Demonstration

Haderslebener zeigen Solidarität mit syrischen Geflüchteten

Haderslebener zeigen Solidarität mit syrischen Geflüchteten

Haderslebener zeigen Solidarität mit syrischen Geflüchteten

Hadersleben/Haderslev
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In Hadersleben setzten Jung und Alt ein Zeichen gegen die von der dänischen Regierung geplanten Abschiebungen nach Syrien. Foto: Annika Zepke

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Nach Holstebro, Kopenhagen und Vejen haben am Mittwoch auch in Hadersleben viele Bürgerinnen und Bürger gegen die geplanten Abschiebungen syrischer Geflüchteter aus der Damaskus-Region demonstriert.

175 Menschen hatten sich am Mittwochnachmittag auf dem Graben eingefunden, um ihrer Solidarität für die syrischen Mitbürger, denen seit der Einstufung der Damaskus-Region als sicheres Gebiet durch die dänische Regierung die Abschiebung droht, Ausdruck zu verleihen. „Ich bin mehr als zufrieden“, meint Daniel Fabricius Sommerkorn (Radikale Venstre). „Ich wäre schon mit 70, 80 Teilnehmern zufrieden gewesen, aber dieser Zuspruch hat all meine Erwartungen übertroffen.“

Ziel: Ein Zeichen setzen

Zusammen mit der Nichtregierungsorganisation Dozana und seinen Kollegen von der Radikalen Venstre hatte Fabricius Sommerkorn das friedliche Solidaritätsevent organisiert, um ein klares Zeichen gegen das Vorhaben der Regierung, syrische Geflüchtete aus der Damaskus-Region in ihr Herkunftsland zurückzuschicken, zu setzen. Auch zwei Rednerinnen hatte er gewinnen können, die bei der Veranstaltung von ihren eigenen Fluchterfahrungen berichteten. 

Seit sechs Jahren wohnt Alaa Alnwailati in Dänemark. Die 38-Jährige hat soeben ihr Lehramtsstudium erfolgreich abgeschlossen – doch jetzt soll sie abgeschoben werden. Foto: Annika Zepke

Eine von ihnen ist die 38-jährige Alaa Alnwailati. Als ausgebildete Englischlehrerin floh sie 2015 mit ihren drei Kindern aus Damaskus. In Dänemark angekommen, musste Alnwailati noch einmal ganz von vorne anfangen: Sie lernte die Sprache und absolvierte ein weiteres Lehramtsstudium, das sie vor zwei Monaten abschloss.

„Leider konnte ich meine Bachelorarbeit nicht so schreiben, wie ich es wollte“, gesteht Alnwailati, „denn während ich im Herbst an meiner Abschlussarbeit arbeitete, erhielt ich den Bescheid, dass Damaskus als sicher gilt und ich mit meinen Kindern zurückgehen soll.“ Diese Nachricht habe sie sehr belastet.

„Es ergibt keinen Sinn“

Dass sie nun wieder zurück muss, in ein Land, das weiterhin nicht sicher ist, kann sie nicht nachvollziehen. „Ich habe mein Bestes gegeben. Meine Kinder sind gut integriert, ich habe die Sprache gelernt, noch einmal studiert und Freunde gefunden. Es ergibt einfach keinen Sinn, dass die Regierung qualifizierte Mitbürger des Landes verweisen will“, sagt sie mit brüchiger Stimme.

175 Menschen hatten sich auf dem Haderslebener Graben versammelt, um ihre Solidarität zu zeigen. Foto: Annika Zepke

Der Schutz, den sie auf ihrer Flucht suchte und in Dänemark fand, sei durch das Vorhaben der Regierung jedoch entschwunden. „Für mich gibt es damit eigentlich keinen Grund mehr, hierzubleiben“, so die 38-Jährige. „Aber meine Kinder fühlen sich hier wohl. Meine siebenjährige Tochter hat keine Erinnerungen an Damaskus und kann sich selbst einen Umzug nach Kopenhagen nicht vorstellen, weil sie von ihren Freunden nicht weg möchte.“ Zudem stehe ihr ältestes Kind gerade vor den Abschlussprüfungen der neunten Klasse.

Jette Lassen (l.) und Kirsten Fisher engagieren sich bei der Kinderhilfsorganisation „Red Barnet“ und kennen viele Flüchtlingsfamilien persönlich. Sich an der Demonstration zu beteiligen war für sie eine Herzensangelegenheit. Foto: Annika Zepke

Sie werde daher bis zur letzten Minute kämpfen, sagt Alnwailati fest entschlossen: „Das habe ich von euch gelernt. Ihr seid ein starkes Volk, ihr erreicht eure Ziele.“ Die Unterstützung, die die Haderslebenerinnen und Haderslebener mit ihrer Teilnahme an der Demonstration zeigen, bedeute ihr daher sehr viel.

Starke Stimmen beim Open Mic

Doch Alaa Alnwailati war nicht die Einzige, die am Mittwochnachmittag auf dem Graben ihre Geschichte erzählte. Auch Ahmad Zanon griff spontan zum Mikrofon und erntete für seine Worte starken Applaus. Der 24-Jährige lebt wie Alnwailati seit sechs Jahren in Dänemark und befindet sich mitten in einer Ausbildung zum Sozialberater. Seiner Familie droht ebenfalls die Abschiebung nach Syrien. „Das nimmt mir die Motivation für mein Studium“, so Zanon.

Beim Open Mic griff Ahmad Zanon zum Mikrofon, um seine Geschichte mit den Anwesenden zu teilen. Foto: Annika Zepke

Unterstützung gab es auch von anderen Einwanderern. Kathrin Schöller zog vor neun Jahren von Deutschland nach Dänemark, wie sie erzählt, doch anders als Alaa Alnwailati und Ahmad Zanon müsse sie nicht befürchten, in ihr Heimatland abgeschoben zu werden. „Dabei haben sie mindestens genauso viel wie ich, wenn nicht noch mehr geleistet, um sich in Dänemark zu integrieren.“

Auch viele dänische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger brachten bei der Veranstaltung ihre Solidarität zum Ausdruck. Lehrerin Christina Ackerman berichtete beispielsweise vom Schicksal ihrer Schülerin, die sich mit der Abschiebung konfrontiert sieht, obwohl sie ein „sehr tüchtiges Mädchen“ sei.

Viele Schülerinnen und Schüler der Haderslebener Kathedralschule waren gekommen, um ihren Freund Zedan Hejazi (3. v. r.) zu unterstützen, der bei der Veranstaltung ebenfalls zum Mikrofon griff. Auch Sabina Wittkop-Hansen (r.) von der Schleswigschen Partei war dabei, um Solidarität zu zeigen. Foto: Annika Zepke

Sie könne das Vorhaben der Regierung nicht verstehen, meint Ackerman: „Ich hoffe, dass wir zu dem Dänemark zurückkehren, das Leuten in Not die Hand reicht.“ Mit der Demonstration auf dem Graben, sei ein erster Schritt in diese Richtung bereits getan, so die Lehrerin: „Genau dieses Signal senden wir heute an die Regierung.“

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