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Chancengleichheit in Dänemark: Gleichberechtigung ist dennoch ein Thema

Chancengleichheit in Dänemark: Gleichberechtigung ist dennoch ein Thema

Gleichberechtigung: Chancengleichheit in Dänemark

Apenrade/Aabenraa
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Mann und Frau im Gespräch
Die wirtschaftliche und gesetzliche Gleichberechtigung bedeutet nicht, dass Frauen in der Gesellschaft ebenfalls gleichberechtigt sind (Symbolfoto) Foto: rawpixel.com/Pexels

Dänemark ist laut einer Studie der Weltbank unter den wenigen Ländern – es sind weltweit nur sechs – in denen Frauen und Männer vor dem Gesetz gleichberechtigt sind. Trotzdem sind Frauen in höheren Positionen unterrepräsentiert.

Anfang des Jahres hat die Weltbank eine Studie veröffentlicht, die die Gleichberechtigung von Männern und Frauen vor dem Gesetz untersucht hat. Der Report „Women, Business and the Law 2019“ bewertet 187 Volkswirtschaften anhand von acht Indikatoren: unterwegs sein, einen Job beginnen, bezahlt werden, heiraten, Kinder haben, ein Geschäft führen, Vermögen verwalten und eine Rente beziehen.

Wie sind Frauen von rechtlicher Diskriminierung betroffen?

Die Studie möchte ein besseres Verständnis dafür schaffen, wie die Beschäftigung und das Unternehmertum von Frauen von rechtlicher Diskriminierung betroffen sind. Dafür wurden anhand eines Indexes über einen zehnjährigen Zeitraum Daten von Frauen über die wirtschaftlichen Entscheidungen in ihrem Arbeitsleben untersucht und wie diese Entscheidungen von Gesetzen beeinflusst werden.

Bewertet wurden 35 Fragen auf einer Skala von 0 bis 100. Dänemark, Schweden, Belgien, Frankreich, Lettland und Luxemburg – diese sechs Länder erreichten 100 Punkte und garantieren demnach als einzige weltweit Frauen per Gesetz eine absolute Gleichberechtigung.

Erläuterung der acht Indikatoren

  • Unterwegs sein: untersucht Einschränkung der Bewegungsfreiheit
  • Einen Job anfangen: analysiert Gesetze, die die Entscheidungen von Frauen bezüglich der Arbeit beeinflussen
  • Bezahlung: Gesetze und Vorschriften, die sich auf die Bezahlung von Frauen auswirken
  • Heiraten: bewertet rechtliche Zwänge im Zusammenhang mit der Ehe
  • Kinder bekommen: untersucht Gesetze, die sich auf die Arbeit von Frauen nach der Geburt von Kindern auswirken
  • Ein Unternehmen führen: analysiert Einschränkungen für Frauen, die Unternehmen gründen und führen
  • Vermögen verwalten: berücksichtigt geschlechtsspezifische Unterschiede bei Eigentum und Erbschaft
  • Rente erhalten: beurteilt Gesetze, die sich auf die Höhe der Frauenrente auswirken
Link zur gesamten Studie (engl.)

Deutschland erreicht nur 91,88 Punkte – die Abzüge gab es in den Kategorien Kinder bekommen und Bezahlung. Die durchschnittliche Gesamtpunktzahl der Studie liegt bei 74,71, was darauf hinweist, dass eine typische Volkswirtschaft Frauen nur drei Viertel der Rechte von Männern einräumt.

Die Tatsache, dass Frauen in Dänemark völlig gleichberechtigt sind, trifft auch bei Ruth Candussi (Parteisekretärin der Schleswigschen Partei) auf Zustimmung. Sie hält es für eine wichtige Voraussetzung auf dem Weg zur Gleichstellung, dass von staatlicher Seite keine bewusste Diskriminierung betrieben wird.

Dänemark unter den nordischen Ländern mit den wenigsten weiblichen Führungskräften

Denn die wirtschaftliche und gesetzliche Gleichberechtigung setzt nicht voraus, dass Frauen in der Gesellschaft ebenfalls gleichberechtigt sind. Spitzenkandidaturen, Führungspositionen, Unternehmensgründungen – dies sind nur drei der Bereiche, in denen Frauen nach wie vor markant unterrepräsentiert sind.

Im März berichteten wir, dass die Gewerkschaft „Djøf“ mehr Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen fordert. Die Gewerkschaft bezog sich dabei auf Dänemarks unzureichende Stellung im europäischen Vergleich.

Im April titelte „Magisterbladet”, dass Dänemark das Land in den nordischen Ländern mit den wenigsten weiblichen Führungskräften sei und im Jahr 2017 Frauen 27,5 Prozent der Führungspositionen in Dänemark einnahmen. Damit sei Dänemark diesbezüglich das schlechteste Land in der nordischen Region und liege außerdem unter dem OECD-Durchschnitt von 32,5 Prozent.

 

Heute haben Frauen dieselben Möglichkeiten wie Männer – aber warum nutzen sie diese dann nicht, wenn auf dem Papier nichts dagegen spricht, wenn sie alle Möglichkeiten der Welt haben?

Ruth Candussi

Zu wenige Frauen bewerben sich

Dass es nicht einfach ist, daran etwas zu ändern, zeigt auch, dass der Versuch der Universität Kopenhagen, mehr Professorinnen einzustellen, nach zehn Jahren gescheitert ist. 2008 beschloss der Vorstand der Universität, etwas gegen die ungleiche Verteilung zwischen Männern und Frauen unter Universitätsforschern zu unternehmen.

Nur 28,6 Prozent der neu eingestellten Professoren der Universität waren im Jahr 2008 Frauen. Als die Zahlen im Jahr 2017 erneut erhoben wurden, lag der Prozentsatz noch immer bei 28,6 Prozent.

Ruth Candussi
Ruth Candussi Foto: Karin Riggelsen

 

Die Begründung der Universitäts-Leitung, wieso das so sei: Es bewerben sich nicht ausreichend Frauen. Candussi meint, dass diese Antwort immer wieder die gleiche sei und ihrer Meinung nach nicht akzeptiert werden dürfe, sondern infrage gestellt werden müsse.

Vielfalt bringt uns voran, schafft interessante Wechselwirkungen und trägt mit Sicherheit auch zu anderen, mitunter sogar besseren Entscheidungen bei.

Ruth Candussi

Außerdem sei es bemerkenswert, dass sich noch nie so viele Frauen wie heute in allen Bereichen ausgebildet hätten. Und in dem Moment, wo sie ihren Abschluss in der Hand halten, entschieden sie sich nahezu kollektiv dazu, nur halb so viel daraus zu machen wie ihre männlichen Studienfreunde.

„Was ist der Grund hierfür?”, stellt Candussi in den Raum. Diese Frage gelte es zu beantworten.

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