Deutsche Minderheit

Abitur: Wie sich die Tradition der „Mütze“ über Generationen verändert hat

Abitur: Wie sich die Tradition der „Mütze“ über Generationen verändert hat

Abitur: Wie sich die Tradition der „Mütze“ verändert hat

Der Nordschleswiger
Der Nordschleswiger
Apenrade/Aabenraa
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Sein Vater wollte nicht, dass Hans Heinrich Hansen eine Studentenmütze trug – er tat es trotzdem. Foto: DN-Archiv

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In dieser Woche absolvieren die Schülerinnen und Schüler des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig ihre letzte Abiturprüfung. Traditionell bekommen sie danach die Studentenmütze aufgesetzt. Die Haltung zur Mütze hat sich für die deutsche Minderheit mit der Zeit gewandelt, erzählt Hans Heinrich Hansen, der sein Abitur vor 67 Jahren gemacht hat.

Zwischen großer Aufregung und Anspannung stehen in diesen Tagen die Schülerinnen und Schüler des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig – es ist die Zeit der mündlichen Prüfungen. Ist die Prüfungssituation erst überstanden, können sich die frisch gebackenen Abiturientinnen und Abiturienten wie selbstverständlich auf die dänische Tradition der Studentenmütze freuen. Doch das war nicht immer so.

Der ehemalige Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Hans Heinrich Hansen, hat das Abitur seines Enkels Jonas zum Anlass genommen, ihm einen Brief zu schreiben und über die Tradition der Mütze nachzudenken:

An meinen Enkel Jonas

Die Mütze

Vor einiger Zeit hast Du mich gefragt, ob ich Dir nach Deinem letzten Prüfungsfach „die Mütze“ aufsetzen würde. Diesen Wunsch werde ich Dir sehr gerne erfüllen und ich fühle mich durch Deine Bitte geehrt.

Dieser Wunsch von Dir hat bei mir viele Gedanken und Erinnerungen hervorgerufen, die ich Dir an diesem Tag mitteilen möchte.Vor 67 Jahren war ich in der gleichen Situation wie Du heute. Ich hatte mein letztes Fach an der „Haderslev Katedralskole“ absolviert. Das lief ohne Eltern ab. 

Hans Heinrich Hansen machte sein Abitur 1956 in Hadersleben. Foto: DN-Archiv

Schon einige Zeit vor meinem Abitur hatte mein Vater mir erklärt, dass ich „die Mütze“ nicht tragen solle, weil sie vorne mit einem dänischen Nationalsymbol versehen sei. Und das wäre eine dänische Tradition und keine deutsche. Mein Vater, Dein Ur-Opa, hatte 1920 sein Abitur an der gleichen Schule, der alten Lateinschule in Hadersleben, gemacht. Damit gehörte er zu der letzten deutschen Abiturentenklasse, die mit Sondergenehmigung ihr Examen mit ihren Lehrern im Sommer 1920 in dem neuen dänischen Staat beenden konnte. Die Schule wurde nun „Haderslev Katedralskole“ genannt.

„Die Mütze“ wurde also zu einem Problem für mich, wegen der starren Haltung meines Vaters. Ich war ein Teil einer Gemeinschaft. Von 36 Abiturienten waren wir 4, die zur deutschen Minderheit gehörten. Und die drei anderen hatten kein Problem. Also kaufte ich mir meine Mütze alleine und trug sie nie zu Hause. Dein Ur-Opa hat das übrigens nie kommentiert.

1955, ein Jahr vor meinem Abitur, hatte es die Bonn-Kopenhagener Erklärungen gegeben. Diese waren die Voraussetzung für die Errichtung des neuen deutschen Gymnasiums in Apenrade. Meine jüngeren Schwestern haben hier 1963 und 1969 ihr Abitur gemacht. Die erste ohne, die zweite mit Mütze.

Der erste Jahrgang Abiturienten des DGN absolvierte 1962 das Abitur. Damals gab es eine Diskussion, ob man die dänische Mütze tragen sollte oder nicht. Man entschied sich für die dänische Studenterhue.

Diese Entscheidung kann ich nachvollziehen. Man hätte 1962 die Möglichkeit gehabt, als deutsches Gymnasium eine eigene Mütze zu entwerfen. Das tat man aber nicht. Man entschied sich für „Die Mütze“. Ich sehe darin eine Entwicklung von der nationalen zu der regionalen Identität.

Die Abiturienten feierten in den Straßen von Hadersleben. Foto: DN-Archiv

Es drückt für mich den Wunsch aus, ein Teil der Gemeinschaft der dänischen Abiturienten zu sein. Wir leben in einem dänischen Staat und sind in unserem Verhalten überwiegend dänisch. Der „Jantelov“ macht sich auch bei uns geltend: Bilde Dir nicht ein, dass Du was Besseres bist.

Es gilt für uns Minderheiten ein Satz, den ich von Dieter Küssner habe:

„Die Anderen zu wollen, ohne sich selbst aufzugeben“.

In diesem Sinne wünsche ich Dir eine schöne Studienzeit und ein abwechslungsreiches und buntes Studentenleben. Genieß das Leben.

Dein Opa

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