Deutsche Minderheit

Ein Chorausflug von Süderwilstrup in die deutsche Gegenwart

Ein Chorausflug von Süderwilstrup in die deutsche Gegenwart

Ein Chorausflug von Süderwilstrup in die deutsche Gegenwart

Andrea Kunsemüller
Rostock
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In Rostock knüpften die Nordschleswiger freundschaftliche Bande. Foto: Privatfoto

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Martin Witte, Pastor der Nordschleswigschen Gemeinde, hatte eine Idee. Er wollte mit dem kleinen Chor des Kirchspiels seine alte Heimat Rostock aufsuchen.

Der Anlass: das 25-jährige Bestehen des Lambrechtshagener Chores, den er, Martin Witte, in seiner Zeit als Pastor dort gegründet hatte. Er kann nämlich nicht anders. Es muss musiziert werden in seinem Leben.
Von der deutschen Minderheit in Dänemark hatten sie wohl allesamt noch nicht viel gehört, als wir zehn Frauen und Männer aus dem Kleinbus ausstiegen, der uns nach Lambrechtshagen in der Nähe von Rostock gebracht hatte.  Sehr wohl aber war ihnen allen Martin Witte ein Begriff, ihr ehemaliger Pastor und ehemaliger Chorleiter.

Ausflug in die schöne Gegend Foto: Privatfoto

Nun sind auch die Chormitglieder 25 Jahre älter geworden. Das sah man gut in einem kleinen Film aus den Anfängen, aber die meisten sind immer noch dabei, und wir hatten Gelegenheit, mit ihnen zu singen, zu lachen, zu reden, uns wohlzufühlen, und, nicht zuletzt, bei ihnen gut zu essen. Die Gastfreundschaft war herzerwärmend, angefangen vom selbst gemachten Birnensaft über die selbst gemachten Kuchen bis hin zu leckeren Suppen und Fleisch – nicht Fleischbeilage, sondern Fleisch an sich.

Ossis & Wessis

Lambrechtshagen lag schon damals nicht mehr in der ehemaligen DDR, sondern war neue Bundesrepublik und Randgemeinde der Großstadt Rostock.  Etwa 13 Kilometer von Rostock entfernt entstand ein Neubaugebiet. Dorthin zogen Alteingesessene und Junge, aus dem Westen Hinzugezogene. Die neu Hinzugezogenen hatten alle Glück, denn in der Euphorie der Anfangsjahre („Es werden hier blühende Landschaften entstehen“) wurden sie gut zusammengewürfelt.  Dass sie alle in diesem Neubaugebiet ähnliche Bedingungen vorfanden, erleichterte die Aufnahme der Wessis bei den Ossis, den ehemaligen DDR-Bürgern, die vielleicht sonst eher die aus dem Westen mit Zurückhaltung betrachteten – damals, unmittelbar nach der Wende.

Zu Besuch im Münster Doberan Foto: Privatfoto

Zurück zu den Wurzeln

Für Pastor Martin Witte war unsere Chorfahrt ein Heimkommen, ein Eintauchen in eine alte Zeit, in alte Freundschaften und in die Herzlichkeit, die sie uns allen angedeihen ließen, zuerst aus Sympathie zu Martin Witte und später, weil wir uns alle näher kennenlernten. Wo Martin ist, so sagte es einer von ihnen, haben schlechte Menschen keine Chance, und so erhielten wir alle eine Chance.

Wir, die wir den Chor von Süderwilstrup bilden, sind alle schon etwas älter als der Durchschnitt der Gesellschaft, und doch: Selten fühlten wir uns so alt wie wir sind.  Wir sangen zum ersten Mal zusammen mit einem anderen Chor, dem Lambrechtshagener Chor unter der Leitung von Bodo Pasternack, einem Freund von Martin Witte und engagiertes Gemeindemitglied.

Die Kirche von Lambrechtshagen Foto: Andrea Kunsemüller

Klein, aber fein

Die kleine Kirche von Lambrechtshagen, die vielleicht 80 Menschen Platz bieten kann, war voll. Das ist dort ebenso selten wie bei uns. Sie ist wie manche unserer Kirchen auch mit schönen Wandmalereien ausgestattet, und, um es ganz unbescheiden und wenig nordschleswigsch zu sagen: Unser Gesang klang gar nicht schlecht.

Wahrscheinlich hatten uns das gute Essen, der gute Wein, die Freundlichkeit näher aneinandergerückt. Bodo Pasternack, der heutige Chorleiter, gab uns den nötigen Schwung, und die einfachen Lieder gaben uns den nötigen Halt. Als wir auch noch ein paar dänische Lieder sangen, war die Welt für alle in Ordnung. Die Deutschen aus Dänemark sind eben doch auch Dänen.

Gemeinsames Singen Foto: Ulli Ohde

Ausflug in die Geschichte der Minderheit

Hans Heinrich Hansen erzählte ihnen am folgenden Abend etwas über die deutsche Minderheit in Dänemark, denn wohl hatte der eine oder die andere schon etwas über die dänische Minderheit in Deutschland gehört, aber wenig über die deutsche Minderheit in Dänemark. Wieder tat sich ein neuer Aspekt eines deutsch-deutschen Lebens auf. Die Neugier war geweckt.

