Zwischen Spahn und Nahles

Alle gegen Merkel: In der GroKo feuert es von links und rechts

Alle gegen Merkel: In der GroKo feuert es von links und rechts

Alle gegen Merkel: In der GroKo feuert es von links und rechts

dpa
Berlin
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Jens Spahn (CDU) Foto: dpa

Wenige Wochen nach dem Regierungsstart rumort es. Vor allem bei den Konservativen, aber nicht nur.

Mitglieder von CDU und CSU dringen auf ein konservativeres Profil der Unions-Parteien. Auf einem Treffen, das am Samstagvormittag im badischen Schwetzingen begann, wollen Kritiker des Kurses von CDU-Chefin Angela Merkel ein „Konservatives Manifest“ beschließen. Kritik bekommt die Kanzlerin auch für den Start der neuen großen Koalition.

In dem Manifest will die Werte-Union auf ihrer Jahrestagung unter anderem die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht sowie die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft fordern. Der Vorsitzende der vor einem Jahr gegründeten Gruppierung, der Diplom-Kaufmann Alexander Mitsch aus Heidelberg, sieht das Papier als Rückkehr zum „Markenkern“ der Union.

Der Generalsekretär der CDU Baden-Württemberg, Manuel Hagel, sagte zum Auftakt der Tagung mit rund 70 Teilnehmern, von dem Treffen solle das Signal einer Partei ausgehen, die diskutiere. Vom früheren CSU-Chef Franz Josef Strauß stamme das Zitat: „Eine Volkspartei muss immer in Bewegung bleiben.“ Es gehe um die Frage, wie die Partei in 10 bis 15 Jahren aussehen solle. Die Konservativen seien keine Abtrünnigen oder Ausgestoßenen, sondern befänden sich in der Mitte der Partei.

Kramp-Karrenbauer moderiert

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer versuchte, der Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen, und lud den konservativen Flügel zur Mitarbeit am neuen Grundsatzprogramm ein. Der CDU seien alle drei Wurzeln – die christlich-soziale, die liberale und die konservative – gleichermaßen wichtig, sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND/Samstag). „Bei unserem beginnenden Grundsatzprogramm-Prozess wird es viele Möglichkeiten für unsere Mitglieder geben, sich in die Debatten einzubringen.“

Mitsch begrüßte die Äußerungen. „Wir haben bereits schriftlich Kontakt zu Frau Kramp-Karrenbauer aufgenommen und freuen uns auf den Dialog“, sagte er. Die Inhalte des Manifests wolle die Werte-Union in die Grundsatzdebatte einbringen.

Konservative in der Union versuchen immer wieder, ihren Positionen Nachdruck zu verleihen. Im Jahr 2007 machten die damals jungen Unions-Politiker Markus Söder, Philipp Mißfelder, Stefan Mappus und Hendrik Wüst mit einem Konzeptpapier von sich reden. Seit 2012 gibt es den konservativen Berliner Kreis um den hessischen CDU-Politiker Christean Wagner. Der ehemalige hessische Justizminister wollte auch in Schwetzingen reden.

Nahles: „So kann es nicht weitergehen“

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) deutete die Kritik der Werte-Union als Hinweis, dass sich die innerparteiliche Opposition gegen Merkel inzwischen „überall formiert“. „Die CDU hat Konservativen zu lange keine Heimat mehr geboten, das wollen viele nicht mehr hinnehmen und drängen die Partei nach rechts. Das Regieren wird dadurch nicht einfacher“, sagte der frühere SPD-Fraktionschef der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) auch mit Blick auf umstrittene Äußerungen von Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter befand: „Teile der Union sind ganz offensichtlich für Rückschritt.“

Unzufrieden mit dem Start der Regierung ist auch SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Sie warf Seehofer und Spahn vor, es gehe ihnen „viel zu sehr um Eigenprofilierung“. „So kann es nicht weitergehen“, sagte die designierte SPD-Vorsitzende dem RND. Mit Blick auf die Kabinettsklausur am Dienstag und Mittwoch nahm Nahles auch Merkel in die Pflicht: „Vornehmste Aufgabe der Kanzlerin ist es nun, das Regierungsgeschäft ans Laufen zu bekommen.“ FDP-Chef Christian Lindner warf der großen Koalition vor, sich zu sehr mit ihren eigenen Problemen und zu wenig mit konkreter Regierungsarbeit zu befassen. „Die Regierungsparteien beschäftigen sich jeweils mit ihren Dämonen. CSU-Chef Horst Seehofer mit dem Islam und die SPD mit der Agenda 2010“, sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur. Sie müssten sich aber mit den Fragen des Landes beschäftigen und mit dem, was den Alltag der breiten Mitte in Deutschland besser mache.

Richtungsstreit auch in der SPD

Die Gegenkandidatin von Nahles für den SPD-Vorsitz, Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange, wirft der Parteispitze vor, sich nicht ausreichend um die SPD-Basis zu kümmern. „Wenn ich von Mitgliedern, die ich in Abendveranstaltungen treffe, höre, dass die nicht mal wissen, wie ihre Delegierten eigentlich heißen, dann ist da tatsächlich ein Stück weit was verloren gegangen, was ich wieder herstellen möchte“, sage Lange am Samstag im Sender SWR. Entscheidungen würden nicht gut genug an die Mitglieder kommuniziert. Das trage zur Entfremdung zwischen Parteispitze und Basis bei.

Lange kandidiert beim SPD-Sonderparteitag am 22. April in Wiesbaden gegen die Favoritin, Bundestagsfraktionschefin Nahles. An diesem Montag will die Parteispitze über den Leitantrag zum Parteitag beraten. Lange befindet sich gerade auf Werbetour für ihre Kandidatur. Von der SPD-Spitze fühlt sie sich ignoriert. „Ein offener, fairer Wettbewerb, der auch zeigt, dass wir damit souverän umgehen, wäre einfach viel, viel besser“, sagte sie dem SWR. Nahles räumte Defizite im Verhältnis zwischen Basis und Führung der SPD ein. „Viele an der Basis wollen glauben, dass es besser wird. Aber sie sind skeptisch“, sagte Nahles dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag). Die Lösung könne nur sein, die Mitglieder einzubinden und nicht über ihre Köpfe hinweg zu entscheiden. „Wir müssen uns wieder Vertrauen erarbeiten. Ich weiß: Mit einem Fingerschnipp ist das nicht zu machen“, betonte Nahles.

Lange sieht für sich als Vorteil, dass sie eine unabhängigere Kandidatin wäre, weil sie frei von Regierungszwängen sei. „Vormittags Regierungsarbeit tragen und nachmittags die Partei erneuern, wird nicht gelingen“, meinte Lange. Nahles sagte dagegen: „Gut regieren und die SPD neu aufstellen - das ist kein Widerspruch, wie manche meinen. Erneuerung geht auch als Regierungspartei. Mit guter Teamarbeit kann uns das gelingen.“

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