ich fahre immer mit dem Rad.

Ich fahre nicht weit, aber oft

Auf der Arbeit haben wir ein Team gebildet und sammeln in Konkurrenz zu anderen Teams in ganz Dänemark die Kilometer zusammen, die wir gemeinsam in dieser Woche mit dem Rad fahren.

Ich weiß schon vorher, dass ich nicht besonders viele Kilometer beitragen werde. Meine tägliche Strecke beträgt kaum mehr als zehn Kilometer. Wenn überhaupt. Die Kollegen C. und G., die aus Rinkenis (Rinkenæs) und Flensburg kommen, reißen da deutlich mehr.

Darum habe ich von meiner Fahrstrecke auch nicht besonders viel zu berichten. Hänger anspannen, Kind anschnallen und zudecken, Blinkelichter an, Handschuhe überziehen und los geht’s. So machen wir das jeden Tag, und wenn es morgens wieder heller wird, radelt der Neunjährige auch mit.

 

Kongehøj im Hjelmskov. Dank langer Belichtungszeit gelingt auch ein Foto im Dunkeln. Foto: Hannah Dobiaschowski

Durch den Wald bei Wind und Wetter

Die erste Hälfte des Weges führt mich durch den Hjelmskov, der zu dieser Tageszeit in dieser Jahreszeit in völliger Dunkelheit liegt. Töchterchen sitzt im Hänger und singt. Jeden Tag, die gesamte Strecke. Das Fahrradlicht leuchtet mir spärlich den Weg. Aber den Wald kenne ich wie meine Westentasche, da würde ich mit geschlossenen Augen durchfinden. 

Bereits jetzt hat der Nieselregen das Puder erledigt, das ich mir 20 Minuten vorher auf die Nase gepinselt habe, aber der Mascara hält. Der ist bei mir seit Jahrzehnten wasserfest. Outdoor-Mascara für Radfahrerinnen. 

 

Bereits jetzt hat der Nieselregen das Puder erledigt, das ich mir 20 Minuten vorher auf die Nase gepinselt habe, aber der Mascara hält. Der ist bei mir seit Jahrzehnten wasserfest. Outdoor-Mascara für Radfahrerinnen. 

Hannah Dobiaschowski
Apenrade im Morgenlicht, zu jeder Jahreszeit eine Augenweide Foto: Hannah Dobiaschowski

Radeln mit Aussicht

Kurz bevor wir die Stadt erreichen, bietet sich der schönste Blick der Strecke auf Apenrade. Das ist zu jeder Jahreszeit schön, und wir haben hier schon Rehe, Hasen, Pferde und Gänse gesehen und wunderschöne Sonnenaufgänge beobachtet.

Dann kommen wir in ein Wohngebiet, ich grüße den Mann mit dem Mittelscheitel und dem kleinen weißen Hund und sause die Skinderbro hinunter. Einmal rechts abbiegen und an der Ampel warten.

Forstallee Ecke Vestvejen – im Sommer ist hier deutlich mehr Radverkehr. Foto: Hannah Dobiaschowski

Im Stadtverkehr

Während meine Kollegen sich über die (fehlende) Infrastruktur aufregen, ärgere ich mich vorwiegend über Autofahrerinnen und Autofahrer. Wieso müssen sie mich vor der Ampel überholen, um dann vor mir so weit rechts an den Bordstein ranzufahren, dass ich auf keinen Fall an ihnen vorbei bis vor zum weißen Streifen rollen kann?

Warum halten es Menschen für sinnvoll, ein Auto zu fahren, dessen Reifen so groß sind wie der Hänger, in dem meine Tochter sitzt? Warum glauben Menschen, dass sie ein Recht darauf haben, so viel Platz im öffentlichen Raum für sich einzunehmen und andere damit zu gefährden?

Menschen parken ihre Autos lieber auf dem Gehweg, als anderen Autos den Platz wegzunehmen. Foto: Hannah Dobiaschowski

Erste Station

Ich schlängele mich zwischen Friedhof und dem Gymnasium hindurch, einmal rechts abbiegen, dann wieder links und wieder rechts, dann sind wir da. Töchterlein fragt, wie ich ihr Lied fand. Super natürlich. Ehrlich.

