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EU-Kompromiss nicht durch zu viel Draufsatteln gefährden

EU-Kompromiss nicht durch zu viel Draufsatteln gefährden

EU-Kompromiss nicht durch zu viel Draufsatteln gefährden

Apenrade/Aabenraa
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Botschafter Detlev Rünger präsentierte sich als Kenner der EU während der Veranstaltung zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Haus Nordschleswig in Apenrade. Foto: Karin Riggelsen

Der deutsche Botschafter in Dänemark, Detlev Rünger, gab bei einer Diskussionsveranstaltung über die deutsche EU-Ratspräsidentschaft Einblick ins Innenleben der Europäischen Union. Das Publikum stellte Fragen zur Grenzschließung und zur Zukunft der Zeitumstellung.

Rund 40 Interessierte konnte der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), Hinrich Jürgensen, am Dienstag im Haus Nordschleswig in Apenrade zu einer Diskussionsveranstaltung begrüßen, die unter der Überschrift „Die EU unter deutscher Präsidentschaft“ vom BDN und der dänischen Europabewegung organisiert worden war. Jürgensen hieß den deutschen Botschafter Detlev Rünger auf dem Podium willkommen, musste aber auch mitteilen, dass die zweite Referentin, die Vorsitzende der dänischen Europabewegung, Stine Bosse, krankheitsbedingt kurzfristig ihre Teilnahme absagen musste.

Tickendes Herz Europas

Botschafter Rünger äußerte sich erfreut über die Einladung nach Apenrade. „In Kopenhagen wird momentan alles abgesagt. Ich bin froh, wieder einmal rauszukommen“, sagte der Botschafter und lieferte in seinen Ausführungen viele interessante Details zur Bedeutung der jeweils halbjährigen Präsidentschaft eines Landes im Rat der Europäischen Union. Und der hochrangige Diplomat, der im Laufe seiner langen Tätigkeit im Dienst der Bundesrepublik Deutschland auch Einblick in die intensive Beteiligung der ständig tagenden Beamtenteams der Mitgliedsstaaten am Wirken der Regierungen der Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat erhalten hat, lieferte viele Einblicke in das oft als unübersichtlich gescholtene Innenleben der EU. So erklärte er, dass der Europäische Rat als Arm der Mitgliedsstaaten wie das Europäische Parlament und die Europäische Kommission zu den Säulen der EU zählten. 

Däne Generalsekretär des Europäischen Rates

„Deutschland hat aktuell im Europäischen Rat den Vorsitz“, so Rünger, der darauf verwies, dass der Däne Jeppe Tranholm-Mikkelsen als Generalsekretär des Rates der EU eine zentrale Rolle spiele. „Die Ratsarbeitsgruppen sind das tickende Herz Europas“, so der deutsche Botschafter, der seinen Vortrag humorvoll als ein Proseminar über die Institutionen der EU bezeichnete. Dabei verwies Rünger darauf, dass alle Bürger sich über die geltenden EU-Verträge informieren könnten. Darin finde man unter den Funktionen der EU auch die dänischen Sonderregeln.

Ratspräsidentschaft mit Corona

„Beschlossen werden kann bei den Themen nur so weit, wie es die EU-Verträge erlauben“, unterstrich er und erinnerte daran, dass die EU-Ratspräsidentschaft Kroatiens in der ersten Jahreshälfte ebenso wie die Deutschlands vom 1. Juli bis zum 31. Dezember vom „Management der Corona-Krise“ geprägt werde. „Zu den Herausforderungen zählt auch, wie ein Corona-Impfstoff erfolgreich eingesetzt werden kann“, erklärte der Botschafter und erinnerte daran, dass man es EU-weit mit einem noch nie erlebten Wirtschaftseinbruch mit einem Minus von bis zu 20 Prozent in einigen Staaten zu tun habe. Er berichtete, dass bereits im Juli beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU wichtigste Beschlüsse getroffen wurden.

Kompromisse erzielt

„Der dabei erzielte Kompromiss unter anderem über den siebenjährigen EU-Haushalt und die Wiederbelebung der Wirtschaft wurde erreicht“, sagte er und fügte zur Interpretation der Gipfelergebnisse in den Heimatländern der Chefinnen und Chefs nach fünftägiger Marathonsitzung hinzu: „Alle waren Sieger.“ Rünger deutete die wichtige Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Kompromiss an. „Der Kompromiss vom Juli darf nicht durch zu viel Draufsatteln in Gefahr gebracht werden“, so der Botschafter unter Hinweis auf die noch ausstehende Billigung der Vereinbarungen, die auch das Prinzip der Rechtstaatlichkeit der EU und die Klimapolitik umfassen. Er ging auch auf die noch ausstehende Einigung über das künftige Verhältnis von EU und Großbritannien nach dem Austritt der Briten aus der EU ein. „Hoffentlich klappt es“, so Rünger, der an die große Bedeutung des Vereinigten Königreichs als Handelspartner Deutschlands und Dänemarks erinnerte. Es werde bis zur letzten Sekunde gepokert.

Er nahm auch Stellung zum Thema Migration und Asylpolitik. Dabei erwähnte er, dass das Recht auf Asyl in Deutschland vor dem Hintergrund der Geschichte mit der Festschreibung im Grundgesetz eine andere Gewichtung habe als in Dänemark, wo die Bestimmungen politisch laufend neu festgelegt werden können. In der Diskussion erklärte Rünger auf Nachfrage Carsten Lunds zu den Themen EU-Zeitumstellung und Wanderzirkus des EU-Parlaments, dass die Frage von Sommer- und Winterzeit den Nationalstaaten übertragen worden sei. Die Frage des Parlamentssitzes, Straßburg oder Brüssel, sei ein Dauerthema, das wohl kurzfristig nicht vom Tisch komme.

Deutsch-dänische Gemeinsamkeit

Zur Frage Gunnar Hattesens zum deutsch-dänischen Verhältnis erklärte Botschafter Rünger, dass gerade das Jubiläumsjahr der Volksabstimmungen und der Grenzziehung zeige, dass es trotz der nicht immer einfachen Geschichte ein ausgezeichnetes Verhältnis zwischen beiden Ländern gebe. Deutschland und Dänemark hätten in der EU viele gemeinsame Interessen und Standpunkte. „Dänemark hat für Deutschland auch eine sehr große wirtschaftliche Bedeutung“, so der Vertreter Deutschlands in Dänemark und fügte hinzu: „Laut Statistik liegen die deutschen Ausfuhren nach Dänemark auf dem gleichen Niveau wie nach Japan oder in die Türkei, wesentlich größeren Staaten.“ Jaap Oke Tadsen hakte nach, ob man eine erneute Schließung der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark wie im Frühjahr befürchten müsse. Das sei damals angesichts der unübersichtlichen Corona-Situation geschehen.

Allerdings habe man sofort auf die Tausenden Grenzpendler Rücksicht genommen. Und momentan werde die Grenze offen gehalten, trotz der steigenden Infektionszahlen in Dänemark und Deutschland. „Es wird niemand an Reisen in Corona-Brennpunkte gehindert. Allerdings ist bei der Rückkehr eine Quarantäne vorgeschrieben“, so der Botschafter.

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