Leserbrief

„Wir verkaufen unser Tafelsilber und ziehen zum Mond“

Wir verkaufen unser Tafelsilber und ziehen zum Mond

Wir verkaufen unser Tafelsilber und ziehen zum Mond

Thomas Meyer
Hadersleben/Haderslev
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Leser Thomas Meyer kommentiert in einem Leserbrief das Interview über den Prozess zum Beschluss, der zum Umzug der Deutschen Bücherei Hadersleben in das dänische Kulturhaus Bispen führte.

Ich bin in den vergangenen Tagen von mehreren Personen auf meinen Leserbrief bezüglich des Umzuges und des Verkaufs des Büchereigebäudes angesprochen worden. Ich denke, es ergibt Sinn, einige dieser verschiedenen Meinungen hier wiederzugeben.


Grundlegend muss ich sagen, dass viel Frust und Verwunderung herrschen. Im Nachhinein bin ich sehr erstaunt darüber, wie wenig vorher über diese große Entscheidung in Hadersleben gesprochen worden ist. Man hat einfach keinen Gedankenaustausch gesucht oder gewünscht.

So wurde zur Generalversammlung der Büchereien (die nur ein paar Wochen vor der Veröffentlichung stattfand) kein Wort bezüglich des Verkaufs und des Umzugs der Bücherei erwähnt.

Warum wird die Vision, die Idee und der Plan nicht vorher als separater Tagesordnungspunkt aufgenommen und in der Einladung nochmals darauf hingewiesen? Das wurde weder in diesem noch im vergangenen Jahr angesprochen.
 

Bei anderen Gelegenheiten wie z. B. bei SP-Stammtischen und BDN-Treffen der vergangenen Jahre wurde anscheinend auch nicht öffentlich über die Pläne des Büchereigebäudes geredet. Alles heimlich und vertraulich.

Warum hat man sich nicht die Mühe gemacht, mehr transparent zu sein?

Warum geht man mit dem Wunsch, ein Gebäude zu verkaufen, nicht an die Öffentlichkeit? Beim dänischen Staat ist das normal und geschieht oft durch Freja Ejendomme.
Warum geht man mit dem „Erstbesten“, der ein Angebot gemacht hat, einen Handel ein?

Mir und anderen Mitgliedern geht es nicht um den Preis des Gebäudes, sondern um die Art und Weise, wie der Beschluss und dieser Verkauf durchgeführt worden ist.

Wenn ich nun z. B. gerne Haus Quickborn kaufen möchte, müsste ich dann schon heute den BDN kontaktieren, um der erste „in der Reihe“ zu sein? Kann ich dann auch mit einem niedrigen Preis kommen – und wir treffen uns dann in der Mitte, also einem Preis zwischen beiden Schätzungen?
 

Wenn Mitglieder des BDN im Nachhinein konkrete Fragen zum Umzug und insbesondere zum Verkauf des Gebäudes haben, werden sie mit einem großen Schweigen konfrontiert. Es werden keine brauchbaren und auch keine konkreten Antworten gegeben. Das macht einen traurig und skeptisch.

Der Hauptvorstand und die Entscheidungsträger haben mehrere Wochen den Kopf in den Sand gesteckt, und das anhaltende Schweigen lässt leider auch die Glaubwürdigkeit rapide schwinden und befeuert Gerüchte über Vetternwirtschaft usw. Das ist nicht gut für die Minderheit, und dies dient wirklich keinem. Warum geht man nicht offen mit der ganzen Situation um?
 

Man vertröstet langjährige BDN-Mitglieder damit, dass zeitnah ein Interview kommt. Doch wenn alle nun schon lange hingehalten werden, dann wissen wir alle, dass es letztlich (wie oft vorher in der Minderheit gesehen) nur ein nettes Interview wird, wo die Entscheider sich und ihresgleichen gegenseitig abdecken, und die Schuld und Verantwortung auf andere schieben.

Nun liegt das Interview mit Uwe Jessen und Claudia Knauer vor. Eine ehrliche und kritische Selbstreflexion verspüre ich da nicht.

Zu Uwes Aussage: „Das Bispen hat jährlich 300.000 Gäste. Die müssen alle an der deutschen Bücherei vorbei. Daraus ergibt sich ein riesiger potenzieller Kundenstrom“.

Laut Danmarks Statistik waren es nur 186.000 Gäste 2021 (die Zahlen für 2022 liegen noch nicht vor). D.h. 300.000 Gäste ist doch ein wenig übertrieben, oder?

Dass die Gäste, laut Uwe, an der deutschen Bücherei vorbeigehen sollen, ist auch nicht ganz korrekt, denn die deutsche Bücherei liegt im 1. Stock, d.h., künftige Gäste müssen eine Treppe nach oben, die gehen nicht direkt an der Bücherei vorbei.


