Justiz

Erneut lebenslange Freiheitsstrafe für Mord an Brasilianer

Erneut lebenslange Freiheitsstrafe für Mord an Brasilianer

Erneut lebenslange Freiheitsstrafe für Mord an Brasilianer

dpa
Hamburg (dpa/lno) -
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Ein wegen Mordes angeklagter 48 Jahre alter Mann (M) steht im Landgericht im Sitzungssaal. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa/Pool/dpa

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Er betäubte einen jungen Brasilianer mit Drogen, um mit ihm Sex haben zu können, und tötete ihn schließlich. Im zweiten Prozess um dieses Verbrechen aus dem Jahr 2019 hat das Landgericht Hamburg erneut ein Urteil gegen einen 48-Jährigen...

Monatelang gilt der 28-jährige Brasilianer 2019 als vermisst. Seine Leiche wird schließlich in einer Wohnung in Hamburg-Neustadt entdeckt - sie liegt im Gästezimmer unter einer Matratze, mit Sand bedeckt und Säcken umhüllt. Die Verwesung ist weit fortgeschritten. Was war geschehen? Dieser Frage mussten die Richter in einem zweiten Prozess vor dem Landgericht Hamburg noch einmal nachgehen. Sie verurteilten einen 48-Jährigen erneut zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe wegen Mordes und weiterer Taten.

Auch wenn die Leiche schon verwest gewesen sei, habe der Tatablauf rekonstruiert werden können, sagte die Vorsitzende Richterin Jessica Koerner am Montag. Der voll schuldfähige Angeklagte werde zudem wegen versuchtem schweren sexuellen Missbrauchs verurteilt. Der Gesichtsausdruck des Alten- und Krankenpflegers verriet keine Gefühle während des Richterspruchs, der noch nicht rechtskräftig ist.

Der Brasilianer hatte seit 2016 in Deutschland gelebt und bei einem IT-Dienstleister gearbeitet. Mehrere Menschen hatten den Mann Ende September 2019 als vermisst gemeldet und ihn mit Plakaten gesucht. Auch die Polizei hatte Ende 2019 öffentlich mit einem Foto nach dem Vermissten gefahndet.

Täter und Opfer hatten sich einige Tage vor dem Verbrechen zufällig an einer Pizzeria nahe der Reeperbahn kennengelernt. Der Angeklagte habe gewusst, dass sein neuer Bekannter sich für Frauen interessierte, doch das habe ihn nicht gestört, sagte Koerner. Sein Ziel - Sex mit dem Brasilianer - habe er erreichen wollen, indem er sein Opfer nach einer Geburtstagsparty mit in seine Wohnung nahm und mit Drogen handlungsunfähig machte.

Der Italiener war wegen der Tat bereits 2021 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hob die Verurteilung wegen Mordes jedoch 2022 auf und verwies den Fall an eine andere Schwurgerichtskammer. Die Verurteilung wegen Mordes sei unzureichend begründet, meinten die Bundesrichter. Weil die Todesursache aufgrund der fortgeschrittenen Verwesung nicht mehr feststellbar war, ging das Landgericht damals von drei verschiedenen Tatvarianten aus. Demnach starb der Brasilianer entweder durch die Drogen oder das Zudrücken seines Mundes oder durch andere körperliche Gewalt.

Der neue Prozess begann im Januar. Die neue Kammer sah folgenden Tatablauf als erwiesen an: Als der Brasilianer im Schlafzimmer entsetzt und verzweifelt realisiert habe, was mit ihm geschah, habe er geschrien. Der Angeklagte habe sein Opfer daraufhin mit einem Bettbezug erstickt. «Die Tötung erfolgte, um die Entdeckung seiner Tat zu verhindern», sagte Koerner.

Nach Überzeugung des Landgerichts im ersten Prozess hatte der HIV-positive Angeklagte bereits 2018 bei einer Party einem Bekannten ein Getränk mit K.o.-Tropfen gegeben, den Bewusstlosen vergewaltigt und davon Fotos und Videos gemacht. Später versuchte er, sein Opfer damit zu weiteren sexuellen Handlungen zu erpressen. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Feststellungen zu dieser Tat, die auch im zweiten Prozess in die Gesamtfreiheitsstrafe miteinbezogen wurde. In den Verfahren kamen auch weitere Vorfälle nach ähnlichem Muster zur Sprache, bei denen die Opfer aber aus Scham keine Anzeige erstattet hatten.

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer beantragt, den Angeklagten zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe zu verurteilen. Die Nebenklage schloss sich dem an. Die Verteidigung forderte, den Mann vom Vorwurf des Mordes freizusprechen, so dass nur wegen der bereits abgeurteilten Taten eine neue Gesamtstrafe zu bilden wäre.

In dem neuen Prozess hatte der Angeklagte nach Angaben der Richter geschwiegen. In früheren Aussagen zur Tatnacht hatte er sich als Opfer dargestellt. Nicht er habe seinen Gast sexuell bedrängt - es sei umgekehrt gewesen. Es sei zu einem Handgemenge gekommen. Irgendwann sei der Brasilianer schlagartig ruhiger geworden und auf dem Bett eingeschlafen. Am nächsten Morgen sei er tot gewesen. «Absurd und lebensfremd», nannte die Vorsitzende Richterin diese Version des Angeklagten. «Er verstrickte sich nahezu bei jedem Detail in Widersprüche.»

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