Neue Literatur entsteht

20 Autoren suchen eine Geschichte

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Gesche Picolin
Gesche Picolin Journalistin
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Foto: Jonas Johansson/unsplash.com

Auf der Suche nach Antworten auf die Frage „Wer ist Dänemark?“ ziehen demnächst Schriftsteller durchs Land. Hier werden sie mit Ortsansässigen ins Gespräch kommen. So soll eine literarische Landkarte entstehen.

Es ist was faul im Staate Dänemark. Denn es wird immer weniger Literatur gelesen. Wo schon im jungen Alter schnelllebig gechattet und getwittert wird, da wird eine mögliche spätere Affinität zu Literatur gleichsam im Keim erstickt. 

Dagegen will der dänische Schriftstellerverband Dansk Forfatterforening etwas tun. Unter der Überschrift Wer ist Dänemark? (Hvem er Danmark?) gehen 20 Autoren auf Entdeckungsreise und verbringen eine Woche an einem Ort. Hier werden sie Inspiration suchen und im Anschluss eine neue literarische Landkarte von Dänemark erstellen. Die wird aufwww.hvemerdanmark.dkpräsentiert werden.

Anfang März kommt somit Christina Englund in die Kommune Apenrade. Die 44-Jährige hat 1992 mit dem Roman „Uden egentlig at sove“ debütiert. Mütterlicherseits hat sie Familie in Nordschleswig. „Ich habe als Kind viele Sommer in Tondern verbracht“, so die Autorin, die in Kopenhagen lebt, und fährt fort: „Aber seitdem war ich nicht mehr dort. Ich kenne den Landesteil eigentlich nicht.“

„Das Besondere hier in der Kommune ist ja die Grenze“, so Niels J. Jakobsen von der Bibliothek. Er hat für die Autorin zwei Gesprächspartner gefunden. „Wir haben eine Person aus der dänischen Minderheit gewählt, die in Kupfermühle wohnt, und eine aus der deutschen Minderheit.“
 

„Man kann als Autor ja selbst losgehen und seine Geschichten finden, aber die Idee, zu den Menschen zu kommen, die eingewilligt haben, mit mir zu sprechen, gefällt mir sehr“, so Englund. „Ich möchte mir so wenig wie möglich vornehmen, sondern mit einem offenen Sinn ans Werk gehen.“ Somit kann sie noch nicht sagen, welche literarische Form sie wählen wird. 

 

Christina Englund Foto: Peter Kirkeskov Rasmussen

Allerdings, so die Autorin am Mittwoch zum Nordschleswiger: „Meine Großeltern und meine Onkel gingen aufs Lehrerseminar in Tondern. Die Grenzfrage war ihnen sehr wichtig.“ Die Großeltern zogen noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach Seeland, erzählt die Schriftstellerin. Ein Onkel, der im Widerstand aktiv war, wurde von den Nationalsozialisten ermordet. „Über ihn wollte ich immer schon mehr erfahren. Mit einem Mal sind da also auch Fäden in meiner eigenen Geschichte, die ich untersuchen möchte.“ 

Der Gesprächspartner in Apenrade ist Thore Naujeck. „Ich nehme sie an eine Stelle mit, die mir viel bedeutet“, so der Koordinator des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), der gerade erst erfahren hat, mit wem er zu tun haben wird. Naujeck kennt keines von Englunds Werken und wird im Vorweg auch nichts von ihr lesen. „Ich möchte unvoreingenommen sein.“

Aus der literarischen Landkarte werden in Zusammenarbeit mit Danmarks Radio Podcasts entstehen. Das Projekt „Hvem er Danmark?“ kulminiert schließlich auf der Buchmesse Bogforum in Kopenhagen vom 15. bis 17. November. Sponsor für das Großprojekt ist der Nordea-Fond.

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Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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