Schifffahrt

«All ships, all ships»: Notfallübung in der Ostsee

«All ships, all ships»: Notfallübung in der Ostsee

«All ships, all ships»: Notfallübung in der Ostsee

dpa
Rostock-Warnemünde
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Im Rahmen der Umweltübung «Balex Delta» auf und an der Ostsee transportiert ein Spezialfahrzeug des Technischen Hilfswerk (THW) Geräte für eine Ölsperre an den Strand. Foto: Jens Büttner/dpa

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Die Übung war von Land aus mit bloßem Auge kaum wahrzunehmen. Eine kleine Flotte von Schiffen aus Ostsee-Anrainerstaaten probte vor der Küste von Warnemünde einen Ernstfall, der für das sensible Binnenmeer den «Super-Gau» bedeuten würde.

Die größte Umweltübung auf der Ostsee begann, als die Crew des 33-Meter-Schiffes «Ranzow» aus riesigen Pappkartons 15 Kubikmeter Popcorn - «weder gezuckert, noch gesalzen» - in die Ostsee kippte. «Popcorn verhalte sich ähnlich wie Öl», erklärte Simone Starke vom Havariekommando Cuxhaven. Südlich der stark frequentierten Seeverkehrsroute Kadetrinne übten Schiffe von acht Ostseeanrainern ein Szenario, das sich niemand im Ernstfall vorstellen will: ein Containerschiff kollidiert mit einem Öltanker, der nach dem Zusammenstoß Schweröl verliert.

Kurz nachdem der «Ölteppich» aus Popcorn ausgebracht ist und auf der ruhigen Ostsee treibt, startete Einsatzleiter Timo Paechnatz die Operation. «All ships, all ships» begann am Mittwoch um 10.25 Uhr sein Funkspruch, mit dem er alle Schiffe zur Übung «Balex Delta 2022» begrüßte. Paechnatz wurde kurz zuvor mit dem Hubschrauber auf dem Mehrzweckschiff «Arkona» abgesetzt, von wo aus der Gesamteinsatz rund 15 Kilometer vor der Küste Warnemündes koordiniert wird.

Ein Hubschrauber und ein Ölüberwachungsflugzeug sind in der Luft. Auf See werden Ölsperren ausgebracht und zwischen zwei Schiffen befestigt, die dann in Formation auf das treibende «Öl» zufahren und es einfangen. Die schwimmende Ölsperre zwischen den Schiffen bildet dabei eine U-Form. In der Mitte soll sich im Ernstfall das Schweröl sammeln, das dann durch eine Öffnung kontrolliert von einem dahinter fahrenden Schiff aufgefangen wird.

Geplant und vorgenommen wird die Übung in diesem Jahr vom Havariekommando, das in Deutschland für die maritime Notfallvorsorge und das Unfallmanagement auf Nord- und Ostsee verantwortlich ist. 2021 war Finnland verantwortlich, 2023 wird es Lettland sein.

Die internationale Kooperation sei wichtig, so der Chef des Havariekommandos, Robby Renner. «Nur im Verbund mit unseren Partnern sind wir eine schlagkräftige Truppe.» Die Übung sei unter fast idealen Bedingungen gelaufen. An Land, genauer gesagt am Strand von Markgrafenheide gegenüber von Warnemünde, probten 90 THW-Helfer mit Ölsperren, Absaugvorrichtungen und schwerem Gerät den Ernstfall.

«Wenn solch ein Unfall Wirklichkeit würde, wäre das der Super-Gau», sagte Umweltminister Till Backhaus (SPD), der die Übung vom Hubschrauber aus beobachtete und auch den Strandabschnitt besichtigte. Der «Größte anzunehmende Unfall» (Gau) träfe in der Ostsee das kleinste Binnenmeer der Welt und ein hochsensibles Gewässer. Backhaus betonte, es sei mit einer deutlichen Zunahme des Schiffsverkehrs durch zusätzliche LNG- und auch Öl-Tanker zu rechnen.

Diese Zunahme ist auch eine Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Energiekrise. Auch Russland ist Ostseeanrainer, aber anders als in den Vorjahren diesmal nicht bei der Übung dabei. Das Land habe sich Anfang des Jahres nicht zu «Balex Delta» angemeldet, so das Havariekommando.

Das Übungsszenario von Balex ist nicht so weit hergeholt. Die Kadetrinne ist mit über 60.000 Schiffspassagen eine der am stärksten befahrensten Seeverkehrsrouten in Europa. Zahlreiche Öltanker verkehren in Ost-West-Richtung und umgekehrt. Der Fährverkehr von Deutschland nach Dänemark kreuzt zudem die Linie.

Für tiefliegende Schiffe bis 16 Meter hat die Kadetrinne an der schmalsten Stelle lediglich eine Breite von einer Seemeile, durch die beide Fahrtrichtungen bedient werden müssen. Die Kadetrinne liegt innerhalb der dänischen und deutschen Außenwirtschaftszone (AWZ) - die erwähnte schmalste Stelle liegt in der deutschen AWZ.

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