EKD-Ratsvorsitzende
Kurschus ist neue Stimme der evangelischen Kirche
Kurschus ist neue Stimme der evangelischen Kirche
Kurschus ist neue Stimme der evangelischen Kirche
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Die über 20 Millionen Protestanten in Deutschland haben eine neue Führung aus drei Frauen. Ein heikles Thema will die neue Vorsitzende Annette Kurschus zur Chefinnensache machen.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wird weiblicher und jünger: Als zweite Frau übernimmt die westfälische Präses Annette Kurschus den Ratsvorsitz der EKD.
Bei der Synode in Bremen wurde die Theologin aus Bielefeld gleich im ersten Wahlgang mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit gewählt. Von 140 abgegebenen Stimmen erhielt sie 126 Jastimmen, es gab vier Neinstimmen und zehn Enthaltungen.
Als wichtigste Stimme im deutschen Protestantismus folgt Kurschus (58) auf den bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Vor ihr war nur Margot Käßmann von 2009 bis 2010 Ratsvorsitzende gewesen.
Die Führungsspitze der 20,2 Millionen evangelischen Christinnen und Christen ist erstmals nur mit Frauen besetzt. Die Hamburger Bischöfin Kirsten wurde zur stellvertretenden Ratsvorsitzenden gewählt. Als Präses der Synode führte die Studentin Anna-Nicole Heinrich (25) das Kirchenparlament durch vier komplizierte Tage. Die Synodalen waren teils in Bremen anwesend, teils zugeschaltet.
Kurschus führt seit März 2012 die Evangelische Kirche von Westfalen. Seit 2015 war sie auch stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD. «Die Erwartungen an Kirche sind immer noch und immer neu groß», sagte sie. Das zeige sich selbst in mancher Kritik. «Wir haben einen Auftrag, den sonst niemand hat, nämlich die Hoffnung wachzuhalten in dieser Welt.»
Bundesweit bekannt wurde Kurschus durch die Trauerfeier im Kölner Dom für die Hinterbliebenen des Germanwings-Absturzes 2015 in Frankreich. Bei der Flugzeugkatastrophe waren 150 Menschen ums Leben gekommen, darunter 16 Schüler und Lehrer einer Schule aus Haltern am See. Kurschus beeindruckte in ihrer Predigt als einfühlsame Seelsorgerin.
Die Pfarrerstochter wurde 1963 in Rotenburg an der Fulda (Hessen) geboren. Sie studierte Theologie in Bonn, Marburg, Münster und Wuppertal und arbeitete als Pastorin. Kurschus ist ledig und hat keine Kinder.
Kurschus sagte zu, die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im kirchlichen Raum zur Chefinnensache zu machen. Dabei wolle sie eine Verständigung mit den Betroffenen suchen. Sie werde auch auf einen einheitlichen Umgang der Landeskirchen mit dem Thema dringen. Das Kirchenparlament strebe Änderungen am Dienstrecht an, um die Opfer gegenüber den Tätern zu stärken, sagte Heinrich. Betroffene Männer und Frauen hatten auf der Synode kritisiert, die Amtskirche verschleppe die Aufarbeitung.
In ihrer ersten Pressekonferenz als Ratsvorsitzende forderte Kurschus eine europäisch abgestimmte Migrationspolitik. Solange es keinen geregelten Weg zur Einreise gebe, werde es illegale Migration geben. Mit Blick auf die Lage von Flüchtlingen im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen sagte sie: «Wir müssen alles dafür tun, dass die Menschenwürde hochgehalten wird.»
Auf die Frage, ob es in der katholischen oder orthodoxen Kirche Vorbehalte gegen sie als Frau als Bischöfin gebe, sagte Kurschus: «Im Miteinander mit den katholischen Kollegen ficht mich das nicht an.» Sie sei sich ihrer Berufung sicher. «Wenn andere damit ein Problem haben, ist das deren Sache.» Ihrerseits riet sie der katholischen Kirche, bei Geschlechtergerechtigkeit mit der Gesellschaft zu gehen. Zugleich betonte sie die Bedeutung der Ökumene. In der Öffentlichkeit würden die Kirchen in vielen Fragen längst gemeinsam wahrgenommen.
Der EKD gehören 20 lutherische, reformierte und unierte Landeskirchen mit 13 200 Kirchengemeinden an. Der Synode ist verjüngt worden, laut Satzung sind 20 Delegierte der 128 Mitglieder des Kirchenparlaments unter 26 Jahre alt.