Folketingswahl 2019

Die Gewinner und die Verlierer aus Nordschleswig

Die Gewinner und die Verlierer aus Nordschleswig

Die Gewinner und die Verlierer aus Nordschleswig

Sara Wasmund und Cornelius von Tiedemann
Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Jesper Petersen ist einer der Gewinner der Wahl 2019. Foto: Philip Davali / Ritzau Scanpix

Eva Kjer Hansen sieht schwere Zeiten auf die Sozialdemokraten zukommen, Jesper Petersen würde zum Ministerposten nicht nein sagen und Jan Rytkjær Callesen will wieder angreifen: „Der Nordschleswiger“ hat mit einigen Gewinnern und Verlierern der Folketingswahl gesprochen.

Die Gewinner

Benny Engelbrecht will den Abbau grenzüberschreitender Barrieren forcieren. Foto: Bo Amstrup/Ritzau Scanpix

 

Benny Engelbrecht: Verpflichtungen gegenüber den Minderheiten nachkommen

Benny Engelbrecht wurde mit 12.267 Stimmen zum Stimmensauger der Sozialdemokraten. Er habe gar nicht mit einer derart guten Wahl gerechnet, sagt er dem „Nordschleswiger“, weil er nur in Sonderburg Wahlkampf gemacht habe. Doch auch im Rest Südjütlands haben viele den ehemaligen Steuerminister gewählt.

„Dass es ein so großes Mandat geworden ist, erleichtert es, die Dinge durchzusetzen, die den Landesteil betreffen“, sagt er. Ob als Minister – dazu könne er beim besten Willen noch nichts sagen, wisse auch nicht, welche Pläne Mette Frederiksen hat.

„Es ist kein Geheimnis, dass das Grenzüberschreitende mir immer ganz wichtig war, auch als Minister“, sagt er und nennt die Übereinkunft, die er als Minister 2015 mit Schleswig-Holstein zum Abbau von Grenzbarrieren initiiert hatte. Leider habe die Løkke-Regierung andere Prioritäten gehabt, sagt er und kündigt an, die Arbeit daran wieder aufnehmen zu wollen.

„Und ganz konkret hat die schreckliche Wirtschaftsförderungsreform von Brian Mikkelsen die Zuständigkeit von den Regionen weggenommen. Wir wollen dieses Machwerk wieder entfernen“, sagt er.

„Die Minderheitenfrage ist entscheidend. Da setzen wir auf den Konsens mit der Bonn-Kopenhagener Erklärung und da gibt es eine dänische Mitverantwortung“, sagt Engelbrecht.

Er richtet dabei auch mahnende Worte über die Grenze: „Im Laufe der Jahre hat sich gezeigt, dass die Liebe zu den Minderheiten in Dänemark wohl etwas größer war als auf deutscher Seite. Da müssen wir als Dänemark Deutschland an seine Verpflichtung erinnern. Und die beste Art, dies zu tun, ist es, unserer Verpflichtung selbst nachzukommen.“

Hans Christian Schmidt: Wichtig, lokale Politiker im Folketing zu haben. Foto: Frank Cilius/Ritzau Scanpix

 
 

H. C. Schmidt: „Es ist wichtig, dass wir auch lokale Leute nach Christiansborg gewählt haben.“

Zu den Gewinnern gehört  Hans Christian Schmidt aus Woyens, der für Venstre in Hadersleben angetreten ist, hat es wieder einmal ins Folketing geschafft. Mit beachtlichen 11.084 Stimmen war es eine „hervorragende Wahl“, wie der 65-Jährige sagt.

Und er ist sich mit seinem Parteichef Lars Løkke Rasmussen ganz einig, dass eine Große Koalition jetzt das Richtige wäre. Vor allem in seinen Kernthemen Infrastruktur und Wirtschaft will er sich in den kommenden Jahren im Folketing einbringen.

„Ich werde ganz genau hinsehen, ob die Autobahn von Hadersleben nach Egtved, die wir beschlossen haben, auch umgesetzt wird.

