Leben im Internat

Ein Leben zwischen Luxusdusche und Streichen

Ein Leben zwischen Luxusdusche und Streichen

Ein Leben zwischen Luxusdusche und Streichen

Tim Wegner
Apenrade
Zuletzt aktualisiert um:
Der Eingang des Internats des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig Foto: Karin Riggelsen

Das Leben im Internat des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig ist nicht immer einfach. Die meisten Internatsschüler kommen aus Deutschland nach Nordschleswig. Sie erleben hier eine Mischung aus Familie, Freunde und dem alltäglichen Wahnsinn.

Der bekannte britische Künstler Sir Peter Ustinov soll einst gesagt haben, Freunde sind die Familie, die wir uns selber aussuchen. Die Situation bei den gut 50 Schülern im Internat des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig ist mit dem Zitat von Ustinov vergleichbar. Die Internatsschüler leben in dem Gebäudekomplex direkt zwischen der Schule und einem Friedhof. Sie selbst nennen es Lebenskreislauf. Der Nordschleswiger hat sich für sie hinter die Türen des Internates begeben und das Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern gesucht.


Alltag zwischen Schule und Luxusdusche

Es ist nicht immer einfach morgens, erzählt Salome Raetsch. Es gäbe nämlich nur eine, wie sie es hier alle nennen, Luxusdusche. Diese Luxusdusche sieht aus wie eine herkömmliche Dusche und hat ihren pompösen Namen von ihrer Fähigkeit den richtigen Wasserdruck mit der richtigen Temperatur zu paaren. Ansonsten funktioniere alles, jedoch wie uns Julius Wrede erzählt, sei es nicht immer wie zu Hause.

Doch das Leben hier ist mit dem ihrer gleichaltrigen Mitschüler kaum vergleichbar. Der Tag beginnt für die meisten Internatsschüler durch das Klingeln ihres Handyweckers. Die Zeiten von strengen Internat-Aufsehern, wie in einem Erich Kästner Klassiker, sind längst vorbei. Im oberen Trakt des zweistöckigen Hauses, wohnen die Mädchen.

Diese sind mittlerweile in der Überzahl. Es gibt zwei Bäder. Die meisten Internatsschüler arrangieren sich mit den Badzeiten. Es sei immer noch ein wenig befremdlich, sagt Salome, da man hier nie wirklich alleine sei. Am Anfang sei ihr das ein wenig schwer gefallen. Die Mädchen und die Jungen wohnen in circa 18 Quadratmeter großen Zimmern zu zweit.

Die Zimmer werden von den Mädchen selber eingerichtet. Hier entspannen sie nach der Schule. Foto: Karin Riggelsen

Salome teilt sich ein Zimmer mit Svane. Die beiden haben sich in der Zeit gut miteinander angefreundet. Was bleibt einen denn auch anderes übrig, wenn man auf so kleinen Raum ein Zimmer teilt. Die Zimmer richten die Schüler selbst ein. Gestellt wird nur ein Bett, ein Schreibtisch und die Schränke.

Salomes Zimmer ist mit großen Tüchern verziert. Mitbewohnerin Svane liegt entspannt im Bett und liest in einem Reclamheft. Für die Schule nehmen sich die 16- bis 18-Jährigen genügend Zeit. Nach der Schule treffen sie sich zum Mittagessen wieder im Internat.

Trotz der getrennten Mahlzeit mit den anderen Gymnasiasten bestünde keine Rivalität, erzählt uns Annika Meister. Man habe Freunde, sowohl im Internat, als auch auf der Schule. Ihre Freizeit können die Jugendlichen in dem großen Aufenthaltsraum verbringen. Ein Billardtisch, ein Kicker, mehre Sofas und eine Playstation laden zum Zeitvertreib ein. Gegessen wird täglich um 17 Uhr. Ein wenig früh wie Mane Jöns findet. Der 16-Jährige stammt wie viele der Internatsschüler von der Insel Amrum. Die Insel verfügt über keine gymnasiale Oberstufe.

