Mentale Gesundheit

Psychologin erklärt: So gehen wir mit Katastrophen-Nachrichten um

Psychologin erklärt: So gehen wir mit Katastrophen-Nachrichten um

Psychologin: So gehen wir mit Katastrophen-Nachrichten um

Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Psychologin Merle Veggerby erklärt im Gespräch, wie Menschen mit der derzeitigen Nachrichtenlage umgehen können. Foto: Amanda Klara Stephany

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Kriege oder Umweltkatastrophen – wer einen Blick in die Welt wagt, wird schnell ernüchtert. Täglich erreichen die Menschen Nachrichten, die unter die Haut gehen. Und auch vor der eigenen Haustür in Nordschleswig wird der Alltag von einer Jahrhundert-Sturmflut beeinflusst. Wie gehen die Menschen damit um? Und wie können Eltern mit ihren Kindern über Dinge sprechen, die sie vielleicht nicht selbst erklären können? Psychologin Merle Veggerby gibt Tipps.

Es wirkt wie eine heile Welt; der helle Holzboden, die gemütlichen Sessel in unaufgeregtem Grau, die historischen Elemente des Altbaus, in dem sich die Klinik „Bøgen“ befindet. Inmitten dieser Ruheoase in Apenrade (Aabenraa) liegt der Praxisraum von Psychologin Merle Veggerby.

Die junge Frau, die im Alter von drei Jahren von Deutschland nach Dänemark kam, spricht fließend Deutsch und bietet im Haderslevvej auch Therapiestunden in beiden Sprachen an. Sie hilft Menschen, mit ihrem Alltag klarzukommen. Und in Anbetracht der derzeitigen Weltlage stellt sich vielen die Frage: Wie schaffe ich es, damit klarzukommen? 

Im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“ gibt die Psychologin Tipps im Umgang mit schlechten Nachrichten, und wie Eltern mit ihren Kindern darüber sprechen können.

Durch unsere Handys bleiben wir informiert – und zwar im Sekundentakt (Archivbild). Foto: Adobe Stock

„Zuallererst muss man sich bewusst machen, dass es normal ist, sich Sorgen zu machen“, erklärt Merle Veggerby. Die derzeitige Nachrichtenlage – sei es der Krieg in der Ukraine oder in Gaza, oder aber die Sturmflut vor der Haustür – würde Menschen, auch in Nordschleswig, beunruhigen.

Nachrichten prasseln sekündlich auf Menschen ein 

Ein mögliches Problem sei nicht der eigentliche Konsum von Nachrichten, sondern das Ausmaß des Konsums. Denn die Aktualität der Welt versteckt sich oft nur einen Handgriff von uns entfernt; in unseren Smartphones. Für die Psychologin eine potenzielle Gefahr, sich in den Schlagzeilen und Tickern zu verlieren: „Ich empfehle, sich genaue Zeiten am Tag zu nehmen. Also einen Zeitpunkt am Tag zu wählen, an dem man sich mit den Nachrichten bewusst auseinandersetzt. Dieser sollte zeitlich begrenzt sein“, so Veggerby. Das verhindere auch das sogenannte „Doomscrolling“, also das exzessive Lesen von Negativ-Nachrichten, das auf Dauer auch die mentale Gesundheit gefährden kann.

Doch ab wann wird es überhaupt kritisch und gesundheitsschädigend, sich mit Krisen auseinanderzusetzen? Für die Psychologin gibt es eine klare Antwort: „Sobald man merkt, dass die Nachrichtenlage einen im Alltag begleitet und einschränkt; etwa in dem man kontinuierlich daran denkt, auch bei Dingen, die man sonst gerne macht.“

Dabei sei das „Abschalten“ von schlechten Nachrichten nicht ignorant, sondern wichtig: „Nur wer sich schont, auch psychisch, kann Dinge verändern und für Menschen da sein. Etwa auch für die eignen Kinder“, erklärt Veggerby.

Denn die Psychologin ist sich sicher: „Kinder bekommen mehr mit, als wir denken.“

Kinder bekommen mehr mit, als wir denken.

 

Merle Veggerby

Mit Kindern sprechen 

Aber wie sollten Eltern mit ihren Kindern altersgerecht über die Weltlage sprechen? Merle Veggerby rät zur einfühlsamen Ehrlichkeit: „Es ist wichtig, die Kinder ernst zu nehmen. Aber die eigene Besorgnis über die Weltlage auch nicht zu problematisieren. Naturkatastrophen sind manchmal leichter zu erklären, weil sie ‚willkürlich‘ passieren. Gleichwohl sie auch mit der Klimakatastrophe zusammenhängen können, die die Menschen beschäftigt. Und auch besorgt.“

Ein Unterschied macht es auch, ob Kinder bereits abstrahieren können: „Eltern dürfen sich menschlich zeigen. Das ist wichtig für die Kinder.“ Die eigene Besorgnis zu benennen, würde auch Kindern helfen: „Ziel ist es, den Kindern das Gefühl zu geben, dass sie in Sicherheit sind, anstatt Schuld daran sind.“

Besorgnis vs. Angst

Wichtig sei auch, „Angst“ und „Besorgnis“ nicht zu verwechseln: „Menschen, die nicht direkt oder indirekt von Situationen betroffen sind, sind meistens eher besorgt, als dass sie akut Angst verspüren“, so die Psychologin. Für Menschen, die sich sehr besorgt, oder fast ängstlich zeigen, rät sie, Dinge zu tun, die sie ablenken: „Das kann auch Freiwilligenarbeit sein. In diesem Fall bekommen Menschen auch das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Aber es kann auch etwas anders sein. Menschen sind unterschiedlich“, erklärt sie.

 

 

 

Weitere Hilfe einholen 

Auch andere Organisationen, etwa das dänische Rote Kreuz (Røde Kors) raten, einfühlsam, aber dennoch ehrlich mit den Kindern zu kommunizieren. Dafür haben sie Handlungsbeispiele zusammengetragen. Wer außerdem Bedarf an Hilfsangeboten hat oder jemanden zum Reden benötigt, hat die Möglichkeit, aus einer Vielzahl an (anonymen) Angeboten zu wählen:

  • Die dänische Telefonseelsorge „Livslinien“ ist anonym und täglich zwischen 11 Uhr vormittags und 5 Uhr morgens erreichbar unter 70 201 201.
  • Die dänische Depressionshilfe „Depressionsforeningen“ hilft montags bis freitags zwischen 19 und 21 Uhr unter 33 12 47 74.
  • Die deutsche Telefonseelsorge ist ebenfalls anonym und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind (+49) (0) 800 111 0 111 und (+49) (0) 800/111 0 222.
Mehr lesen