Natürlich mussten wir alles sehen, was historisch interessant und schön war, und so kamen wir zur alten Kapelle in Althof, der Wiege des Klosters Doberan, ein paar Kilometer von Doberan entfernt. Dort war früher eine heilige heidnische Stätte. Die Wenden lebten dort ihre eigene Religion, bis ihr Fürst, der Slawenfürst Pribislav, sich, wahrscheinlich nicht ganz freiwillig, dem Christen Heinrich der Löwe unterwarf und sich taufen ließ.  Damit wurde die Gegend christlich, so dachte man. Allerdings gaben die Wenden sich nicht so leicht geschlagen und verwüsteten Althof 1179. Die Mönche wurden getötet. Die Kapelle wurde zwar später wieder aufgebaut, aber das Kloster zog um nach Doberan. Dort entstand über die Jahrhunderte der Monumentalbau, den wir heute bewundern können.

Das Münster von außen Foto: Andrea Kunsemüller

Beeindruckendes Münster

Wir waren neugierig auf das ehemalige Kloster, das Münster Bad Doberan, das genau wie die Kirche in Lügumkloster von Zisterziensermönchen erbaut worden war. Es ist ein riesiger Backsteinbau, 1171 gegründet, und es war das erste mecklenburgische Kloster, ein einzigartiges Monument der Hochgotik.

20 Jahre lang, von 1964 bis 1984, wurde das Münster umfassend sowohl innen als auch außen restauriert. Innen wurde nicht an Farbe gespart. Vergleicht man die zurückhaltende Restaurierung der Kirche in Lügumkloster, die erst vor Kurzem erfolgt ist, mit der farbenprächtigen des Münsters in Bad Doberan, so scheint Lügumkloster eher von innen zu leuchten als durch die Farbe. Im Bad Doberaner Münster gibt es innen etwa ein Kreuz in leuchtendem Grün, die roten Backsteinmauern wurden rot bemalt und die Fugen weiß übermalt. 

Der Chor mit Bodo Pasternack Foto: Andrea Kunsemüller

Wenn man die Symbolik überträgt, könnte man meinen, die Mönche in Lügumkloster seien eher still – womöglich sogar andächtig gewesen, während sie in Bad Doberan vielleicht eher der Fülle des Lebens zugeneigt waren. Wie dem auch sei: Man versucht in Bad Doberan, das Münster in die Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen.

Konzert in der Petrikirche

Wie gut, dass wir am Nachmittag ein klangreines Chor- und Orgelkonzert mit dem Rostocker Motettenchor in der Petrikirche hörten. Die Stimmen waren wunderbar einfach und schön. Wir wurden ganz andächtig und konnten ohne Neid feststellen, dass es solche und solche Stimmen gibt.

Foto: Martin Witte

Natürlich sind wir heute anders als im Mittelalter. Wenn wir aber geglaubt haben, dass wir heute intelligenter sind als damals, dann hat uns die Astronomische Uhr in der Marienkirche etwas anderes gelehrt. Sie wurde 1472 in Betrieb genommen und funktioniert heute noch so präzise wie damals. Ich glaube, die wenigsten haben verstanden, wie sie genau funktioniert. Das ist schon höhere und höchste Mathematik.

Kirche nach der Wende

Aber das konnte uns natürlich nicht vom ganz normalen Reden über hier und dort, Ost und West, Dänemark und Deutschland abhalten, wollte man sich doch mit den neuen Freunden austauschen und die Gelegenheit nutzen, mit den anderen Chormitgliedern zu feiern.  Das taten wir ausgiebig, hatte die Gemeinde doch am Abschiedsabend wieder alles aufgefahren, was sie konnte und mehr als das Herz und der Magen begehrten. Wir aßen im Gemeindesaal, den die Gemeinde renoviert hat. Wir staunten, welche Mühen die Gemeindemitglieder auf sich genommen haben, um für sich selbst und für nachfolgende Generationen eine kirchliche Bleibe zu schaffen. Das ist anrührend und nicht selbstverständlich, sondern zeugt von einem guten Willen und zeigte auch hier, in Lambrechtshagen, etwas von der Kraft, die die Kirche vor und nach der Wende bewiesen hat.

Dabei sind die Probleme ähnlich wie bei der Kirche der deutschen Minderheit. Die Kirchen sind trotz engagierter Pastoren und Laien oft leer. In der ehemaligen DDR gab es wenige, die sich für die Kirche interessierten, sondern die Zielsetzung war eine andere. Jugendweihe ersetzte die Konfirmation. Die Kinder wurden nicht an kirchliches Leben herangeführt. Es war und ist ihnen heute noch zum großen Teil fremd. So hatte und hat die Kirche einen Schwerpunkt im sozialen Engagement.

Soziales Engagement unter dem Dach der Kirche

In Lambrechtshagen sieht die junge Pastorin eine Zukunft in der Kinder- und Jugendarbeit. Im Pfarrhaus, wo die junge Familie der Pastorin lebt, war ein großes Zimmer für alle Kinder der Gemeinde eingerichtet – mit Spielecke, guten Büchern, einem Sofa zum Schmökern. Alles ist in freundlichen, lichten Farben gehalten. Draußen wurde gegrillt.

Es wurde ein Abschiedsabend mit Selbstgemachtem, auch selbst gemachten guten Gesprächen, einem guten Wein und mit der festen Absicht, dass man sich wieder trifft. Das nächste Mal in Süderwilstrup.

Das Rezept

1-1,5 kg Putenfleisch in Würfeln
1 Glas Paprika, süß-sauer
1 Glas Ananas
1 Glas Erbsen
2 Gläser Pilze
1 Dose Mais ohne Flüssigkeit!
½ Fl. Texicana Salsa
½ Fl. Curry-Ketchup
Pfeffer
1 kg Zwiebeln (am besten angedünstet)
Alles in einen Bräter, auch mit dem Saft - bis auf den Mais, der ohne Flüssigkeit ist
50-60 Min. bei 220 Grad. Umrühren nötig.
Guten Appetit!
 

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