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Erster Militärrabbiner der Bundeswehr ins Amt eingeführt

Erster Militärrabbiner der Bundeswehr ins Amt eingeführt

Erster Militärrabbiner der Bundeswehr ins Amt eingeführt

dpa
Leipzig
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Zsolt Balla ist der erste Militärrabbiner der Bundeswehr. Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

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Nach 100 Jahren gibt es wieder einen Militärrabbiner in Deutschland. Die Erwartungen an den 42-jährigen Zsolt Balla sind groß. In der Truppe gab es immer wieder Antisemitismus und Rechtsextremismus.

Der erste Militärrabbiner der Bundeswehr, Zsolt Balla, sieht in seinem Amt eine besondere Verantwortung und spürt die Last der Geschichte auf seinen Schultern.

«Die deutsche Gesellschaft und die jüdische Gemeinschaft in Deutschland haben einen langen Weg zurückgelegt, um diesen historischen Moment zu erreichen», sagte der 42-Jährige bei der feierlichen Amtseinführung am Montag in der Leipziger Synagoge. Nach Angaben des Zentralrats der Juden gibt es zum ersten Mal seit 100 Jahren wieder jüdische Militärseelsorge in Deutschland. Nach Balla sollen bis zu zehn weitere Militärrabbiner Schritt für Schritt folgen.

Er wolle für alle Soldaten der Bundeswehr da sein, betonte der Militärbundesrabbiner. Er empfinde «ungeheure Dankbarkeit, in einem Land leben zu dürfen, das sich seiner Vergangenheit gestellt hat, sich aber auch entschlossen hat, nach vorne zu gehen, um aktiv eine bessere Welt zu gestalten».

In einem Radio-Interview hatte Balla zuvor gesagt, dass Antisemitismus oder Rechtsextremismus nie komplett verschwinden würden. «Ich denke, dass Antisemitismus und jede Art von Hass gegen Minderheiten eine Sache sind, die wir niemals für immer von unserer Gesellschaft eliminieren können», hatte der 42-Jährige im Bayerischen Rundfunk (Bayern 2) betont. Er hoffe, dass er durch sein neues Amt nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die deutsche Bevölkerung erreichen könne.

Es gelte nicht nur Rechtsradikale aus der Bundeswehr zu verbannen, sondern alle anderen Soldaten zu stärken und in ihrer demokratischen Gesinnung zu festigen, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. «Denn so wie die Bundeswehr ein Spiegelbild unserer Gesellschaft sein soll, so wirkt sie umgekehrt auch in unsere Gesellschaft hinein.»

Soldatinnen und Soldaten könnten sich bei ethischen Fragen, mit religiösen Anliegen und in persönlichen Krisen an die Rabbiner wenden, erläuterte Schuster. Zudem könnten sie alle Soldaten mit den jüdischen Traditionen vertraut machen. «Damit wird Fremdheit gegenüber dem Judentum abgebaut, so dass - da bin ich mir sicher - Vorurteile gar nicht erst entstehen oder am besten gleich in sich zusammenfallen. Das ist ein wichtiger Nebeneffekt der jüdischen Militärseelsorge», betonte Schuster.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sprach bei der Amtseinführung von einem «Tag großer Tragweite.» Es sei ein großes Zeichen von Vertrauen und ein «großes Bekenntnis für eine offene und vielfältige Gesellschaft». Die jüdische Militärseelsorge richte sich an alle Soldatinnen und Soldaten und schaffe authentische Begegnungen mit dem Judentum. «Sie übernehmen ein besonderes und verantwortungsvolles Amt. Die Freude und Neugierde in der Truppe ist groß», gab sie dem Militärrabbiner mit auf den Weg.

«Das ist ein großartiges Zeichen in die Gesellschaft und in die Bundeswehr hinein, das jüdisches Leben wieder sichtbar macht», sagte die Wehrbeauftragte Eva Högl. Die Bundeswehr müsse demokratische Werte und Toleranz leben, dafür leiste die jüdische Militärseelsorge einen unverzichtbaren Beitrag.

Der gebürtige Ungar Zsolt Balla (42) lebt seit 2002 in Deutschland. In Berlin besuchte er die Talmud-Hochschule «Beis Zion». 2009 schloss er ein Rabbinatsstudium ab. Im gleichen Jahr wurde er in München zum Rabbiner ordiniert. Seit 2019 ist er Landesrabbiner von Sachsen.

Nach dem Soldatengesetz hat jeder Soldat und jede Soldatin Anspruch auf Seelsorge und Religionsausübung. Bisher gab es nur Angebote der evangelischen und die katholischen Kirche. Zu den Aufgaben gehören die Seelsorge im In- und Ausland sowie die Begleitung von Soldatinnen und Soldaten bei Auslandseinsätzen.

Schätzungen zufolge gibt es rund 300 Juden und Jüdinnen unter den rund 180.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Die Zahl der Christen wird auf rund 90.000 geschätzt, die der Muslime auf 3000.

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