„Es ist wichtig, dass wir auch lokale Leute nach Christiansborg gewählt haben, auch die, die hier unten wohnen. Und das hat auch mit der deutschen Minderheit zu tun“, sagt der vierfache ehemalige Minsiter, der seit 25 Jahren im Folketing sitzt.

„Ich habe ja selbst eine fantastische Zusammenarbeit mit der deutschen Minderheit und die spielt sich ja auch im Alltag ab. Deshalb ist es wichtig, dass wir Leute haben, die, weil sie hier leben, auch die Möglichkeit haben, Dinge mit der deutschen Minderheit zu erörtern. Die deutsche Minderheit und die dänische Mehrheit sind schließlich bekannt dafür, ein gutes Verhältnis zu haben und gut zusammen zu arbeiten. Das will ich gerne so weiterführen, denn darauf können wir stolz sein.“

Eva Kjer Hansen
Eva Kjer Hansen ist gespannt darauf, was Mette Frederiksen aus ihrer Mehrheit macht. Foto: Thomas Lekfeldt/Ritzau Scanpix

 

Eva Kjer Hansen: „Ich finde, dass uns eine Grenzlandstrategie fehlt.“

So eine Politikerin, die aus Nordschleswig stammt, ist Eva Kjer Hansen, die für Venstre allerdings in Kolding antrat – und 9.531 in Südjütland einsammelte. Die Bauerntochter aus Hellewatt, die in Loit lebt, ist wie Schmidt viermal Ministerin gewesen – aktuell für Fischerei, Gleichstellung und nordische Zusammenarbeit.

„Ich finde, dass uns eine Grenzlandstrategie fehlt“, sagt sie. „Jetzt, wo wir Grenzkontrollen und Wildschweinzaun haben, ist es wichtig, zu vermeiden, dass das zu einer mentalen Barriere der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wird.“

Eine „Grenzlandstrategie mit deutscher und dänischer Beteiligung wäre wichtig, um das Potenzial zu nutzen, das es im Grenzland gibt, um so Brücken zum Rest Europas zu bauen. Da werde ich versuchen, zu sehen, ob wir nicht das Zusammenspiel zwischen deutschen und dänischen Politikern stärken können“ so Kjer.

An eine Regierung mit Venstre-Beteiligung mag sie noch nicht so ganz glauben, sieht aber ohnehin schwere Zeiten auf die Sozialdemokraten zukommen: „Es ist schwer vorstellbar, wie Mette Frederiksen es anstellen soll, denn entweder ist dann von massivem Bruch der Wahlversprechen ihrerseits die Rede – oder es wird schwer für sie, die verschiedenen Parteien zu sammeln. Wir müssen abwarten, was die Verhandlungen ergeben. Aber ich bin in jedem Fall im Arbeitsmodus, ob nun als Ministerin oder Oppositionspolitikerin ist es wichtig, einen soliden Gegenentwurf zu einer möglichen Regierung unter Mette Frederiksen darzustellen“, meint Kjer Hansen.

Jesper Petersen: „Besonders die Kommune Apenrade hat eine Herausforderung“

In Hadersleben hat es Jesper Petersen für die Sozialdemokraten geschafft. 7.175 Stimmen holte der gebürtige Woyenser in Südjütland. Seit zwölf Jahren ist der 38-Jährige bereits Folketingsmitglied, die ersten sechs davon für SF.

„Es ist wie beim Fußball – der Trainer stellt die Mannschaft auf“, sagt er auf die Frage, ob er einen Ministerposten in Aussicht hat.

„Politiker, die sagen, dass sie keine Lust haben, Minister zu werden, die sagen wahrscheinlich nicht die ganze Wahrheit“, sagt er – er habe aber keine entsprechenden Erwartungen, sondern will sich den Aufgaben stellen, die da kommen.

„Ich hoffe, dass wir die gute und konstruktive Zusammenarbeit fortsetzen können, die zwischen der Minderheit und dem Folketing besteht und die Herausforderungen, die es geben mag, zu lösen – ohne, dass das zu Parteipolitik wird, ganz so, wie es Brauch ist“, sagt er.

