Syrien-Rückkehrer im Interview

Mørck: „Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack"

Mørck: „Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack"

Mørck: „Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack"

swa
Aarhus
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Tommy Mørck bei seinem Aufenthalt in Syrien, Rojava. Foto: privat

Er muss in Dänemark ins Gefängnis, weil er sich in Syrien dem Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat anschloss: Der Nordschleswiger Tommy Mørck ist wegen seines Aufenthaltes in einem Konfliktgebiet in zweiter Instanz verurteilt worden. Der Nordschleswiger hat den 40-Jährigen gefragt: Wie geht es dir damit?

Die sechs Richter am Westlichen Landesgericht waren sich am Montag einig: Tommy Mørck muss wegen seines Aufenthaltes in einem Konfliktgebiet im Nahen Osten für sechs Monate ins Gefängnis. Im Interview mit dem Nordschleswiger erklärt der in Nordschleswig aufgewachsene Aktivist, was dieses Urteil für ihn bedeutet.

  • 2016 reiste Tommy Mørck nach Syrien und schloss sich der kurdischen Miliz YPG im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat an.
  • Vier Monate lang kämpfte er für die kurdische Volksverteidigungseinheit, die das autonome Gebiet Rojava gegen die Terrororganisation verteidigte.
  • Über Istanbul und Erbil im Nordirak gelangte er nach Syrien, um die dortige Revolution der Kurden zu unterstützen.

Du hast dein Leben riskiert, um demokratische Verhältnisse in Syrien zu unterstützen. Wie geht es dir damit, dafür nun verurteilt worden zu sein?
Ich bin ja nicht verurteilt worden, weil ich an einem Konflikt teilgenommen habe. Sondern ausschließlich dafür, dass ich mich an einem verbotenen Ort aufgehalten habe. Das Gesetz (der Regierung, das seit 2016 den Aufenthalt in Konfliktgebieten verbietet, d. Red.) ist absurd und sollte abgeschafft werden.

Unabhängig davon, wer davon betroffen ist. Aber: Wenn ich nicht nach diesem Gesetz verurteilt worden wäre, würde ich nicht gehört werden, daher sehe ich das Urteil als Geschenk an. Es hinterlässt aber einen bitteren Nachgeschmack, für eine progressive Gesellschaft im Nahen Osten gekämpft zu haben und dafür von einer zunehmend autoritären Gesellschaft in Skandinavien rechtlich verfolgt zu werden!

Es hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack, für eine progressive Gesellschaft im Nahen Osten gekämpft zu haben und dafür von einer zunehmend autoritären Gesellschaft in Skandinavien rechtlich verfolgt zu werden!

Tommy Mørck
Tommy Mørck im August 2017 in Apenrade Foto: Karin Riggelsen

Wie wahrscheinlich ist es, dass sich das Höchstgericht deines Falles annimmt?

Man kann nicht wissen, ob uns der Prozessbewilligungsrat die Erlaubnis geben wird, diesen Fall vor das Höchstgericht zu bringen. Auf der einen Seite waren sich die Richter, die mich verurteilt haben, sehr einig, im Stadtgericht mit 2:1 und im Landgericht mit 6:0. Das verringert meine Chancen etwas. Andererseits ist es der erste Fall dieser Art, der also recht prinzipiell ist, und das Gesetz ist sehr umstritten. Das spricht dafür, dass wir die Erlaubnis kriegen. Das Höchstgericht wird sich aber nicht zur Schuldfrage verhalten, daran wird festgehalten.

Eine Karte der Region, in der sich Tommy Mørck aufgehalten hat. Foto: Archiv

Erhältst du von politischer oder diplomatischer Seite in Dänemark Hilfe?
Ich wurde stark von der Einheitsliste unterstützt, sowohl von Mitgliedern, Kandidaten und Mitgliedern von Stadt- und Regionsräten, als auch von Mitgliedern des Folketings. Vor allem Søren Søndergård, Folketingsmitglied für die Einheitsliste, war eine riesige Hilfe.

Darüber hinaus erhalte ich Unterstützung aus dem kurdischen Milieu, unter anderem von der kurdischen Schirmorganisation Feykurd und der dänischen Leitung PZD, die große Partei aus dem nördlichen Syrien. Also, offiziell kommt die Unterstützung hauptsächlich von dem äußersten linken Flügel und den Kurden. Aber ich wurde auch von einer Unmenge an Privatpersonen unterstützt, die keiner dieser Gruppen angehören.

Glaubst du nach dem Urteil weiter an das dänische Rechtswesen?
Sowohl die Polizei als auch das Rechtswesen haben meiner Erfahrung nach okay funktioniert, jedoch eine Reihe Fehler gemacht.

Die Gerichte waren vernünftig, abgesehen davon, dass die Medien von meinem Urteil aus dem Stadtgericht früher wussten als ich selbst, da die Nachricht in meiner E-Box verspätet eintraf.

Tommy Mørck

„Die Gerichte waren vernünftig, abgesehen davon, dass die Medien von meinem Urteil aus dem Stadtgericht früher wussten als ich selbst, da die Nachricht in meiner E-Box verspätet eintraf."

Wann rechnest du damit, deine Gefängnisstrafe anzutreten?
Ich werde vermutlich einberufen, meine Strafe innerhalb von zwei bis vier Monaten abzusitzen, das ist alles, was ich bislang weiß. Mein Anwalt wird im Antrag an den Prozessbewilligungsrat darum bitten, dass ich meine Strafe erst dann verbüße, wenn der Fall vor dem Höchstgericht verhandelt wurde, aber das ist wohl eher unwahrscheinlich.

Knapp ein halbes Jahr lang kämpft Mørck für die YPG in Syrien. Da er aus seinem Aufenthalt in Rojava kein Geheimnis macht und auch öffentlich einsehbar über Facebook darüber berichtet, wird irgendwann auch der dänische Verfassungsschutz PET auf ihn aufmerksam. Seit September 2016 ist es Dänen per Gesetz verboten, sich in einem bestimmten Gebiet in Rojava aufzuhalten. Im Interview über seine Reise sagte Mørck im August 2017: „Bevor ich ausgereist bin, dachte ich mir schon: Das ist wohl nicht ganz legal, was ich da mache. Ich hab das nicht näher untersucht. Ich wollte einfach ausreisen.”

Was wirst du aus den sechs Monaten im Gefängnis machen?
Wenn ich im Gefängnis bin, werde ich weiterhin meine Pflicht tun: mich zur Gesellschaft und zu deren Entwicklung verhalten. Und daran arbeiten, bessere Möglichkeiten zu entwickeln, unsere Gesellschaft zu organisieren. In der Verbindung will ich im Wahlkampf mitarbeiten und mit Medien zusammenarbeiten, sowohl mit dänischen als auch ausländischen, um auf Unzweckmäßigkeiten und alternative Lösungen aufmerksam zu machen.

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