Wahlanalyse
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer wird König im Marschenland
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer wird König im Marschenland
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer wird König im Marschen
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Der Burgfrieden in der Tonderner Kommune ist schon seit Langem gestört. Die Lager haben sich bekriegt, besonders das Team hinter dem amtierenden König Henrik Frandsen und seinem Widersacher Martin Iversen. Der Ausgang ist noch offen wie ein Burgtor. Ein Quartett hat wohl die besten Chancen, den Thron zu besteigen.
Es war einmal ein Stadtrat. Hinter den Kulissen verstand man sich persönlich anscheinend ganz gut, vor dem Volk agierte man eher wie Katz und Maus. Dieser Stadtrat wurde vor Herausforderungen gestellt, die nicht immer gleich gut gelöst wurden.
Sie mussten weder ein Dornröschen noch ein Schneewittchen befreien, sondern eine neue Schule bauen, die viel zu teuer wurde, einen vorgeschichtlichen Freizeitpark verkaufen, Farbe bekennen, in welche Richtung touristisch weitergearbeitet werden soll oder eine Heimvolkshochschule wieder zum Leben erwecken.
Die Gründung eines neuen Königreichs
Diese Knackpunkte sind vom König, Bürgermeister Henrik Frandsen, keinesfalls elegant gehändelt worden. Die Ränkespiele verbreiteten allgemein miese Stimmung. In den eigenen Reihen rumorte es in Frandsens ehemaligem Venstre-Hinterland beträchtlich.
Der angeschlagene Reiter Frandsen fiel ganz vom Ross, als er im Sommer 2020 von seinem vollkommen zerstrittenen V-Volk nicht wieder zum König gekrönt wurde. Seinem Widersacher Martin Iversen wurde größeres Vertrauen geschenkt. Der erwartete Schachzug des Entthronten war perfekt, als er im Oktober sein neues Königreich mit der Tønder Listen gründete.
Die Fehde nahm derart Fahrt auf, dass sie auch in den ganzen Stadtrat hineingetragen wurde. Unzufriedene Politikerinnen und Politiker wechselten die Parteien wie andere ihre Unterwäsche. Diesen Vorgang hat der Nestor des Stadtrats, der Sozialdemokrat Peter Christensen, scharf kritisiert.
Keine märchenhafte Regentschaft
Damit war an ein reibungsloses Regieren nicht mehr zu denken. Die vergangenen vier Jahre verliefen in Frandsens Regentschaft alles andere als märchenhaft. Das sind auch keine guten Aussichten für die neue Legislaturperiode und für die Kommune Tondern.
Und es begab sich zu der Zeit, als ein neuer König am 16. November gewählt werden sollte. Dass die beiden Thronanwärter Iversen und Frandsen in der Wahlnacht an einem Strang ziehen werden, ist eher unwahrscheinlich. Eine Versöhnung zwischen dem Frandsen-Team und den früheren Parteikollegen käme einem „Polit“-Märchen gleich.
Die sozialdemokratische Königin Barbara Krarup Hansen wittert eine Chance, dass sie die frühere Venstre-Hochburg erobern kann. Dass das passiert, ist auch unwahrscheinlich. Schließlich ist sie im Volk eher unbekannt. Doch es geht um Macht und um den Bürgermeisterposten, den der amtierende König Frandsen I. unbedingt behaupten will. Aber in diesem Schachspiel könnte sie in die Rolle der Königsmacherin rücken.
Wird SP-Politiker zu Jørgen I.?
Denn es ist Wahl, und da passieren manchmal die merkwürdigsten Dinge. Aber da schickt sich doch Knappe Jørgen aus dem „Hinterhalt“ an, das ganze Königreich zu erobern. Popp Petersen von der Schleswigschen Partei hat die besten Chancen aller Bürgermeisterkandidaten der kleineren Parteien und könnte dann als Jørgen I. gekrönt werden.
Denn wenn drei sich streiten, dann freut sich der Vierte. Die SP-Majestät hat zwar ein nicht so großes Volk hinter sich wie die anderen, aber wie gesagt: Wenn drei sich streiten, dann freut sich der Vierte. Der Thronanwärter der SP ist beliebt im ganzen Volk und bekannt im ganzen Königreich.
Doch: Das eine sind verbal zum Ausdruck gebracht persönliche Sympathien für den Landwirt aus Seewang. Die Kehrseite der Medaille ist aber, ob man einem Vertreter einer deutschen Partei wirklich seine Stimme geben kann. Das gilt sowohl für die Wähler als auch für den neu gewählten Stadtrat bei den Koalitionsgesprächen. Wie ein früheres Venstre-Vorstandsmitglied jüngst so schön sagte: „Ich mag den Popp zwar gerne, ihn zu wählen geht aber gar nicht. Er ist ja ein Deutscher.“
Zwei Truppen ziehen ab
Die Truppen hinter der Liberalen Allianz und der Einheitsliste können vermutlich nicht mehr mobilisiert werden. Die beiden Parteien werden aus dem politischen Königreich ausgestoßen. Die Alternativen werden es auch nicht in den Stadtrat schaffen. Dafür könnten die Neuen Bürgerlichen von der Talfahrt der Dänischen Volkspartei profitieren, die keinesfalls wieder mit drei Mandaten in das Kommunalparlament einziehen wird.
Wie viele Vasallen aus den verschiedenen Parteilagern hinter den Thronanwärterinnen und Thronanwärtern stehen, bleibt das große Rätsel. Der Wahlausgang in Tondern ist daher immer noch so offen wie ein Burgtor.
Viele Konstellationen sind möglich. Auf die Unterstützung anderer sind alle angewiesen, Venstre hätte vor vier Jahren mit Stimmenmagnet Henrik Frandsen fast die absolute Mehrheit erzielt, als die Partei 15 der 31 Mandate gewann. So gut wird die Liste V nicht wieder abschneiden.
Bescheidenes Wahlziel
Und wie schneiden die Tønder Listen und die Sozialdemokraten ab. Letztgenannte gehen ohne ihren unbestrittenen Regenten Peter Christensen zur Wahl, der selbst einen bescheidenen Wahlwunsch für den 16. November geäußert hat. Er hofft, dass seine Partei zumindest ihre sechs Mandate halten kann. Wahloptimismus hört sich anders an.
Über das Abschneiden der Tønder Listen, die zurzeit sechs Mandate hält, gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Strafen Venstre-Wähler die Abtrünnigen oder gehen sie in Frandsens Lager?
Es wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht schon in der Wahlnacht entschieden, wer das Regieren im Marschenland übernimmt. Bei Koalitionsgesprächen kommt es auch vor, dass einige ihre eigene Oma verkaufen würden, nur um an die Macht und an die Spitzenposten zu kommen, beziehungsweise dort zu bleiben oder einen anderen vom Thron zu stoßen. Ein Säbelgerassel und Pokerspiel wird es hinter den Kulissen bestimmt geben.
Happy End?
Märchen enden oft mit dem Satz: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heut. Dieser Satz auf Tonderner Verhältnisse übertragen, könnte so lauten: Und wenn sie nicht mit dem Streiten fertig sind, dann kappeln sie sich noch heut und auch die nächsten vier Jahre.
Falls es wider Erwarten doch zu einem Happy End kommen sollte, ja, dann muss es wohl heißen: Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.