Uwe sagt im Interview weiter: „Verfahren und Preis haben beide Vorstände beschlossen.“

 
Ist es nicht ein wenig zu einfach für einen Generalsekretär zu sagen, die Schuld und Entscheidung liegt bei anderen? Dass ein Generalsekretär sich hier nicht selbst einbezieht, ist unwürdig. Es mag in der Sache vielleicht richtig sein, doch Fakt ist, dass in den Vorständen der Minderheit sehr viele ehrenamtliche Mitglieder sitzen, die dann abends zu den Sitzungen häufig von den Hauptamtlichen (total) überrollt werden.

In der Aussage: „Es ist auch von Berlin genehmigt worden“ fehlt doch, wer was vorgeschlagen hat.


Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Berlin entschieden und diktiert hat, WER der Käufer sein soll. Berlin hat doch nur das abgenickt, was vom BDN vorgetragen wurde. D.h. die Verantwortung, nun nach Berlin zu senden, ist nicht richtig.

Dass der BDN heute nicht weiß, ob man den besten Preis bekommen hat, und dass Claudia im Interview auch sagt, dass man sich keine Gedanken über den Käufer gemacht hat, ist doch sehr traurig.

Hätte man auch, zum Beispiel, das Gebäude an Dansk Folkeparti verkauft? Nein, ein bisschen Selbstkritik und -reflexion sieht anders aus. Eine selbstkritische Analyse zur Entscheidung und zum Prozess geht aus dem Artikel nicht hervor.

Im Interview und der vorangegangenen Berichterstattung geht man leider gar nicht darauf ein, was später als Erfolg bewertet wird.  Was ist denn das Ambitionsniveau betreffend Anzahl neuer Leser und Ausleihzahlen?  Erwarten Uwe und Claudia, dass wir 10 % oder 20 % von Uwes 300.000 Gästen „kapern“ können?  Was ist denn in konkreten Zahlen die Erwartung? Wo fängt die Erfolgsskala an?

Das, was andere BDN-Mitglieder, u. a. auch gesagt haben, ist:

  • Wir verkaufen unser Tafelsilber und ziehen zum Mond.
    (Ich fand diese Aussage ganz nett, doch sie ist natürlich verkehrt, und die Überschrift auch. Die Bücherei zieht zum Bispen, und der Mond (Månen) wird unser neues deutsches Kulturhaus)
  • Ein anderer fragte: „Wer auf dieser Welt verkauft denn ein Haus, um dann einen Bus (Blech) zu kaufen? Das tut doch kein normaler Mensch, oder?“
    (Wir verkaufen ein schönes Haus, um uns einen Bücherbus zu kaufen, und dies obwohl die Anzahl der Bücherbusse doch im ganzen Land rasant fällt. Wir argumentieren mit guten Ausleihzahlen, obwohl „jeder“ auch weiß, dass die Ausleihzahlen nicht korrekt sind).
  • Soll sich die Minderheit wirklich den Luxus eines Busses mit Fahrer leisten, wenn im übrigen Land ein großer Teil der Busse schon verschwunden ist?
  • Die Zukunft liegt doch im digitalen Bereich bzw. in der digitalen Ausleihe. Sollte man nicht lieber darin investieren?
  • Hätte man nicht den gewünschten Bus anders finanzieren können?
  • Die publizierte Miete ist ohne Mehrwertsteuer und ohne die anfallende Neben- und Zusatzkosten für die gemeinsam nutzbaren Räume. D. h., die veröffentlichen Kosten entsprechen nicht ganz der Wahrheit.
  • Anderen gefällt, aus verschiedenen Gründen, die Lage im Bispen nicht, und sie denken, bei McDonald und Lagkagehuset wären wir sichtbarer und „da sind genauso viele potenzielle Kunden“.
  • Andere hoffen, dass es der deutschen Bücherei nicht so ergeht, wie es dem Touristenbüro ergangen ist, das auch x-mal umziehen musste.
  • Man hätte vielleicht das Gebäude anderweitig in der Minderheit nutzen können. z. B. für ein einige Jahre als 9. od. 10 Klasse. Wo die Schule doch zurzeit aus allen Nähten platzt.
     

Ich gebe in diesem Leserbrief lediglich die Rückmeldungen von BDN-Mitgliedern weiter, die ich aufgrund meines ersten Leserbriefes erhalten habe. Grundsätzlich haben nicht wenige Haderslebener BDN-Mitglieder viel Vertrauen und den Respekt zur Führungsspitze durch die Handhabe bei dieser im Haderslebener Raum doch wesentlichen Entscheidung leider verloren.

Hätten die Vorstände und der BDN offen und transparent mit ihren BDN-Mitgliedern über die Pläne gesprochen, dann hätten wir uns alle die jetzigen Diskussionen über Bäume, Kastanien und Gebäudeverkauf usw. erspart.

 

Thomas Meyer,
Hejsager Strandvej 211,
6100 Haderslev

 

 

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