Die Woche am Alsensund

„Shakespeare hat das kommen sehen“

Shakespeare hat das kommen sehen

Shakespeare hat das kommen sehen

Sonderburg/Sønderborg
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Journalistin Sara Eskildsen hat über diese Woche am Alsensund nachgedacht. Foto: Karin Riggelsen

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Gibt es ein Leben nach dem Tod? Für Millionen Nerze muss diese Frage mit Ja beantwortet werden. Eine vermutlich letzte Reise führt die Tiere nun nach Sonderburg, wo sie im Wärmekraftwerk verbrannt werden. Was diese Woche am Alsensund mit John Lennon und Sheakespeare zu tun hat, beschreibt Sara Wasmund in ihrer neuen Kolumne.

In dieser Woche am Alsensund musste ich beim Schreiben eines Artikels an John Lennon denken. Der hatte mal gesagt, er glaube nicht an den Tod. Man steige einfach von einem Wagen in den anderen um. Die Millionen Nerze, die Ende 2020 in ganz Dänemark in Gaswagen getötet und in Lastwagen abtransportiert wurden, würden ihm vermutlich recht geben. Sechs Monate nach ihrem Tod sind sie nun erneut in einen anderen Wagen umgestiegen – in einen Lkw Richtung Sonderburg.

In dieser Woche war das eine der interessanteren Neuigkeiten am Alsensund: Seit Christi Himmelfahrt werden in Sonderburg tonnenweise tote Nerze verbrannt. Tiere, die Ende 2020 wegen der Angst vor Corona-Mutationen in den Ställen gekeult und auf einem Militärgebiet mit Kalk vermischt im Boden verscharrt wurden.

In Sonderburg heizen wir in diesen Tagen mit Nerz

Keine so gute Idee, wie sich nun herausstellte. Das Nerz-Kalk-Gemisch, das Gerüchten zufolge der Konsistenz von Feta-Käse gleicht, im Geruch aber weitaus herber ist, wird nun in mehreren Verbrennungsanlagen im Land abgefackelt – und zu Fernwärme verarbeitet. Dass ein Nerz wärmt, ist den Tieren bis in den Tod nicht abzusprechen. In Sonderburg heizen wir in diesen Tagen also mit Nerz – und die traurige Geschichte um die Vernichtung von Millionen Tieren und sämtlichen Nerz-Farmen im Land geht weiter.

Beim Vergraben der toten Nerze im November 2020 Foto: Casper Dalhoff/Ritzau Scanpix

Massengräber voller verwester Marder: Shakespeare hat das kommen sehen.  „Es ist was faul im Staate Dänemark“ hat er 1601 Marcellus in den Mund gelegt, als der Geist von Hamlets verstorbenem Vater erschien. Würde Shakespeare heute noch leben, er könnte sein Stück gänzlich neu auflegen und seine Story rund um Millionen untoter Nerze spinnen, die von einem Wagen in den nächsten übergehen und einfach nicht zur Ruhe kommen.

Ich muss das an dieser Stelle zugeben: Auch ich habe als Kind tote Tiere vergraben, die ich zuvor in Käfigen gefangen gehalten hatte. Mehrere Hamster, meine Meerschweinchen Snickers, Raiders und Mars, mein Wellensittich Bobby oder Streifenhörnchen Jacky – würde man ein gewisses Beet unter einem Fliederbusch in Süddeutschland aufgraben, es kämen erschreckend viele Tierknochen zum Vorschein. Und ein Schnabel.

Lediglich mein Chinchilla kam mit dem Leben davon

Lediglich mein Chinchilla kam mit dem Leben davon. Ich musste es wieder weggeben, bevor es sich beim abendlichen Freilauf auch noch durch den letzten  Türrahmen des Obergeschosses nagen konnte. Nach zunehmenden Protesten aus der Familie fand ich für den Biber im Samtpelz einen neuen Besitzer. Der nachtaktive Nager nahm sein Sandbad fortan anderswo ein, und im Lindenweg konnte nachts wieder geschlafen werden.

Mit Blick auf bergeweise tote Nerze möchte man spontan eine Kerze für eine bessere Welt anzünden. Wobei man auch da schnell merkt, dass einfach nichts mehr ist, wie es einmal war. Wer einmal versucht hat, eine LED-Kerze mit einem Feuerzeug anzuzünden, weiß, wovon ich spreche.

Ob die Königin ihre toten Dackel im Laufe ihres Lebens wohl auch immer wieder im Garten vergraben hat? In Schuhschachteln und mit selbst gebasteltem Holzkreuz auf dem kleinen Erdhügel?

Sara Wasmund, Journalistin

Auch die Danfoss-Stiftung Bitten und Mads Clausen will die Welt immer wieder besser machen. Das jüngste Projekt wurde in dieser Woche bekannt: ein nachhaltig gebautes Haus am Sonderburger Hafen, in dem umweltfreundliches Bauen, Leben und Wohnen immer wieder neu erfunden werden sollen. Firmen-Mitarbeiter aus aller Welt werden in die Wohnungen einziehen und einen Alltag zwischen Fernwärme und Meerwasser-Kühlung erleben und optimieren.

Während ich diese Geschichte im Homeoffice mit Blick auf den Alsensund schrieb, wurde mir bewusst, dass mein Zuhause den Ansprüchen nachhaltigen und modernen Bauens nicht gerecht wird. Neuerdings brechen immer wieder Hummeln aus einem Loch in der lose sitzenden Fußleiste zu ihren Erkundungsflügen durch meine Stube auf. Offenbar haben sie es sich in einer nicht ganz durchisolierten Zwischenwand zur Terrasse häuslich eingerichtet. Wobei – in Sachen Bio-Diversität kann ich punkten. Eine Herde Hummeln zur Zwischenmiete hat nicht jeder.

Königin Margrethe lebt auch nicht gerade energiesparend

In Sachen nicht nachhaltiges Wohnen befinde ich mich immerhin in bester Gesellschaft – Königin Margrethe lebt in ihren Schlössern auch nicht gerade energiesparend. So ein Kasten will erst mal beheizt sein. Wann die Königin im Sommer 2021 im Gravensteiner Schloss residiert, ist übrigens noch nicht bestätigt. Obwohl die „Gråsten Avis“ kürzlich schrieb, die Königin sei vom 23. Juni bis 14. Juli im Schloss, konnte mir das von der Presseabteilung im Königshaus nicht bestätigt werden. Woher der Redakteur seine Informationen hat und ob die Quelle ein Gärtner war, ist nicht bekannt.

Beim Stichwort Garten fällt mir ein: Ob die Königin ihre toten Dackel im Laufe ihres Lebens wohl auch immer wieder im Garten vergraben hat? In Schuhschachteln und mit selbst gebasteltem Holzkreuz auf dem kleinen Erdhügel?

Das würde mich weitaus mehr interessieren als die Frage, in welchem Wagen sich John Lennon derzeit befindet.

 

 

 

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