Leitartikel

„Abgehängte Kultur“

Abgehängte Kultur

Abgehängte Kultur

Nordschleswig
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Die Kultur bleibt während der Corona-Pandemie weiterhin geschlossen. Und für die Zukunft fehlt es an Planungssicherheit. Das ist ein schlechtes Signal, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Wie viele andere leidet auch die Kultur unter dem Coronavirus, das unsere Gesellschaft seit nun mehr als einem Jahr im Würgegriff hat. Und selbstverständlich gab es auch aus Kulturkreisen Kritik, als die jüngsten Lockerungen mehr oder weniger an der Kultur vorbeizogen. Lediglich Kulturangebote im Freien können seit 1. März wieder für das Publikum öffnen.

Im kleinen Laden Schlange stehen für neue Unterhosen, Joggingschuhe oder Schmuck geht, aber eintauchen in die Geschichte oder Kultur in zum Teil weitläufigen Museen eben nicht. Die Kultur fühlt sich nicht zum ersten Mal abgehängt und vor die Tür gesetzt.  

Die Veranstalter der großen Sommer-Festivals hatten Ende Februar als Deadline gesetzt, bis wann sie von der Kulturministerin und den Behörden zu wissen haben mussten, woran sie sind. Doch die zuständige Ministerin Joy Mogensen (Soz.) äußerte sich dazu bisher kaum oder nur sehr unkonkret.

Festivals müssten vorsichtig planen, so die Ministerin diese Woche im Folketing. Eine solche Aussage ist weltfremd und bringt ein weiteres Mal die Kultur-Veranstalter (verständlicherweise) auf die Palme.

Ein Musikfestival für 10.000 Besucher oder mehr zu planen, geht nicht halbherzig oder vorsichtig. Es ist ein alles oder nichts. Man kann nicht nur die Hälfte des Planungskomitees einladen, oder nur halb so lange Sitzungen halten. Im Gegenteil: In der derzeitigen Lage muss nicht nur ein Plan A, sondern auch ein Plan B oder sogar Plan C erarbeitet werden.

Dabei besteht die Gefahr, dass die ganze Arbeit – meist von ehrenamtlichen Personen durchgeführt – vergebens gewesen ist. Deshalb brauchen Kultur-Veranstalter Planungssicherheit. Natürlich kann Mogensen nicht versprechen, wann 500, 5.000 oder 50.000 Menschen wieder zum Konzert gehen können, aber sie kann bestehende kulturelle Leuchtturmprojekte unterstützen. Die nötige politische Absprache hätte längst fertig sein können, doch die Verhandlungen haben noch gar nicht begonnen. Und wann können die Festival-Veranstalter mit einem Ergebnis rechnen? Auch das vermag Mogensen nicht zu sagen.

So stehen auch Veranstalter von Tønder Festival, Kløften oder Nordals Festival vor der schwierigen Entscheidung, ob sie jetzt einfach weitermachen und vielleicht vom Kulturministerium kompensiert werden. Oder ob sie in Kürze sicherheitshalber wieder ihr Festival absagen, um nicht in finanzielle Not zu geraten.

Natürlich sind Kultur-Veranstalter genauso unzufrieden wie Friseure oder Großbaumärkte, die in der ersten Welle nicht wieder öffnen durften. Doch es bleibt das Bild, dass die Kultur in der gesamten Pandemie-Hantierung in Joy Mogensen eine schwache Ministerin gehabt hat. Sie mag als Chefin eines kleinen Ministeriums und als neue, unerprobte Ministerin in der sozialdemokratischen Regierung keine große Durchschlagskraft haben, doch sie hat es auch nach außen hin versäumt, der Kultur den Rücken zu stärken.

Daher wird die Kultur derzeit gleich doppelt in Stich gelassen – sowohl finanziell als auch moralisch. Beides schmerzt gleichermaßen und ist ein schwaches Signal aus dem Kulturministerium.

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