Kunst-Attacken

Wie sich das Nolde-Museum auf mögliche Protest-Aktionen vorbereitet

Wie sich das Nolde-Museum auf mögliche Protest-Aktionen vorbereitet

Wie sich das Nolde-Museum auf Protest-Aktionen vorbereitet

Marco Nehmer
Seebüll/Søbøl
Zuletzt aktualisiert um:
Nolde Museum in Seebüll Foto: Axel Heimken

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Wenn kostbare Gemälde weltberühmter Maler ins Visier von Klima-Aktivisten geraten, muss man sich auch in Seebüll damit beschäftigen. Christian Ring, Direktor des Nolde-Museums, denkt über Verschärfungen des Sicherheitskonzepts nach.

Ist Kunst mehr wert als das Leben? Und was hätte Emil Nolde dem entgegnet? Während die Antwort auf den zweiten Teil theoretisch bleiben muss, entfaltet der erste in der Praxis gerade seine volle Wucht, klatscht der Öffentlichkeit geradezu ins Gesicht, den großen Meistern mit Tomatensoße und Kartoffelbrei auf ihre kostbaren Werke. Monet, van Gogh, Vermeer – Gemälde werden zur Zielscheibe, Museen zur Bühne eines Protests, der doch eigentlich bewahren will. Teile der Klimabewegung gehen zur Attacke über. Und in Seebüll, Heimstätte des Nolde-Schatzes, macht man sich so seine Gedanken, wie das alles werden soll, wie man selbst davor in Deckung gehen kann.

„Es sind einfach Unsicherheiten da”, sagt Christian Ring, Direktor der Nolde Stiftung Seebüll, mit Blick auf die Eskalation der Geschehnisse in den vergangenen Wochen. Was in London, Potsdam, Den Haag möglich ist, kann auch in Nordfriesland passieren, überall. „Schließlich gibt es nicht nur die Aktivisten, sondern auch Trittbrettfahrer, die zu Anschlägen dieser Art animiert werden könnten”, sagt Ring. „Für uns stellt sich natürlich konkret die Frage: Wie schützen wir die Kunst, wie intensivieren wir unsere Maßnahmen?”

Dass sie dafür nun etwas Zeit haben, ist dem fast schon glücklichen Umstand geschuldet, dass die 66. Jahresausstellung gerade erst zu Ende gegangen ist. „Stille Welten” ist Geschichte, „Welt und Heimat”, Ausgabe 67, startet am 1. März 2023. Bis dahin ist der Museumsbetrieb im Winterschlaf, Noldes Kunst sicher vor Vandalismus. Nur: Die Klimakrise wird den Jahreswechsel überdauern, und auch der Geist des sich radikalisierenden Protests wird sich bis dahin kaum in die Flasche zurückdrängen lassen. „Wir stellen aktuell Überlegungen an für die kommende Saison, zunächst einmal intern”, sagt Ring deshalb. „Wir beobachten die Situation.”

Für den Direktor und sein Team ist es ein Drahtseilakt, ja eigentlich ein Dilemma: Noldes Kunst soll niedrigschwellig zugänglich sein, ein Museum ist keine Festung. Eine solche müsste es aber sein, will man Risiken minimieren. Nur: Wer besucht sie in Seebüll dann noch? „Wenn man die Sicherheitsvorkehrungen nun stark hochfahren müsste”, sagt Ring sorgenvoll, „wäre das ein weiteres Hemmnis, zu uns zu kommen.”

„Die allerwenigsten Nolde-Bilder sind verglast“

Was nicht heißen soll, dass es im Nolde-Museum bisher keine angemessenen Sicherheitsvorkehrungen geben würde, zudem ist das gesamte Gelände videoüberwacht. Aber es gibt eine Schwachstelle, die wiederum eine Stärke im Sinne der Kunst ist. „Die allerwenigsten Nolde-Bilder sind verglast, sie sollen vom authentischen Eindruck leben”, sagt Ring. „Und glücklicherweise sind die meisten Bilder in einem derart guten Zustand, dass eine Verglasung auch gar nicht nötig ist.” Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrgehänge” wäre das zum Verhängnis geworden, auch der Schaden an van Goghs „Sonnenblumen” oder Monets „Getreideschober” wäre womöglich irreparabel gewesen ohne Verglasung.

Aber zurück zur Eingangsfrage, denn die steht immer noch im Raum. Ist Kunst mehr wert als das Leben? Gestellt hat sie die Gruppe „Just Stop Oil”, verantwortlich für die Anschläge auf Vermeer und van Gogh, während die Attacke auf Monet auf das Konto der „Letzten Generation” geht. Wie würde Nolde dazu stehen, der doch einen Sinn für die Natur, das Spielfeld allen Lebens hatte, daraus künstlerische Inspiration zog? Ring nimmt die Herausforderung an, versucht sich an einer Erwiderung im Sinne des Malers, der seit 1956 selbst nicht mehr antworten kann.

Nolde: Bewahrer der Natur – und der Kunst

„Nolde war jemand”, sagt er, „dem der Erhalt der ursprünglichen Natur am Herzen gelegen hat, das war ihm ein großes Anliegen. Nolde war aber auch extrem vorsichtig, was seine Kunstwerke anbelangt. Sie sollten widerstandsfähig sein, er hat zum Beispiel seine Farben sehr genau daraufhin überprüft, ob sie lichtecht sind. Er hatte große Sorge, dass seine Bilder zerstört werden könnten. Diese Erfahrung hatte er im Zweiten Weltkrieg machen müssen. Es ging ihm immer um den Schutz. Und zwar um den Schutz der Natur und um den Schutz der Kunst. Das kann und sollte man nicht gegeneinander ausspielen.“

Dass genau das offenbar versucht wird, verärgert Ring. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass man Kulturgüter einem derartigen Risiko aussetzt, ich verurteile das aufs Schärfste”, sagt er. „Ich habe jedes Verständnis für Protest, aber nicht zulasten der Kultur, die darunter am Ende leidet. Was kann die Kunst dafür? Ihr zu schaden, nur um Aufmerksamkeit zu erregen, das ist in meinen Augen der falsche Weg. Das weckt keine Sympathie.“

Und so bereitet sich die Nolde Stiftung in aller gebotener Sorgfalt auf das Ausstellungsjahr 2023 vor. Kunst ist für alle da, Nolde ist für alle da. Nur auf Tomatensoße und Kartoffelbrei würden sie in Seebüll ganz gerne verzichten.

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