Leitartikel

„Kalkuliertes Risiko“

Kalkuliertes Risiko

Kalkuliertes Risiko

Kopenhagen/Nordschleswig
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Dänemark öffnet nächste Woche einen Spalt weit nach dem mehrmonatigen Shutdown. Doch wir werden uns weiterhin gedulden müssen, denn mit Normalzuständen wird die Wiedereröffnung nichts zu tun haben, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Seit dem Herbst leben wir in Dänemark im Shutdown. In den vergangenen Monaten hat – zumindest gefühlt – immer mehr vor unserer Nase zugemacht, doch jetzt kommt mit dem Frühling die Zeit des Öffnens. Die Gesellschaft wird einen Spalt weit geöffnet, und die Regierung geht dabei ein kalkuliertes Risiko ein.

Wenn Geschäfte ab nächster Woche wieder öffnen dürfen, wenn im Freien wieder Mannschaftssport betrieben werden darf und wir uns vielleicht mit mehr als fünf Personen in einer Blase treffen können, dann steigt die Freude, aber eben auch die Zahl der Infizierten.

Staatsministerin Mette Frederiksen spricht von einer Balance, bei der sie Dänemark keine Minute länger im Shutdown behalten, gleichzeitig aber auch kein unnötiges Risiko eingehen möchte, was bedeuten könnte, dass wir in wenigen Wochen vor einer neuen Virus-Welle und einem neuen Shutdown stehen.

Für die Staatsministerin und ihre Sozialdemokratie geht es aber auch um ein kalkuliertes politisches Risiko. Die Regierungspartei befindet sich derzeit in den Meinungsumfragen in einem neu-historischen Hoch. Wenn die Sozialdemokraten weiterhin so prominent an der Spitze bleiben wollen, dann muss auch die Balance in der Wählerschaft gefunden werden: Wie lange hält es die Bevölkerung im Shutdown-Modus noch aus, ohne dass die Staatsministerin und ihre Partei unbeliebt werden?

Die Opposition macht Druck. Sie will noch mehr und noch schneller öffnen. Doch die Verantwortung hat letzten Endes die Regierung zu tragen, und deshalb rechnen Frederiksen und Co. gerade beide Szenarien durch: Wie kann unsere Gesellschaft sicher und kontrolliert geöffnet werden, und wie behaupten wir unseren politischen Vorsprung.

Dass wir nächste Woche nicht zu Normalzuständen zurückkehren, steht schon fest. Mette Frederiksen spricht darüber, dass wir uns im März und April noch gedulden müssen, und versucht damit, allzu große Erwartungen im Keim zu ersticken. Das gilt vor allem im deutsch-dänischen Grenzland, wo die Zahlen gegen eine frühzeitige und große Öffnung sprechen.

Üben wir uns also jetzt schon in Sachen Geduld – wir werden sie noch eine Weile brauchen.

 

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