Jugend

„Mein Sohn braucht Hilfe und keine Heimunterbringung“

„Mein Sohn braucht Hilfe und keine Heimunterbringung“

„Mein Sohn braucht Hilfe und keine Heimunterbringung“

Apenrade/Aabenraa
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Mit zwölf Jahren kam der Sohn von Christina Faulkner in schlechte Gesellschaft, fing an, Haschisch zu rauchen und änderte sein Verhalten. Aus dem normalen Teenager wurde ein aggressiver Jugendlicher, der auch mit dem Gesetz in Konflikt geriet. (Modellfoto) Foto: jakobsmeyer/adobe stock

Eine Mutter von drei Kindern macht sich Sorgen um ihren 13-jährigen Sohn. Sie sieht ihre Versuche einer Zusammenarbeit mit den sozialen Behörden in Apenrade als gescheitert an und zieht nach anderthalb Jahren vergeblichen Kampfes jetzt nach Fünen.

Christina Bynk Kokkendoff Faulkner schildert am Freitag in einem langen Eintrag auf der Facebook-Seite der Kommune Apenrade ihren – vergeblichen – Kampf mit den sozialen Behörden des hiesigen Rathauses.

Sie hat ihre Konsequenzen gezogen und zieht nach Fünen zurück.

Es ist keine Flucht, wie sie betont. „Ich habe mir die Sache reiflich überlegt und habe vorher meine Situation den dortigen Sozialbehörden geschildert. Ich habe die Zusicherung, dass man mir und meinen Kindern dort helfen möchte und kann“, sagt sie gegenüber dem „Nordschleswiger“.

Abenteuer Nordschleswig abgeschlossen

Am Sonntag kommt der Umzugswagen. Das nordschleswigsche Abenteuer sieht die auf Fünen gebürtige Frau damit als abgeschlossen an. Das bis vor anderthalb Jahren für sie und ihre Familie so vielversprechend und verheißungsvoll verlaufen war.

Sie hatte sich als Buchhalterin selbstständig gemacht und gehörte zu der Schar der Ehrenamtler der Apenrader Hilfsorganisation „Et Hjerte for Alle“. Ihre drei Kinder entwickelten sich prächtig.

Bis vor anderthalb Jahren. Die Mutter von zwei Söhnen und einer Tochter musste damals feststellen, dass ihr zwölfjähriger Sohn in schlechte Gesellschaft geraten war.

Sohn entwickelt Haschischmissbrauch

Er hatte nicht nur das Rauchen angefangen, sondern griff auch regelmäßig zum Haschisch. „Er entwickelte einen regelrechten Missbrauch und änderte sein Verhalten total“, schildert Christina Faulkner ihre Beobachtungen. Er wurde gewalttätig.

Sie kontaktierte selbst die sozialen Behörden. „Ich bat um Hilfe!“, sagt Christina Faulkner. Sie wollte einfach Unterstützung darin, ihren Sohn aus dem schlechten Umfeld herauszubekommen.

Sie empfand allerdings schon das erste Gespräch als befremdlich. „Plötzlich war ich das Problem. Ich würde meinem Sohn zu enge Grenzen setzen“, wundert sich Christina Faulkner noch heute.

Das war natürlich Wasser auf die Mühle ihres damals zwölfjährigen Sohnes. Ab da war es für die Mutter allerdings noch schwieriger, sich gegen ihren Sprössling durchzusetzen.

Auf die schiefe Bahn

Der Junge kam in der Folgezeit auch verstärkt mit dem Gesetz in Konflikt.

Er entwickelte zudem eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, das sogenannte ADHS, was den Umgang mit dem Jungen nicht gerade erleichterte.

Die Mutter recherchierte selbst in dem kriminellen Milieu, in das ihr Sohn geraten war. Erfuhr von jungen Mädchen, die häufig nicht älter als zwölf Jahre waren, die sich förmlich prostituierten, um an Drogen zu kommen. Drahtzieher war ein Drogenhändler der Stadt, der Kinder und Jugendliche zu Handlanger- und sogar zu Dealertätigkeiten überredete, indem er ihnen Fotos von teuren Autos und großen Geldscheinen schickte.

