Leitartikel

„Warum Nationalismus nicht zu Minderheiten passt“

Warum Nationalismus nicht zu Minderheiten passt

Warum Nationalismus nicht zu Minderheiten passt

Apenrade/Aabenraa
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Die deutsche Minderheit in Nordschleswig hält an ihrer deutschen Kultur fest. Macht das die Nordschleswigerinnen und Nordschleswiger zu irgendwelchen verwaisten Deutschen ohne Vaterland, die sich die Grenzen des Deutschen Reiches von vor 1918 zurückwünschen? Im Gegenteil, findet Journalistin Marle Liebelt.

Die deutsche Minderheit in Nordschleswig lebt und pflegt die deutsche Kultur als Teil ihrer Identität. Dieser Satz mag für manche befremdlich klingen. Sind die Nordschleswigerinnen und Nordschleswiger verlorene deutsche Seelen, die das Deutsche Reich von vor 1918 vermissen? 

Wer sich nicht mit Minderheiten auskennt und nicht weiß, was sie ausmacht, warum es sie gibt, und warum sie geschützt werden müssen, kann schnell auf die Idee kommen, dass Minderheiten irgendwie nationalistisch unterwegs sind. 

Dabei ist gerade die deutsche Minderheit in Dänemark der Beweis dafür, dass Nationalismus und Minderheiten nicht zusammenpassen. 

Bei den Nordschleswigerinnen und Nordschleswigern handelt es sich nicht um verlorene Nazi-Seelen, fremd im ihnen weggenommenen Land. Die nordschleswigsche Volksgruppe besteht nicht aus Deutschen im Ausland. Sie ist und fühlt sich hier zu Hause – als genau das, was sie ist: als deutsche Minderheit in Dänemark. 

Was bedeutet Minderheitenschutz eigentlich?

Und ihr geht es gut. Weil sie stark in der Mehrheitsbevölkerung integriert ist, und weil es Minderheitenschutz gibt. Aber was ist das eigentlich? 

Kurz gesagt bedeutet das, dass der Staat und die dänische Bevölkerung akzeptieren, dass es hier aufgrund der europäischen Geschichte und Grenzziehung Menschen gibt, die sich nicht einfach als dänisch identifizieren. Auch nicht, wenn sie selbst in einer Zeit geboren sind, in der Nordschleswig längst zu Dänemark gehörte. 

Das Leben und die Identität der Menschen im Grenzland sind geprägt von einer Kultur, die mal deutsch, mal dänisch, aber immer deutsch-dänisch war. Sie ist geprägt von Kriegen und Grenzverschiebungen. Und sie ist geprägt vom Frieden, vom engen Miteinander über die Grenze hinweg, von der Freundschaft mit der Mehrheitsgesellschaft um sie herum und von der Akzeptanz unterschiedlicher Identitäten. 

Das klingt nicht gerade nach dem, wofür Nationalismus steht. Weder dänischer noch deutscher Nationalismus dient der deutschen Minderheit in Dänemark. 

Nationalismus will spalten, Minderheiten wollen einen

Dänischer Nationalismus würde nicht akzeptieren, dass andere nationale Identitäten als die dänische in dänischem Staatsgebiet schutzbedürftig sind. Vielleicht könnte er in extremer Form sogar vom dänischen Reich von vor 1864 träumen, als der dänische Süden nicht nur Nord-, sondern auch Südschleswig war.

Und deutsche Nationalistinnen und Nationalisten, die meinen, betonen zu müssen, wie wichtig die Unterstützung der deutschen Minderheiten im Ausland ist, weil sie dort die deutsche Kultur hochhalten, instrumentalisieren die deutschen Minderheiten. Während sie die deutsche Kultur von anderen abheben und vielfältige Gesellschaften spalten wollen, wollen Minderheiten vor allem eins: ein friedliches Miteinander verschiedener Kulturen an einem Ort. 

Nicht etwa, weil Minderheiten einfach so gestrickt sind, dass sie Vielfalt und Integration toll finden. Sie sind darauf angewiesen. 

Nur wenn sie geschützt und akzeptiert werden, können Minderheiten auch über Generationen hinweg ihre Kultur in ihrem Zuhause ausleben. 

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