Koalitions-Zoff

Ampel will Haushaltsstreit beruhigen

Ampel will Haushaltsstreit beruhigen

Ampel will Haushaltsstreit beruhigen

dpa
Berlin
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SPD-Chef Klingbeil hätte auf den «öffentlichen Tanz» zum Haushalt gern verzichtet. Foto: Christophe Gateau/dpa

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Zwei Gutachten haben die Auseinandersetzung über den Bundeshaushalt neu entfacht. Jetzt gibt es versöhnliche Töne und Lösungsvorschläge – doch der Unmut bleibt.

Die Ampel-Koalition will sich im neuen Streit um den Bundeshaushalt offensichtlich zusammenreißen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) zeigte sich in einem Interview gesprächsbereit und riet zu einer sachlichen Diskussion. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, die Bundesregierung müsse jetzt konzentriert klären, wo die fehlenden fünf Milliarden Euro herkommen könnten. Seine Erwartung sei, dass die Bundesregierung ihren Job mache «und dann man nicht immer diesen öffentlichen Tanz aufführt».

In den vergangenen Tagen war der Haushaltsstreit der Ampel-Koalition neu ausgebrochen. Hintergrund sind drei Vorhaben, die die Finanzierungslücke im Etat für das kommende Jahr um zusammen acht Milliarden Euro reduzieren sollten. Lindner hatte wegen rechtlicher und wirtschaftlicher Bedenken Gutachten zur Bewertung der Pläne in Auftrag gegeben. Diese bestätigten die Bedenken in Teilen, zeigten aber auch Wege auf, zumindest zwei der drei Maßnahmen doch umzusetzen. 

Lindner will Eigenkapital der Bahn aufstocken

Lindner erläuterte, für ihn sei es gut vorstellbar, geplante Zuschüsse an die Deutsche Bahn in Höhe von 3,6 Milliarden Euro in Eigenkapital oder Darlehen umzuwandeln. Dieses Vorhaben ist den Gutachten zufolge rechtlich auch tragbar – auch wenn ein Darlehen an den verschuldeten Bundeskonzern vom wissenschaftlichen Beirat des Finanzministeriums nicht als wirtschaftlich klug eingestuft wird. Die Finanzierungslücke im Haushalt reduziere sich damit auf gut fünf Milliarden Euro, sagte Lindner der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. 

Nicht weiterverfolgen will der FDP-Chef die Kanzleramts-Idee, nicht genutzte Gaspreisbremsen-Mittel der Förderbank KfW in Höhe von 4,9 Milliarden Euro anderweitig im Haushalt zu verwenden. Das hatten beide Gutachten als potenziell rechtswidrig eingestuft. 

Uneinigkeit über Finanzspritze für Autobahngesellschaft

Beim dritten Vorhaben, Darlehen für die Autobahngesellschaft, komme es auf die Ausgestaltung an, sagte Lindner. «Bei der Autobahn GmbH müsste man ein ganz neues Modell erstellen, da sie keine Einnahmen zur Rückzahlung hat. Hier besteht Skepsis.» Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Dienstag erklärt, eine Stärkung von Bahn und Autobahngesellschaft sei auch nach den Gutachten möglich. 

Bis Mitte August wollen Scholz, Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) erneut Lösungen suchen. Noch unterschieden sich die Vorstellungen, sagte Lindner. «Es gibt in jedem Fall noch Klärungs- und Entscheidungsbedarf.» In der kommenden Woche soll der Haushaltsentwurf an den Bundestag weitergeleitet werden, der viel Zeit zur Beratung braucht.

Kritik am Kommunikationsstil

Habeck sagte der Funke-Mediengruppe, er werde sich in der Sache erst äußern, wenn eine Lösung gelungen sei. Aus seinem Umfeld hieß es zugleich, der Wirtschaftsminister sei sehr irritiert über das Vorgehen seines Kabinettskollegen Lindner gewesen, ein Gutachten einseitig und selektiv zu veröffentlichen, anstatt mit den Regierungspartnern über Lösungen zu beraten.

Auch SPD-Chef Klingbeil kritisierte die Kommunikation scharf. «Es wäre vermeidbar gewesen, sich wieder auf offener Bühne zu streiten», sagte er. Die Bewertung der Gutachten hätte im Hintergrund, still, leise und geräuschlos erfolgen können. «Das ist Regierungshandeln, das darf kein Drama hier in der Gesellschaft sein, sondern das muss stattfinden.» 

Die oppositionelle Union regte sich über Scholz auf und riet der FDP, aus der Ampel-Koalition auszusteigen. Scholz hatte sich bei «Zeit Online» beklagt, das eigentlich klare Votum des juristischen Gutachtens sei «vorübergehend grundfalsch aufgefasst» worden. Er nannte dabei Lindner nicht – für die Union ist aber trotzdem klar: «Ein Bundeskanzler, der seinem Finanzminister in der Öffentlichkeit derart seine Kompetenzen abspricht und wie einen Schulbuben behandelt, ist ein einmaliger Vorgang.» Unions-Haushaltspolitiker Christian Haase sagte der «Rheinischen Post» weiter, der Vorgang verdeutliche die Zerrissenheit der Koalition. 

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