All ihre Erkenntnisse hat Christina Faulkner sowohl an die Polizei als auch an die kommunalen Behörden weitergeleitet, nur damit ihr Sohn aus dem Umfeld herauskommen konnte. Mit einiger Genugtuung stellt sie fest, dass der Drogenhändler sich derzeit in Untersuchungshaft befindet.

Einen Abend lang verprügelt

Ob zwischen ihren Recherchen und der Tatsache, dass ihr Sohn im vergangenen Winter als 13-Jähriger von einem „Freund“ in einen Hinterhalt gelockt, und von zwei Jugendlichen einen ganzen Abend lang festgehalten und verprügelt wurde, ein kausaler Zusammenhang besteht, ist nur eine Vermutung.

Von den körperlichen Schmerzen abgesehen, hatte ihr Sohn auch psychisch einen Knacks bekommen.

Sie beantragte daher Krisenhilfe für ihren Sohn. Die wurde ihr allerdings verwehrt. Sie wandte sich an die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Apenrade, die jedoch keinen Platz für den 13-Jährigen hatte. So landete er in Esbjerg. Dort konnte er jedoch nur ein Wochenende bleiben. Man bestätigte ihr jedoch, dass ihr Sohn dringend psychologische Hilfe bräuchte.

Geschwister bedroht

Die Mutter hatte sicherlich gehofft, dass diese Erfahrung heilsam für ihren Sohn gewesen sein könnte. Doch das Gegenteil war eher der Fall. Der Junge richtete seine Aggressivität gegen seine eigene Familie. Als er seine Geschwister eines Tages würgte und ihnen mit einer Axt drohte, war die Mutter mit ihren Kräften am Ende.

Sie willigte deshalb auch ein, dass ihr Sohn für eine gewisse Zeit in eine Pflegefamilie kommen könne. Einer Verlängerung stimmte sie allerdings nicht zu, auch mit Rücksicht auf die biologischen Kinder der Pflegefamilie, wie Christina Faulkner unterstreicht.

Sie wehrte sich auch gegen eine Heimunterbringung.

Zur Zusammenarbeit unfähig

„Mein Sohn braucht Hilfe und keine Heimunterbringung. Ich bin der Meinung, dass er bei mir und seinen Geschwistern am besten aufgehoben ist. Ich denke, dass man mich auch deshalb in der Kommune als zur Zusammenarbeit unfähig einschätzt“, mutmaßt sie.

Pädagogische Gespräche reichen ihr aber nicht.  Es muss gehandelt werden. Auf Anraten der Kommune schickte sie ihren Sohn nach Nordjütland zu ihrem Bruder.

„Das ging anfangs auch ganz gut, aber irgendwann meinte er, nicht weiter die Verantwortung tragen zu können“, erzählt die Mutter. Seit Ende der coronabedingten Zwangspause bis Beginn der Sommerferien hat der Junge das kommunale Unterrichtsangebot für 13- bis 17-Jährige mit schwerwiegenden Problemen, „Slusen“, am Lille Kolstrup besucht.

Dass ihr Sohn dort gar nicht richtig platziert ist, zeigt ihr die Tatsache, dass er in den Sommerferien völlig problemlos an einem Pfadfinderlager teilgenommen hat, weit weg von einem ungesunden Umfeld.

Keine VISO-Untersuchung

Mehrfach hat die Mutter die zuständige Verwaltung der Kommune Apenrade davon zu überzeugen versucht, dass eine sogenannte VISO-Untersuchung feststellen könnte, was für ihren Sohn tatsächlich die richtige Hilfe wäre.

VISO ist die Wissens- und Spezialberatungsorganisation der nationalen Sozialbehörde. Die Organisation berät bei komplexen Fragen bei Kindern und Jugendlichen mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen.

Anträge der Mutter waren bislang nicht von Erfolg gekrönt. „Ich bekomme noch nicht einmal eine Absage. Mit einer solchen in der Hand könnte ich in die Berufung gehen. Aber ohne schriftliche Absage geht das nicht“, sagt die Mutter, die dahinter Methode der Kommune vermutet.

Der Kampf geht weiter

Durch ihren Umzug wird die Kommune aber nicht die Akte schließen können. Christina Faulkner kündigt an, dass sie zumindest ihren Antrag auf Verdienstausfall weiter ausfechten wird. „Ich habe in diesen anderthalb Jahren meine Firma stark vernachlässigen müssen“, unterstreicht sie.

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