„Und dann hoffe ich doch darauf, dass wir das Wiedervereinigungsjubiläum dazu nutzen werden, das Bewusstsein über die Geschichte und Erfahrungen des Grenzlandes im Rest des Landes zu steigern“, sagt er – und nennt eine ganze Reihe von Themen, die daneben für Nordschleswig wichtig seien, darunter die Zweigleisige Bahnstrecke zwischen Tingleff und Pattburg, Ausbildungsplätze abseits der größeren Städte und der grenzüberschreitende Bahnverkehr.

„Besonders die Kommune Apenrade hat eine Herausforderung mit den Grenzpendlern, für die sie viele Ausgaben, aber keine Einnahmen hat und keine Kompensation bekommt.“

 

Foto: Lana Riedel


Die Verlierer

Jan Rytkjær Callesen Foto: Thomas Lekfeldt / Ritzau Scanpix

 

Jan Rytkjær Callesen: „Aber natürlich, ich komme zurück.“

Für den Politiker der Dänischen Volkspartei, Jan Rytkjær Callesen aus Pöhl auf Alsen, ist die Zeit im Folketing vorerst vorbei. Das schlechte Abschneiden seiner Partei hat auch ihn getroffen, er verlor sein Mandat. Im Wahlkreis Sonderburg holte er 830 persönliche Stimmen, insgesamt 1.056. „Ich bin sehr traurig darüber“, so Callesen.

„DF hat die ganzen Verschärfungen mit den Ausländergesetzen gemacht und Grenzkontrollen eingeführt und damit dafür gesorgt, dass die Einwanderung unter Kontrolle kam. Und diesen Erfolg haben die anderen Parteien jetzt für sich selbst verbucht und davon profitiert“, so Callesen.

Tritt er bei der nächsten Wahl erneut an? „Aber natürlich, ich komme zurück. Bis dahin mache ich meine Stadtratsarbeit, dafür habe ich jetzt wieder mehr Zeit“, so der Politiker von Alsen.

Mogens Dall: Eine lehrreiche Erfahrung

Den undankbaren siebten Platz und somit keinen Platz im Folketing erreichte für Venstre in Sütjütland Mogens Dall. Der Landwirt aus Bovrup hat jedoch den Platz als ersten Suppleanten inne, fällt ein Venstre-Politiker seines Wahlkreises aus, rückt Dall nach.

Ist er enttäuscht, nicht direkt gewählt worden zu sein? „Meine erste Reaktion war, dass es ein Mannschaftseinsatz für Venstre war, und dass ich mit dazu beitragen konnte, Stimmen für die Partei zu holen.“

Für ihn sei die Kandidatur eine spannende und lehrreiche Erfahrung gewesen, „die ich nicht missen möchte“. Ob er noch mal antritt, will er sich gemeinsam mit der Partei überlegen.

Philip Tietje Foto: Claus Thorsted, JydskeVestkysten

 

Philip Tietje: Erst mal drüber schlafen

Mit  seinen rund 2.300  persönlichen Stimmen ist Venstre-Kandidat Philip Tietje alles andere als zufrieden mit seiner erfolglosen Kandidatur.

„Das ist natürlich enttäuschend, wenn man so viel Zeit, Geld und Energie in die Sache steckt und dann am Ende nicht zufrieden mit seinem persönlichen Ergebnis ist“, so der Apenrader Stadtratspolitiker.

Woran es gelegen hat? „Das müssen wir jetzt analysieren, es ist schwer zu sagen. Tondern ist als Wahlkreis traditionell schwierig, da die lokalen Kandidaten eher wenig unterstützt werden.“

Ob er noch mal für eine Folketingswahl antritt? „Darüber muss ich jetzt erst mal schlafen. Vielleicht komme ich zu dem Ergebnis, dass die Leute einfach jemand anderen wollen. Andererseits kann man sagen, dass es das erste Mal war, dass ich angetreten bin und es beim zweiten Mal vielleicht besser läuft. Wir werden das jetzt mal erörtern. Jetzt habe ich erst mal wieder mehr Zeit für  meine Stadtratsarbeit in Apenrade“, so Tietje, der im Wahlkreis Apenrade 739 Stimmen holte. 

 

 

 

Mehr lesen

Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Nordschleswig braucht den Schulterschluss“