Neujahrstagung in Sankelmark

Die sozialistische Spitzenpolitikerin, die es gar nicht werden wollte

Die sozialistische Spitzenpolitikerin, die es gar nicht werden wollte

Die Spitzenpolitikerin, die es gar nicht werden wollte

Sankelmark
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Karina Lorentzen Dehnhardt berichtete in lockerer Form über ihren politischen Werdegang und ihre Arbeit. Foto: Karin Riggelsen

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Als Justizsprecherin der Sozialistischen Volkspartei macht Karina Lorentzen ihren Einfluss geltend. Dabei ist sie eher zufällig in die Politik hineingestolpert. 

Karina Lorentzen Dehnhardt zählt als Fraktionsvorsitzende und Justizsprecherin der Sozialistischen Volkspartei (SF) zu den einflussreichsten Politikerinnen des Landes. Dabei ist sie fast zufällig ins Folketing hineingeschlittert, wie sie in ihrem launigen Vortrag auf der Neujahrstagung der deutschen Minderheit in Sankelmark berichtete.

Sie kommt aus einer Familie, in der Politik nie eine Rolle gespielt hat. Lorentzen hat als Erste in ihrer Familie eine längere Ausbildung gemacht und wurde Lehrerin. In der Schule in Kolding, in der sie unterrichtete, war das Lehrerzimmer „rot“. Eine Kollegin hat sie überredet, in der Lokalabteilung von SF mitzumachen.

„Die Sitzungen waren aber zum Teil so langweilig, dass ich überlegte, wieder aufzuhören“, berichtete sie.

Ein wichtiger Anruf

Aufgehört hat sie nicht, dafür kam die Aufforderung, sie solle für das Folketing kandidieren. Wir schreiben das Jahr 2007; die Volkssozialisten befinden sich mit Villy Søvndal als Vorsitzendem im Höhenflug. 

Søvndal kandidierte in Kolding, und da meinten so einige in der Partei, eine junge Frau mit Lehrerhintergrund wäre eine gute Ergänzung. Viel Wahlkampf brauche sie nicht zu machen, der Vorsitzende würde das Ding schon reißen. Man sprach vom „Villy-Effekt“.

„Ältere Parteikolleginnen und -kollegen sagten mir, du wirst nie und nimmer gewählt“, erinnerte Lorentzen sich.

Karina Lorentzen hatte nicht damit gerechnet, dass sie gewählt wird. Foto: Karin Riggelsen

Als dann der Wahlabend kam, sagte ihr Mann: „Du, ich glaube, du bist gewählt worden.“ Neben Søvndal und dem späteren Sozialdemokraten Jesper Petersen hatte SF im Großkreis Südjütland ein drittes Mandat errungen. Andere meinten jedoch nicht, Lorentzen sei gewählt, und so dachte sie sich, es wird schon jemand anrufen.

Es war wiederum ihr Mann, der sie überredete, selbst in der Parteizentrale nachzufragen, ob sie gewählt sei und gegebenenfalls in Kopenhagen erscheinen sollte. Beide Fragen wurden mit „Ja“ beantwortet.

„Ich hatte keine Ahnung, dass man für die Arbeit im Parlament bezahlt wird und machte mir daher Sorgen, ob ich mir die regelmäßigen Zugfahrten zwischen Kolding und Kopenhagen leisten konnte“, sagt sie, um zu beschreiben, wie ahnungslos sie seinerzeit in die Politik hineingestolpert ist. 

Die Oma

Mit der Ahnungslosigkeit war es jedoch schnell vorbei. Karina Lorentzen kniet sich in die Arbeit hinein. Hat mittlerweile die Sprecherfunktion in „fast allen Bereichen gehabt“. Die Treibkraft für die Frau, die eigentlich nicht Politikerin werden wollte, ist ein ausgeprägter  „Gerechtigkeitssinn“.

„Ich glaube, es stammt von den Erzählungen meiner Oma.“

Da wäre zum Beispiel die Erzählung, dass die Oma mit zwölf Jahren die Schule verlassen musste, weil die Familie sich den Transport zur Zentralschule nicht leisten konnte. Oder wie sie vor dem Gemeinderat gedemütigt wurde, weil sie um Geld bitten musste, weil ihr Mann aufgrund von Krankheit kein Einkommen hatte.

„Solche Erzählungen haben mich bereits als Kind richtig aufgewühlt, und ich sagte mir, dass so etwas doch nicht angehen könne.“

Die Sozialistin ist daher warme Befürworterin des dänischen Wohlfahrtsstaats. Sie sieht in der Absicherung von Bildung und Gesundheit die wahre Freiheit. 

„Ich möchte Menschen eine Stimme geben, die ansonsten keine haben. Das gilt zum Beispiel für Insassen in den Gefängnissen.“

Lorentzen will Ergebnisse erzielen

Auf Christiansborg gilt Lorentzen als resultatorientierte Politikerin, der Einfluss wichtiger ist, als ideologisch geprägte Reden zu schwingen. Sie kann lang und hartnäckig verhandeln, um ihre Ergebnisse zu erzielen.

Das wurde kürzlich deutlich, als es um den Untersuchungsausschuss zum Skandal um den Nachrichtendienst FE ging. SF hatte sich mit den übrigen Oppositionsparteien auf einen Vorschlag zu einem breiten und möglichst offenen Untersuchungsausschuss geeinigt.

Die Fragelust war nach dem Vortrag groß. Foto: Karin Riggelsen

Die Regierung konnte einen Ausschuss hinter verschlossenen Türen zwar mit ihrer eigenen Mehrheit durchdrücken, leitete aber dennoch Verhandlungen mit SF, die Lorentzen als Justizsprecherin führte.

Sie erreichte eine Stärkung der Kontrolle der Nachrichtendienste als Preis dafür, dass sie dem eingeschränkten Untersuchungsausschuss zustimmte. Dieses Ergebnis war ihr wichtiger, als am eigenen Vorschlag festzuhalten. Dass sie dafür von den übrigen Oppositionsparteien wenig Lob ernten würde, war ihr selbstverständlich bewusst.

Lorentzens Hartnäckigkeit wurde bei ihrem Vortrag in der Frage um die Tech-Giganten deutlich. Sie meint, dass es zum Schutz der Kinder unerlässlich sei, den Einfluss von Google, Facebook und Co. zu regulieren. Entsprechende Initiativen würden jedoch derzeit von der EU blockiert. 

„Ich bin dennoch überzeugt, dass die Debatte weitergehen wird. Irgendwann müssen wir eine solche Regulierung durchsetzen.“

Und mit der Äußerung deutet sie auch an, dass sie – so es die Wählerinnen und Wähler wünschen – noch eine geraume Zeit in der Politik weitermachen möchte. 

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