Deutsche Minderheit

Hier in Sonderburg wohnte einer der besten U-Boot-Kommandanten Preußens

Hier in Sonderburg wohnte einer der besten U-Boot-Kommandanten Preußens

Hier wohnte einer der besten U-Boot-Kommandanten Preußens

Sonderburg/Snderborg
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Stadtführerin und Kunsthistorikerin Eva Nielsen führte die Gruppe zum Haus von Kapitän Max Valentiner am Asylvej. Foto: Sara Eskildsen

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Bei der Stadtführung im Rahmen der deutsch-dänischen Kulturwoche lernten die Teilnehmenden jede Menge spannende Details über Stadtgeschichte und Architektur mit deutschen Wurzeln.

Hier am Sonderburger Asylvej hat er also gewohnt, der Max Valentiner. Jener Marineoffizier, der im Ersten Weltkrieg als einer der fünf besten U-Boot-Kommandanten im preußischen Reich galt. Er lebte am Alsensund in einem mehrere hundert Quadratmeter großen Prachthaus, das bei näherer Betrachtung deutliche Spuren deutscher Architektur trägt. 

Vom Ehrenbürger zu Kriegsverbrecher

Die Teilnehmenden der Tour erfuhren auch, dass Valentiner 1917 zum Ehrenbürger der Stadt Sonderburg ernannt wurde. Wegen der Versenkung von Passagierschiffen im Ersten Weltkrieg galt er bei den Alliierten als Kriegsverbrecher – und als Sonderburg nach der Abstimmung 1920 wieder ein Teil Dänemarks wurde, wollte der Sonderburger Stadtrat diese Ehrenbürgerschaft zurücknehmen. 

Ein Plan, dem Valentiner zuvorkam: Er trat vom Ehrenbürgerrecht zurück. Spannende Details wie diese aus Stadtgeschichte und Architektur erfuhren rund 20 Teilnehmende bei der Stadtwanderung der deutsch-dänischen Kulturwoche. 

Museumsleiter Hauke Grella sprach über die Stadtgeschichte und erzählte vor der Marienkirche vom deutschen Pastor Carl Jörgensen. Dieser kümmerte sich nach 1920 in Sonderburg um die deutsche Minderheit, und während der Zeit des Nationalsozialismus verlas er einen – damals mutigen – Brief von der Kanzel, dass niemand aufgrund von „Rasse oder Religion“ verfolgt werden dürfe. Foto: Sara Eskildsen

Museumsleiter Hauke Grella vom deutschen Museum Nordschleswig und Kunsthistorikerin Eva Nielsen von der Deutschen Bücherei Sonderburg führten die Gruppe am Dienstagabend zwischen Multikulturhaus, Marienkirche, Innenstadt und Helgolandsgade durch die facettenreiche deutsch-dänische Geschichte der Stadt. 

Das „christliche“ Festland 

Erfuhren vor der Marienkirche von der 1856 eingeweihten Poton-Brücke, die das „christliche“ Festland mit Alsen (Als) verband. Warum „christlich“? Da die Brücke sonntags kostenlos passiert werden durfte, strömten die Menschen am Sonntag stets zuhauf auf die Insel. Ob alle dabei die Marienkirche als Ziel hatten, ist fraglich, doch so entstand die Legende vom „christlichen“ Jütland.

Die Gruppe vor dem alten Asyl, in dem einst die Kinder von Angestellten der deutschen Brauerei in Sonderburg betreut wurden. Mittlerweile ist das Gebäude in Privatbesitz. Foto: Sara Eskildsen

Hauke Grella erzählte die Geschichte des „Asyls“, das ab 1871 als Kindergarten für die Kinder der Angestellten der deutschen Brauerei Petersen genutzt wurde. Die Exportbrauerei war damals einer der größten Arbeitgeber der Stadt, die Anfänge der Brauerei Petersen waren in den 1840er- und 1850er-Jahren.

Gotische Fensterbögen und Schwarzwälder Stil

Eva Nielsen zeigte im Asylvej wenig später die vielen Hausbauelemente auf, die auf deutsche Einflüsse hinweisen. Die Prachtvilla der Familie Valentiner zum Beispiel trägt Fachwerk zur Zier, am Haus der Nachbarn spitzen sich Fensterbögen gotisch zu und auch verspielte Dachgauben erinnern an Schwarzwälder Stil. 

Zum einen die Bauweise der Gebäude und zum anderen Wissenswertes über die Menschen, die darin gelebt haben: Diese Kombination war unterhaltsam und vor allem informativ. 

Die Gruppe vor der Reimers Skole, in der während der 1940er-Jahre die deutsche Schule ihr Zuhause hatte. Hauke Grella erzählte die Geschichte, dass die deutsche Schulleitung anlässlich der Besatzung durch Deutschland 1940 die Hakenkreuz-Fahne flaggen ließ. Am nächsten Morgen fehlte der Fahnenmast … Foto: Sara Eskildsen

Über die Innenstadt ging es durch die Helgolandsgade zurück, wo im Haus Adalbert, einst ein Versammlungshaus der deutschen Minderheit, mittlerweile ein Pole-Dance-Verein seine Runden dreht. 

Die Gebäude erzählen Geschichte

Und während die Menschen in den Häusern kommen und gehen, stehen die Gebäude auch nach Jahrhunderten als Zeugen ihrer Zeit und erzählen ihre Geschichten aus dem deutsch-dänischen Grenzland. 

Im Rahmen der deutsch-dänischen Kulturwoche werden noch viele dieser Geschichten nacherzählt und vermittelt. Zum Programm der Kulturwoche geht es hier

Unter anderem das Fachwerk an der alten Valentiner-Villa zeugt von deutschem Baustil mitten in Sonderburg. Foto: Sara Eskildsen
Eva Nielsen las aus einer Biografie von Max Müller vor, der einst die deutsche Schule in Sonderburg besuchte. Darin beschreibt der Sonderburger, dass es 1914/15 als schick galt, Deutsch und nicht Dänisch zu sprechen. Foto: Sara Eskildsen
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