Körperverletzung

Zwei 15-Jährige auf der Anklagebank in Sonderburg

Zwei 15-Jährige auf der Anklagebank in Sonderburg

Zwei 15-Jährige auf der Anklagebank in Sonderburg

Sonderburg/Sønderborg
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Das Gericht in Sonderburg Foto: Karin Riggelsen

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Geständiger Junge wurde wegen Körperverletzung zu 30 Tagen auf Bewährung verurteilt. Gleichaltriges Mädchen von der Beteiligung freigesprochen.

Am 26. November kam es abends vor dem Einkaufszentrum Borgen zu einer gewaltsamen Episode. Ein 15-jähriger Junge riss einen gleichaltrigen Teenager von seinem Fahrrad und schlug anschließend diverse Male mit geballten Fäusten auf ihn ein. Der aufgebrachte Jugendliche trat das Opfer außerdem dreimal.

Ein danebenstehendes 15-jähriges Mädchen filmte alles mit ihrem Handy. Dem Jungen wurden im Stadtgericht Körperverletzung, dem Mädchen eine Beteiligung zur Last gelegt.

Das brachte dem jungen geständigen Sonderburger am Mittwoch, 17. März, 30 Tage Haft auf Bewährung ein. Der Junge muss sich ein Jahr lang von ähnlichen Straftaten fernhalten und die Richtlinien des Jugendkriminalrats verfolgen. „Wenn das nicht eingehalten wird, dann musst du sie absitzen“, stellte Richterin Ulla From Petersen fest. Der Teenager muss außerdem die Prozesskosten bezahlen.

Freispruch für das Mädchen

Das 15-jährige Mädchen konnte erleichtert aufatmen. Sie wurde vom Schöffengericht einstimmig freigesprochen. Sie hatte mit ihrem Video nicht die gewaltsamen Geschehnisse angespornt, wie es die Staatsanwältin in ihren Bemerkungen zu dem Fall angegeben hatte.

Im Stadtgericht wurde der Vorfall vor Borgen detailliert aufgerollt. Die fünf oder sechs Jugendlichen – mehrere haben eine ADHS-Diagnose – kannten sich fast alle aus dem Sonderburger Jugendangebot „Ungehuset“. „Das ist für Kinder, die sich nicht immer ordentlich benehmen können“, erklärte der 15-jährige Angeklagte bereitwillig der Richterin.

Freundin Schlampe genannt

Der Teenager hatte Ende November einen schlechten Tag erwischt: „Es war ein mieser Tag. Wenn die anderen Menschen einen hänseln.“ Plötzlich hörte der Teenager, dass der andere auf dem Fahrrad seine Freundin „eine Schlampe“ genannt haben soll.

„Ich erinnere mich nicht an so viel. Aber ich habe ihn runtergezogen. An die Tritte kann ich nicht erinnern, die habe ich nur auf dem Video gesehen. Laut Polizei habe ich 13-mal zugeschlagen und dreimal getreten“, so der Hauptangeklagte, der seine Vernehmung im Sonderburger Stadtgericht mit der Ruhe nahm. Er wirkte weder gestresst noch nervös. Er hatte erst nach seinem Überfall des Opfers von dem Video der 15-jährigen Mitangeklagten erfahren. Er hatte sich später bei dem Opfer entschuldigt.

Panisch gelacht

Anschließend wurden drei kurze Videosequenzen im Stadtgericht gezeigt. Die Mitangeklagte hielt sich die Ohren zu. Das laut lachende Mädchen auf dem Video war sie selbst. Im Gerichtssaal schämte sie sich: „Zuerst dachte ich, dass alles ein Joke ist. Dann bekam ich Panik und hab gelacht.“

Fandest du das witzig?, fragte Anklägerin Frederikke Schreiber. „Nein. Aber ich hatte total Panik – auf eine ganz merkwürdige Weise. Ich wusste nicht, was ich tun sollte“, sagte das Mädchen. Deshalb hatte sie dem Opfer auch nicht geholfen. Sie hatte das Video eigentlich sofort löschen wollen, hatte es dann aber doch dem Hauptangeklagten zugeschickt.

„Ich habe es nur ihm geschickt“, so die 15-Jährige, die nicht weiß, wer das Snapchat-Video unter der Sonderburger Jugend verbreitet hatte. Auch sie hatte sich nach dem Abend vor Borgen bei dem Opfer entschuldigt. Die Schlampen-Bemerkung hatten sie und die Freundin des Hauptangeklagten sich ausgedacht.

Keinem was erzählt

Das damalige Opfer erinnerte sich noch gut an den Abend. Dass das Mädchen alles gefilmt hatte, das erfuhr er erst später. Nach dem gewaltsamen Vorfall radelte er nach Hause, erzählte es aber niemandem. Die Schläge hatten ihn nur am Körper und nicht am Kopf getroffen. Der Rücken tat ihm am folgenden Tag weh. Sonst hatte er keine Schäden davongetragen.

Zuerst dachte ich, dass alles ein Joke ist. Dann bekam ich Panik und hab gelacht.

15-jährige Angeklagte aus Sonderburg

Das Ereignis hatte ein Sozialpädagoge des „Ungehuset“ zusammen mit seinem Vorgesetzten bei der Polizei angezeigt. „Mich fragte ein Junge, was er tun sollte. Er wusste nicht, wie er reagieren soll“, so der Pädagoge vor Gericht.

 

Zwei weitere Zeugen beschrieben die gewalttätigen Ereignisse: „Er schlug und trat. Ich habe ihn weggezerrt, aber dann schlug er erneut zu“, so der Junge, der den 15-Jährigen an dem Abend stoppte.

Nichts war vorher vereinbart

Die Anklägerin machte das Gericht darauf aufmerksam, dass ein Mitangeklagter nicht selbst physisch aktiv sein muss. Auch psychische Aufmerksamkeit kann strafbar sein. „Sie hätte die Aufnahme stoppen und dem Opfer helfen sollen. Sie nimmt keinen Abstand zu den Geschehnissen“, so Frederikke Schreiber.

Als Beispiel dafür nannte sie eine „Happy slapping“-Angelegenheit, wo mehrere Jugendliche ein Opfer schlugen und alles filmten.

Die Anwältin des Mädchens, Vivi Muurholm Matthiesen, war völlig anderer Meinung: „Nichts war vorher abgesprochen, und sie hat sich nicht an der Gewalt beteiligt. Heutzutage nutzen die Jugendlichen ihre Handys zur Dokumentation. Für sie war es ein Joke, und anschließend bekam sie Panik. Deshalb hat sie nicht reagiert“, so die Anwältin. Ein weiterer Zeuge der Sache war auch nicht wegen fehlender Hilfeleistung angeklagt worden.

Für den Hauptangeklagten hatte die Staatsanwältin 40 Tage Haft auf Bewährung beantragt.

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