Die Schüler verbringen gern ihre Freizeit miteinander Foto: Karin Riggelsen

Neue Heimat Apenrade

Deshalb kommen viele von den Nordseeinseln nach Apenrade. Die Schule und das Internat genießen einen hervorragenden Ruf. Dieser ist zum größten Teil der Leiterin Nadja Grau zu verdanken. Hingabevoll versucht sie den jungen Erwachsenen eine häusliche Atmosphäre zu bereiten. Dazu gehört auch das mütterliche Erinnern, dass die dreckigen Straßenschuhe nichts auf dem Flur verloren haben. Sie  versucht so häufig wie möglich an den Mahlzeiten teilzunehmen.

Die hauseigene Küche bereitet täglich frische Speisen zu. Besonders beliebt bei den Schülerinnen ist der Burger. Morgens wie Abends gibt es ein reichhaltiges Buffet mit vielen verschiedenen Sorten Brot. Salome, die davon träumt einmal eine Schauspielerin zu werden, schwärmt davon, dass besonders auf eine ausgewogene Ernährung geachtet werden würde. Viele Vitamine können wohl nie schaden.

Freizeit zwischen Schule und Friedhof

Die Jugendlichen nutzen ihre freie Zeit meist für Schulaufgaben. Sie haben aber auch einen Schlüssel für die Turnhalle. Hier spielen sie meist Volleyball. Im Sommer lädt ein Beachvolleyballfeld zum Spielen ein. Doch das Beachvolleyballfeld ist vielen Internatsschülern ein Dorn im Auge. Denn wie Julius erzählt, sei das Sandfeld  ein beliebtes Katzenklo. Andere gehen lieber in den Schwimmkurs. Ansonsten schwärmen alle Schüler von einem besonders starken Gemeinschaftsgefühl untereinander. Sie helfen sich bei Problemen untereinander. Egal ob, Mathe oder Deutsch es gibt immer einen Experten im Internat.

Im unteren Gebäudetrakt wohnen die Jungen, im Oberen die Mädchen. Foto: Karin Riggelsen

Wer wird “Putzionär“

Ein besonders interessante Idee hatte die Internatsleitung für das wöchentliche Putzen am Donnerstag. Die Putzleistungen der Schüler werden nach verschiedenen Kriterien beurteilt und abschließend benotet. Die ersten drei Plätze  erhalten sogar Geldprämien. Annika wurde vor kurzem 2. beim Putzwettbewerb. Der Gewinn: 300 dänische Kronen.

Den Gewinn hat sie vielleicht beim donnerstäglichen Feiern investiert. Das der Donnerstag für Feiern steht, ist eine Tradition. Diese beruht darauf, das die meisten Internat-Bewohner am Wochenende nach Hause fahren. Viele gehen in ortsbekannte Kneipen trinken, andere treffen sich auf WG–WEIN–PARTIES. Für jeden Geschmack ist was dabei. Manch einer bleibt lieber zu Hause und schaut, wenn er einer der wenig glücklichen mit Kabelanschluss ist, einfach Fernsehen.  

Die Bäder des Internates Foto: Karin Riggelsen

Ein Hauch von Hierarchie und Humor

Ein wenig Hierarchie herrscht trotz der großen Gemeinschaft in dem Gebäude. Die Schüler der Abschlussklasse genießen ein wenig mehr Respekt und lassen die Spinnen an der Decke von den jüngeren Zwangsentfernen. Auch die Streiche, die die Jungen den Mädchen spielen, erinnern doch an die Geschichte des fliegenden Klassenzimmers von Erich Kästner aus dem Jahre 1933.

Die Jungs werfen an warmen Tagen kleine rote Vogelbeeren durch die geöffneten Fenster in die Mädchenzimmer. Manchmal wird auch ein Schlauch unter die Toilettentür geschoben und der Toiletteninsasse wird geflutet. Doch böses Blut käme nie auf, versichert einer der Streichverursacher.  Nichtsdestotrotz sind alle mit ihrem Leben im Internat zufrieden. Sie genießen das Vertrauen, das man ihnen entgegenbringt. Ein Leben mit Menschen, die irgendwo zwischen Freunden und Familie stehen. Das passende Zitat hierfür fehlt jedoch noch.

Foto: Karin Riggelsen
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Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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