Kommunalwahl 2023

Ratsversammlung: SSW gewinnt elf Direktmandate in Flensburg

Ratsversammlung: SSW gewinnt elf Direktmandate in Flensburg

Ratsversammlung: SSW gewinnt elf Direktmandate in Flensburg

Antje Walther/shz.de
Flensburg
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Gewinner der Wahlsonntags (von links): Susanne Schaefer-Quäck und Lars Erik Bethge (SSW) sowie Leon Bossen und Annabell Pescher (Grüne). Foto: Antje Walther/shz.de

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Der Südschleswigsche Wählerverband lieferte sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Grünen. Obwohl der SSW so eindeutig gesiegt hat, gelangt Spitzenkandidatin Susanne Schaefer-Quäck nach jetzigem Stand nicht in den Rat.

Eine, die eigentlich zum Sieger-Team gehörte, zitterte bis zum Schluss: Susanne Schaefer-Quäck vom SSW. Während Oberbürgermeister Dr. Fabian Geyer kurz vor 20 Uhr schon einmal das vorläufige amtliche Endergebnis verlesen konnte, zitterte die Spitzenkandidatin des Südschleswigschen Wählerverbandes ob des Ausgangs in den letzten beiden Wahlbezirken. Das Ergebnis stand noch nicht an der Wand. Der SSW hatte bis dahin schon zehn Direktmandate gewonnen, die Liste kam noch nicht zum Tragen – mit Spitzenkandidatin Schaefer-Quäck.

Sie zählte zur Gruppe der SSW-Familie, die, als der Abend noch jung war, sich zaghaft und noch ungläubig über gewonnene Wahlbezirke freute. Doch je mehr dieser Erfolge die Partei einheimste, desto lauter und mutiger wurden Jubel und Applaus aus der Minderheitenpartei, die Mehrheiten gewann. Etwa zur Zeit, als die Wahllokale schlossen, peilte Susanne Schaefer-Quäck für ihren SSW in etwa jede fünfte Stimme an.
 

Auch die Flensburger Grünen sind anfangs nicht unbedingt entspannt. Leon Bossen, die eine Hälfte der grünen Doppelspitze, konstatiert gegen 18 Uhr, man müsse mal sehen, „wie der Bund durchschlägt“ auf das grüne Ergebnis in Flensburg. Solange die Grünen „stabil“ bleiben, hofft Bossen, würden sie zufrieden sein. Stabil heißt, „acht Sitze“.

In Sachen Stimmengewinne zeichnet sich schon früh ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Grünen mit dem SSW ab. Mal schlägt das Applauso-Meter für die einen, dann für die anderen aus. Wieder jubeln abwechselnd die SSW-Anhänger, dann die Grünen. Bundesminister Robert Habeck hatte in den letzten Zügen des Wahlkampfes nochmal auf Instagram für die Flensburger Grünen geworben und dafür, dass man dafür sorgen könne, dass Flensburg „das kleine Kopenhagen werden könne“. 

Justus Klebe, SPD: „Herbe Niederlage“

Drumherum um die Jubelnden in der Bürgerhalle viele bedröppelte Gesichter, die sich auch gen Ende hin kaum aufhellen. Justus Klebe von der SPD ahnt schon frühzeitig eine „herbe Niederlage“ und sucht gar nicht erst nach Ausreden. Sicher setze sich ein Landestrend fort und liege der Gedanke an den Bund nahe, doch er will nichts schönreden. Allerdings, sagt der junge Sozialdemokrat, das Ergebnis entspreche nicht ganz dem „engagierten Wahlkampf“.

Ex-Oberbürgermeisterin Simone Lange verfolgt die Auszählung im Rathaus

Eine Sozialdemokratin, die bis vor wenigen Monaten noch Oberbürgermeisterin Flensburgs war, verfolgt die Auszählung ebenfalls an ihrem alten Arbeitsplatz im Rathaus: Simone Lange. Auch wenn sie gerade eigentlich keine politische Person sei, so fühle sie natürlich mit mit der SPD.

Oberbürgermeister Fabian Geyer mischt sich frühzeitig unter die Menge und führt Gespräche. Die Stimmung, sagt er, sei „bei allen“ vorher wie folgt gewesen, hat er beobachtet: „Wir wissen es nicht.“ Insofern seien die frühzeitigen Gewinne der Grünen und des SSW „überraschend“. Dem Verwaltungschef ist aber vor allem eines wichtig: „stabile Mehrheiten“. Und die seien gegeben, kommentiert Geyer.