Das Abliefern im Kindergarten geht heute zum Glück schnell. Wenn es länger dauert, bin ich durchgeschwitzt, weil ich so viel anhabe.

Noch einmal winken, und weiter gehts. Foto: Hannah Dobiaschowski

Rushhour in Apenrade

Weiter geht es zur Arbeit. Ziemlich genau 1,5 Kilometer sind es noch, aber die haben es in sich. Denn ich passiere eine Herde von Schülerinnen und Schülern, die in ihre jeweilige Schule tapsen. Dass sie so gehäuft auftreten, zeigt immerhin, dass viele von ihnen mit dem Bus kommen und nicht bis vor die Schultür chauffiert werden.

Davon gibt es aber immer noch genug, und auf der Callesensgade geht manchmal fast nichts mehr. Auf dem Fahrrad kann ich zum Glück an den Autoschlangen vorbei, muss aber höllisch aufpassen. Mopedfahrer (hier muss ich nicht gendern) nehmen einem die Vorfahrt, und manchmal geht eine Autotür auf und ein verschlafenes Pubertier hüpft, ohne zu gucken, aus der elterlichen Kutsche mitten auf den Fahrradweg. Autos, die abbiegen, ohne auf Fahrräder zu achten, Teenager, die keinen Platz machen, dabei ist der Fahrradweg kaum breiter als mein Hänger; alles kann passieren. 

In der Rushhour auf der Callesensgade muss man höllisch aufpassen. Foto: Hannah Dobiaschowski

Aber mit Vorsicht – und dem Daumen immer an der Klingel – gelingt auch das, und ein paar Minuten später habe ich mich durch die Gassen von hinten an das Medienhaus herangeschlängelt. Dabei kann ich auch Wege nehmen, die für Autos tabu sind. 

Der Vorteil des Fahrradfahrens ist, dass man auch die kleinen Wege nehmen kann. Foto: Hannah Dobiaschowski

Wetter und Musik

Je nach Wetter muss ich meine Sachen im Büro erst mal zum Trocknen aufhängen. Ich wollte mir auch schon längst richtig gute Handschuhe kaufen, aber für die kurze Strecke gehen die ollen Wolldinger noch, auch bei Regen.

Fahrradfahren ist für mich keine Passion. Ich mache es nicht, weil ich es so super finde, aber es stört mich auch nicht. Ich fahre auch gerne mit dem Auto, das ist gerade im Winter so viel einfacher. Jacke an, Musik laut, und los geht’s. 

Musik höre ich übrigens nie, wenn ich Rad fahre. Ich werde nie Johannes aus der Klasse über mir vergessen, der damals in der Oberstufe mit Walkman auf dem Fahrrad sein Leben verlor. 

Mein Parkplatz hinter dem Medienhaus Foto: Hannah Dobiaschowski

Für meine Familie wäre es völlig sinnlos, ein zweites Auto zu haben. Ich arbeite dort, wo ich wohne, die Kinder gehen hier in die Institutionen. Ich fahre Fahrrad, weil es logisch ist.

Hannah Dobiaschowski

Ein Auto wäre sinnlos

Für meine Familie wäre es völlig sinnlos, ein zweites Auto zu haben. Ich arbeite dort, wo ich wohne, die Kinder gehen hier in die Institutionen. Ich fahre Fahrrad, weil es logisch ist.

So sammle ich in der Winterfahrradwoche zwar wirklich wenig Kilometer für unser Team und habe riesigen Respekt vor den Kollegen, die auf einer Strecke mehr Kilometer zurücklegen als ich in einer Woche. Wenn es aber wie aus Eimern gießt und die Kollegen den Autoschlüssel suchen statt der Handschuhe, klopfe ich mir innerlich selbst anerkennend auf die Schulter.

Der Heimweg ist meistens unspektakulär. Die Kinder sind schon zu Hause und dank Batterie geht die Steigung am Tøndervej leicht aus den Waden. Und manchmal singe ich ein Lied. Hoffentlich hört das keiner.

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