Abschreckende Rhetorik

„Asyltourismus“ und „Vogelschiss“ – Was ist das für eine politische Sprache?

„Asyltourismus“ und „Vogelschiss“ – Was ist das für eine politische Sprache?

„Asyltourismus“ und „Vogelschiss“ – Was ist das für eine politische Sprache?

dpa
Berlin
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Die Duden-Redaktion hat das Nachschlagewerk für die Neuauflage um 5.000 Wörter ergänzt. Foto: dpa

Politiker wollen verstanden werden. Doch wer es in der Wortwahl überzieht, kann sein Publikum verlieren.

"Asyltourismus", "Anti-Abschiebe-Industrie", "Saboteure" des Rechtsstaats – unter CSU-Politikern schien zuletzt ein Wettbewerb ausgebrochen um die gröbste Zuspitzung, die pointierteste Provokation. Sie ernteten Widerspruch: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte dezent zu "Disziplin in der Sprache", Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle warnte vor Beschimpfungen von Flüchtlingshelfern. Und in München demonstrierten 25.000 Menschen unter dem Motto "#ausgehetzt" nicht zuletzt gegen die Wortwahl der CSU. Was ist da los? Warum wird die Sprache dermaßen zum Gesprächsthema?

Druck der Rechtspopulisten

"Ich sehe ganz klar eine Verrohung der politischen Sprache in Deutschland", sagt der Sprachwissenschaftler Thomas Niehr von der RWTH Aachen. Das sei zurückzuführen auf den Druck der Rechtspopulisten – auf die AfD, Pegida oder die Identitären. So nannte AfD-Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland Hitler und die Nazis einen "Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte". Dass das auch als "Bagatellisierung" der Naziverbrechen verstanden werden konnte, habe er erst später erkannt. "Politiker etablierter Parteien versuchen, sprachlich noch eins drauf zu setzen", sagt Niehr.

 

Im Internet sei die Beschimpfung von Minderheiten nichts Neues, meint Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez von der Universität Erfurt – und auch in der Politik habe es solche raue Töne schon gegeben. "Diese Art von Polemik war nur kurzfristig verschwunden", sagt er. "In den 80er und 90er Jahren hatten wir ähnlich scharfe Debatten, die auch gegen Minderheiten gerichtet waren." Bedenklich findet er das trotzdem, zumal die Mitte mitzieht. "Man sollte sich fragen, ob man hier nicht eine gewaltförmige Sprache führt, die nicht auch zu physischer Gewalt ermutigen kann."

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