Stutthof-Prozess

Befangenheitsantrag gegen Historiker gestellt

Befangenheitsantrag gegen Historiker gestellt

Befangenheitsantrag gegen Historiker gestellt

dpa
Itzehoe (dpa/lno) -
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Ein Mikrofon in einem Gerichtssaal. Foto: Friso Gentsch/dpa/Symbolbild

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Der Stutthof-Prozess gegen eine 97 Jahre alte Frau in Itzehoe geht langsam dem Ende entgegen. Doch bevor die Plädoyers gehalten werden können, muss die Strafkammer des Landgerichts Itzehoe noch über einen Befangenheitsantrag entscheiden.

Zum Ende der Beweisaufnahme im Prozess gegen eine ehemalige Sekretärin im KZ Stutthof hat die Verteidigung beantragt, den historischen Sachverständigen Stefan Hördler wegen Befangenheit abzulehnen. Rechtsanwalt Wolf Molkentin begründete den Antrag vor dem Landgericht Itzehoe am Montag unter anderem damit, dass Hördler in einer problematische Doppelrolle als Gutachter und Ermittler tätig gewesen sei. Bei seiner Mandantin bestehe die Besorgnis, dass Hördler nicht ausreichend unvoreingenommen sei.

Hördler habe gegenüber der Staatsanwaltschaft Erwartungen zum Ergebnis seines Gutachtens geweckt, die sich dann als nicht haltbar erwiesen hätten.

Nebenklagevertreter Christoph Rückel hielt Molkentin entgegen, Historiker seien auf Quellen angewiesen. Deren Auswertung sei keine staatsanwaltschaftliche Ermittlung, sondern wissenschaftliches Arbeiten. Auch die Staatsanwaltschaft wies den Antrag als unbegründet und nicht nachvollziehbar zurück.

Der Vorsitzende Richter der Strafkammer, Dominik Groß, kündigte eine Entscheidung für Dienstag an. Sollte das Gericht den Antrag ablehnen und keine weiteren Beweisanträge gestellt werden, könnte die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer halten.

Die Angeklagte Irmgard F. soll von Juni 1943 bis April 1945 als Zivilangestellte in der Kommandantur des Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig gearbeitet haben. Die Staatsanwaltschaft wirft der 97-Jährigen vor, durch ihre Schreibarbeit Beihilfe zum systematischen Mord an mehr als 11.000 Gefangenen geleistet zu haben. Die Angeklagte hat sich in dem seit über einem Jahr laufenden Prozess bislang nicht zu dem Vorwurf geäußert.

Die Strafkammer wies am Montag weitere Anträge ab. Dabei ging es um Hördlers Rolle bei einer Inaugenscheinnahme des früheren Konzentrationslagers. Der Historiker hatte Anfang November zwei Richter bei einem Besuch der polnischen Gedenkstätte begleitet. Die Verteidigung stellte die Unbefangenheit des Gutachters dabei in Frage, die Nebenklagevertreter wollten die Bedenken durch eine erneute Ladung des Zeugen ausräumen.

Außerdem verlas der Vorsitzende Richter die schriftliche Zeugenaussage einer Stutthof-Überlebenden. Darin schilderte die nach dem Krieg in die USA ausgewanderte Frau, auf welch grausame Weise ihre Eltern, ihr jüngerer Bruder und sie selbst von den Nazis in verschiedenen Lagern, darunter dem KZ Stutthof, behandelt wurden. Ihr Vater und ihr Bruder wurden ermordet. Sie selbst entkam wenige Tage vor Kriegsende gemeinsam mit ihrer Mutter nur knapp dem Tod. «Wir sind trotz allem Menschen geblieben, als die Nazis längst aufgehört hatten, Menschen zu sein», schrieb die Zeugin. Sie habe später nie mit ihrer Mutter, die 1991 im Alter von 93 Jahren starb, über die Ereignisse sprechen können.

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