Leitartikel

„Roter Wahlsieg nach Drama – was macht Frederiksen daraus?“

Roter Wahlsieg nach Drama – was macht Frederiksen daraus?

Roter Wahlsieg nach Drama – was macht Frederiksen daraus?

Kopenhagen/Nordschleswig
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Die Sozialdemokraten wollen trotz Wahlsieg eine Zusammenarbeit über die Mitte hinweg. Das könnte für einen Politiker aus Nordschleswig ein unverhofftes Comeback bedeuten.

Was für ein Wahldrama in Dänemark. Lange lagen die Blöcke am Wahlabend in den Prognosen Kopf an Kopf, doch auf der Zielgeraden setzte sich die bisherige Regierungschefin Mette Frederiksen durch.

Auf dem Papier hat sie – mit drei nordatlantischen Mandaten aus Grönland und den Färöern eine rote Mehrheit. Genau wie ihr Vorgänger Poul Nyrup Rasmussen 1998, der sich ebenfalls die Macht mithilfe der nordatlantischen Mandate sicherte.

Doch Mette Frederiksen will die rote Mehrheit anders nutzen als Nyrup. Die jetzige Regierungschefin wünschte sich im Wahlkampf – wie auch ihr Vorgänger im Amt Lars Løkke Rasmussen von den Moderaten – eine Regierung über die Mitte hinweg. Dadurch könnte sie sich von den Flügelparteien Alternative und Einheitsliste frei machen.

Die 90 roten Mandate auf dem Papier geben Mette Frederiksen zunächst einen eindeutigen Vorteil in den bevorstehenden Verhandlungen. Denn falls eine Regierung über die Mitte hinweg nicht machbar ist, dann kann sie auf ihre rote Mehrheit zurückgreifen.

Die Wahlniederlage haben sich die bürgerlichen Parteien übrigens selbst eingebrockt – allen voran die Konservative Volkspartei. Hier hatte Søren Pape Poulsen im Sommer plötzlich Staatsminister-Ambitionen und spaltete damit den Zusammenhalt im blauen Block. Als er dann auch noch über seine eigenen Patzer ins Stolpern kam, war die Pleite perfekt. Pape begann den Wahlkampf in den Meinungsumfragen als zweitgrößte Kraft des Landes – endete aber in der Versenkung unter „ferner liefen“.

Letztendlich wurden sowohl die Konservativen als auch Venstre von den Wählerinnen und Wählern bestraft. Sie wollten die neuen Parteien von Ex-Venstre-Ministerin Inger Støjberg (Dänemarkdemokraten), Ex-Staatsminister Lars Løkke Rasmussen (die Moderaten) oder die Liberale Allianz von Alex Vanopslagh.

Der Wahlsieg der Moderaten bedeutet übrigens, dass der in Tondern geächtete Ex-Bürgermeister Henrik Frandsen ein sensationelles Comeback in der Politik feiern kann: Auf einem Feld in Aggerschau zogen ihm die Venstre-Mitglieder 2020 die Streifen von der Schulter. Nun zieht er erhobenen Hauptes in die Landespolitik ein. Und vielleicht wird es für den Landwirt aus Scherrebek sogar noch besser, denn sollte Lars Løkke es schaffen, Teil einer neuen Regierung zu werden, dann könnte Frandsen als erfahrener Politiker und Organisationskraft vielleicht sogar in einem Ministerwagen in seiner alten Kommune vorfahren.

Neben Venstre und den Konservativen erlebten auch Radikale Venstre (von 16 auf 7 Mandate) und die Dänische Volkspartei (von 16 auf 5 Mandate) Pleiten. Bei den Radikalen kostet dies Lotte Rod aus Apenrade den Posten im Folketing.

Poulsen und Ellemann haben vor der Wahl versichert, dass sie keine Regierung mit Frederiksen bilden wollen. Mette Frederiksen wird aber dennoch den bürgerlichen Parteien die Hand reichen: Lars Løkkes Moderaten gelten als sicherer Partner, aber springen Ellemann oder Pape über ihren eigenen Schatten und machen noch das Beste aus ihren Wahlniederlagen?

Der bisherigen Rhetorik nach zu beurteilen, scheint dies eher unrealistisch. Aber nach der Wahl werden die Karten neu gemischt – in einem bunten Folketing mit nun zwölf Parteien.

Die besten Chancen auf den Spitzenposten im Staatsministerium hat eindeutig Mette Frederiksen. In den nächsten Wochen wird sie ihre Karten aber klug spielen müssen, wenn sie die Blockpolitik außer Kraft setzen möchte.

Und schließlich darf die Feinzählung am Mittwoch das Wahl-Drama nicht um ein weiteres Kapitel ergänzen …

Anmerkung der Redaktion: Lotte Rod behält ihren Platz im Folketing, da sie eines der Überhangmandate erzielt hat.

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