Kulturerbe
Børsen: Symbol eines einst machtvollen Dänemarks
Børsen: Symbol eines einst machtvollen Dänemarks
Børsen: Symbol eines einst machtvollen Dänemarks
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König Christian IV. ließ den berühmten Drachenturm auf das Dach des Börsengebäudes setzen, um es vor Feuer und Feinden zu schützen. 400 Jahre lang hat dieser Schutz auch funktioniert.
Dänemark war ein ganz anderes Land, als König Christian IV. die beiden flämischen Brüder Lorenz van Steenwinckel und Hans van Steenwinckel den Jüngeren beauftragte, Børsen zu bauen. Baubeginn war 1619.
Christian war nicht nur König von Dänemark, sondern auch von Norwegen sowie Herzog von Schleswig und Graf von Holstein.
„Børsen ist ein Symbol für eine Zeit, als Dänemark-Norwegen eine Macht mit internationaler Bedeutung war, unter anderem dank seiner eindrucksvollen Flotte“, so Ulla Kjær, Seniorforscherin beim Nationalmuseum in einem Eintrag auf Facebook.
Das heutige Selbstbild von Dänemark als Kleinstaat hat seinen Ursprung im 1900. Da war zunächst der Verlust von Norwegen 1814 und die Herzogtümer gingen bekanntlich bei der Schlacht in Düppel vor genau 160 Jahren verloren.
Der König, der das Stadtbild änderte
Christian IV. war sich der Bedeutung Dänemarks zu seiner Zeit sehr bewusst und bestrebt, dass seine Hauptstadt in seiner Architektur diese Bedeutung widerspiegeln sollte. Die historische Börse war nur einer der Prachtbauten, die er aufführen ließ. Sie ist im Stil der niederländischen Renaissance erbaut, die im Vergleich zur italienischen deutlich mehr Verzierungen benutzt hat. Der Bau sollte auch ein Symbol für den Wandel von einer Landwirtschaftsnation hin zu einer Handelsnation sein.
Das Gebäude war zunächst keine Börse im heutigen Sinne, sondern eine Warenbörse. An beiden Seiten des großen holzgetäfelten Saals befanden sich jeweils zwanzig Stände, die an Kaufleute vermieten wurden. Über eine Rampe konnten sie ihre Waren direkt in die Börse transportieren.
Der Drachenturm
Nachdem das Gebäude fertiggestellt war, ordnete der König an, dass es noch prachtvoller gestaltet werden sollte. Der berühmte Turm mit den vier Drachenschwänzen, die sich umeinander winden, wurde ein Jahr später fertiggestellt. Bekanntlich wachen Drachen über Gold, und so sollten sie die Schätze Dänemarks vor Feinden schützen.
An der Turmspitze ließ der König drei Kugeln anbringen. Sie symbolisieren Dänemark, Norwegen und Schweden. Es war ein weiteres Zeichen für den Machtanspruch von Christian IV.: Schweden gehörte seit dem Zerfall der Kalmarer Union 1523 nicht mehr zum gemeinsamen Reich.
Es stellte sich jedoch heraus, dass der ursprüngliche Drachenturm nicht für die Ewigkeit gebaut worden war: bereits 1775 musste er durch einen neuen ersetzt werden.
400 Jahre lang von Bränden verschont
Der Mythos über die wachenden Drachen hielt sich dennoch über Jahrhunderte. Er wurde dadurch genährt, dass die Börse unversehrt blieb, obwohl es unmittelbar in der Nähe gebrannt hat. Das benachbarte Schloss Christiansborg ist gleich zweimal niedergebrannt. Auch den Brand im Gebäude der Privatbanken unmittelbar neben der Börse überstand diese.
Doch am 16. April 2024 endete der Schutz der vier Drachen. Eine Stunde, nachdem das Feuer ausgebrochen war, stürzte der Turm in die Tiefe. Es waren zu dem Zeitpunkt umfassende Renovierungsarbeiten anlässlich des 400. Jahrestages in Gange.
Verwandlung zur Aktienbörse
Zwanzig Jahre, nachdem er die Börse erbauen ließ, verkaufte Christian IV. die Börse an einen reichen Kaufmann. 1857 übernahm der Zusammenschluss der Großkaufleute, Grosserer-Societetet, das Gebäude. Er baute sie innen um und richtete dort eine moderne Wertpapierbörse ein, die bis 1974 dort ihren Sitz hatte.
Die Drachen wachten nun tatsächlich über das Zentrum der wirtschaftlichen Macht im Lande. Doch das sollte auch zu Protesten und Widerstand führen.
Proteste
1918 stürmten syndikalistisch-anarchistische Arbeiterinnen und Arbeiter bewaffnet mit Keulen und Pistolen die Börse. Es war ein Protest gegen Arbeitslosigkeit und Armut. Sie jagten die Börsenmakler auf die Straße und zerstörten Inventar.
Am 29. Mai 1969 sorgte die Aktionskünstlerin Lene Adler Petersen für Furore. Nackt und ein Kreuz tragend, wanderte sie durch die Börse. Gemeinsam mit ihrem Künstlerkollegen Bjørn Nørgaard protestierte sie mit dem Werk „Den kvindelige Kristus“ gegen Kapitalismus und Aktienspekulation. Es war eine Anspielung auf Jesus Vertreibung der Händler und Geldwechsler aus dem Tempel.
Auch nachdem die Aktienbörse 1974 aus dem Gebäude ausgezogen war, nutzte Dansk Erhverv, der Nachfolger der Grosserer-Societetet, es bis zum Brand weiterhin als Hauptsitz. Ebenfalls die ansonsten weitgehend in Pattburg (Padborg) tätige Transportbranche war dort untergebracht. Am 16. Mai hätte sie im Saal der Börse ihren Jahrestag feiern sollen. Dansk Erhverv hat die Räumlichkeiten der historischen Börse auch für Konferenzen, Empfänge und Feierlichkeiten vermietet.
Gemälde gerettet
Die Hälfte der 400 Mitarbeitenden von Dansk Erhverv ist im benachbarten Tietgens Hus, der ehemaligen Privatbanken untergebracht worden. Für die übrigen sucht der Verband noch Lokalitäten. Bereits unmittelbar nach dem Brand sind etliche Angebote bei Dansk Erhverv eingegangen.
„Wir haben aus dem ganzen Land große Unterstützung erlebt“, sagt Morten Langager, Direktor bei Dansk Erhverv.
Es gelang der Bereitschaft, ungefähr die Hälfte des Gebäudes zu retten. Der Börsensaal ist restlos ausgebrannt. Ein großer Teil der Gemälde im Gebäude konnte durch den Einsatz der Polizei, Mitarbeitenden des Nationalmuseums und von Dansk Erhverv sowie Passantinnen und Passanten gerettet werden. Ein Experte schätzt den Wert der geretteten Werke auf einen dreistelligen Millionenbetrag.
Wiederaufbau
Der geschäftsführende Vorsitzende von Dansk Erhverv, Brian Mikkelsen, sagt, er sei fest entschlossen, das Gebäude wieder aufzubauen. Der Verband hat unter dem Motto „Sammen om Børsen“ bereits eine Spendenaktion ins Leben gerufen.
Die Ursache des Brandes ist bislang nicht bekannt.
Quellen: Nationalmuseum, Dansk Erhverv, Den store Danske und Ritzau