Wieder jubeln abwechselnd die SSW-Anhänger, dann die Grünen. Der Trend korrespondiere überhaupt nicht mit der Wahrnehmung aus den Bürgergesprächen, urteilt der Liberale Kay Richert, dessen Wahlkreis 09 an den SSW ging. Zu erwarten sei allerdings durchaus ein starker SSW gewesen, mit dem sich auch viele Bürgerliche identifizierten, sagt der FDP-Mann. Das Ergebnis lasse ihn nichts Gutes für die Wirtschaft ahnen, meint Richert. Kritik übt er an Gesetzesänderungen von CDU und Grünen und gibt ihnen mit ihrem „Demokratie-Abbauprogramm“ eine Mitschuld daran, das die Rechte kleinerer Parteien beschneide. Statt einer vereinfachten Arbeit, würden weniger Diskussionen in Ausschüssen längere Ratssitzungen zur Folge haben, wettert er.

CDU „ein bisschen unter Schock“

„Ein bisschen unter Schock“ fühlt sich Karsten Sörensen von der CDU angesichts der Auszählung in der Bürgerhalle. Auch er empfindet eine Diskrepanz zwischen der Arbeit der Fraktion und dem Wahlergebnis. „Wir haben uns bei so vielen Themen positioniert“, resümiert er, und ist enttäuscht, dass wohl auch Wahlsprüche manchmal genügen. Sörensens Wahlkreis landet zwar in SSW-Hand, doch über Listenplatz 4 wird er Ratsherr.

Andreas Rothgaenger von der WiF verfolgt das Geschehen aus der ersten Reihe und nutzt die Zeit und die Ergebnisse in Scheibchen, um ein Papier vollzukritzeln mit Parteien und Prozenten. „Wir haben an die Kleinen verloren“, bilanziert er vor dem Endergebnis und rechnet vor: Die Summe der Verluste für die WiF teilt sich auf die Neuzugänge im Rat auf. So in etwa.

Inzwischen mischen sich die Lager im Raum und tauschen sich Vertreter der beiden führenden Parteien aus. Klar, dass vor allem blaugrüne Grüppchen konsequent ins Rampenlicht geraten und bald sicher sein können, dass sie den traditionellen Wettstreit, wer den Stadtpräsidenten oder die Präsidentin stellen darf, unter sich ausmachen werden. Lars Erik Bethge, seit Herbst Kreisvorsitzender des SSW, nennt das Ergebnis schließlich „sensationell“ und die Wahlbeteiligung wie seine Parteifreundin Susanne Schaefer-Quäck eine „Katastrophe“.

Dennoch habe der SSW das beste Ergebnis seit einem Vierteljahrhundert eingefahren und ist willens, Beschlüsse umzusetzen und die brennenden Themen voranzutreiben. Als solche zählt Bethge Klimaschutz, Hochwasserschutz und Schulsanierung auf. Hafen-Ost umschifft er ein kleines bisschen, das beinhaltet in jedem Fall Diskussionsstoff.

Pelle Hansen, Grüne: Respekt für SSW

Pelle Hansen von den Grünen, der im Wahlkampf als potentieller Stadtpräsident gehandelt worden war, zollt dem SSW Respekt, auch für Gewinne beispielsweise im Flensburger Osten. Er sieht eine Bestätigung der Arbeit der Grünen in deren Wahlerfolg und neun Direktmandaten, scheint erfreut über eine „klarere Verteilung“ von Mehrheiten im künftigen Rat und bleibt gespannt, wie sich die kleinsten Parteien verhalten.

Die jetzt größte Fraktion, der SSW holt elf Sitze in der neuen Ratsversammlung, und alle, wirklich alle über Direktmandate. Ihre Tochter hätte sie schon gefragt, was sie denn jetzt mache, berichtet Susanne Schaefer-Quäck kurz nach der Verkündung des Ergebnisses in der Bürgerhalle und wirkt zwischen himmelhoch jauzend und ein bisschen ungläubig, dass ihr Listenplatz 1 ihr kein Mandat im Rat verschafft hat. Am Montagnachmittag bespricht der SSW in Ruhe das außergewöhnliche Wahlergebnis. 

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