Voices – Minderheiten weltweit

„Die neue Königin der Māori – Ein Volk zwischen Tradition und Moderne“

Die neue Königin der Māori – Ein Volk zwischen Tradition und Moderne

Die neue Königin der Māori – zwischen Tradition und Moderne

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Berlin
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Königin Nga Wai hono i te po Paki steht für eine junge Generation der Māori, die stolz auf ihre Wurzeln ist, aber gleichzeitig in der modernen Welt ihren Platz sucht. Das schreibt Jan Diedrichsen in seiner Kolumne Voices.

Mit der Ernennung von Nga Wai hono i te po Paki zur neuen Königin der Māori beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte dieses Volkes. Die 27-jährige Monarchin steht für die Balance zwischen Tradition und Moderne. Ihre Krönungszeremonie an den Ufern der Nordinsel Neuseelands war ein großes Ereignis. Tausende Menschen kamen zusammen, um den Beginn ihrer Regentschaft zu feiern. Die Zeremonie symbolisierte jedoch nicht nur eine neue Führungsrolle, sondern auch den Stolz und die Widerstandskraft einer jahrhundertealten Kultur.

Die Geschichte der Māori reicht über 800 Jahre zurück. Polynesische Seefahrer entdeckten damals die Inseln, die heute als Neuseeland bekannt sind. Sie nannten das Land Aotearoa, und noch heute ist dieser Name fest in der Identität der Māori verankert. Diese mutigen Entdecker brachten nicht nur ihre Navigationskunst mit, sondern auch eine komplexe Kultur, die das Land prägt. Doch wie bei vielen indigenen Völkern weltweit veränderte die Ankunft europäischer Kolonialmächte ihr Leben radikal.

Der Vertrag von Waitangi, der 1840 zwischen den Briten und den Māori geschlossen wurde, sollte eine Partnerschaft auf Augenhöhe schaffen. Doch die Realität sah anders aus. Landenteignungen, kulturelle Marginalisierung und soziale Ungerechtigkeiten bestimmten die folgenden Jahrzehnte. Dies sind keine Einzelschicksale: Auch die Ureinwohner Australiens oder die First Nations in Kanada erlebten ähnliche Ungerechtigkeiten und Erniedrigungen.

Im 20. Jahrhundert begann der Widerstand der Māori gegen diese Missstände. Sie forderten Land und Rechte zurück, was in der Gründung des Waitangi-Tribunals im Jahr 1975 mündete. Dieses Gremium wurde ins Leben gerufen, um historische Landansprüche zu klären und Wiedergutmachung zu leisten. Zwar wurden einige Fortschritte erzielt, etwa die Rückgabe von Land und die Anerkennung von Te Reo Māori als Amtssprache, doch die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit bleibt ein Problem.

Die Māori verstehen ihren Kampf um Land nicht nur als politischen, sondern auch als spirituellen. Ihre tiefe Verbundenheit mit der Natur und dem Land geht weit über materielle Besitztümer hinaus. Diese spirituelle Beziehung ist ein zentraler Teil ihres kulturellen Erbes. Deshalb erinnern uns die Forderungen der Māori oft an ähnliche Kämpfe indigener Völker in Nordamerika oder Australien, die ebenfalls Landrechte und Umweltschutz anstreben. Der Haka, der traditionelle Tanz, der durch den Rugbysport weltweit bekannt wurde, ist ein Ausdruck dieser tiefen kulturellen Verwurzelung.

Trotz einiger Erfolge sind die Herausforderungen für die Māori nicht vorbei. Die jüngste Abschaffung der Māori Health Authority, die erst 2022 gegründet wurde, um gesundheitliche Ungleichheiten zu bekämpfen, ist nur ein Beispiel. Ein weiteres ist die hitzige Debatte um Co-Governance. Dabei geht es um die gemeinsame Entscheidungsfindung zwischen Regierung und Māori, insbesondere in Umweltfragen. Kritiker sehen darin eine Sonderbehandlung, was die politische Diskussion polarisiert.

Dennoch zeigt die Ernennung von Nga Wai hono i te po Paki, dass die Māori ihre Identität bewahren wollen. Sie steht für eine junge Generation, die stolz auf ihre Wurzeln ist, aber gleichzeitig in der modernen Welt ihren Platz sucht. Diese Balance zwischen Vergangenheit und Zukunft wird die Māori auch in den kommenden Jahrzehnten prägen. Sie müssen eine Zukunft schaffen, die ihre kulturellen Werte widerspiegelt, ohne dabei die Herausforderungen der Gegenwart aus den Augen zu verlieren.

Zur Person: Jan Diedrichsen

Jan Diedrichsen (Jahrgang 1975), wohnhaft in Berlin und Brüssel, leitet die Vertretung des Schleswig-Holsteinischen Landtages in Brüssel, hat sein Volontariat beim „Nordschleswiger“ absolviert und war als Journalist tätig. 13 Jahre lang leitete er das Sekretariat der deutschen Minderheit in Kopenhagen und war Direktor der FUEN in Flensburg. Ehrenamtlich engagiert er sich bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) – davon bis 2021 vier Jahre als Bundesvorsitzender. Seit Juni 2021 betreibt er gemeinsam mit Wolfgang Mayr, Tjan Zaotschnaja und Claus Biegert ehrenamtlich den Blog VOICES.

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