Hamburger Flughafen

Ex-Frau des Flughafen-Geiselnehmers: Er dreht manchmal durch

Ex-Frau des Flughafen-Geiselnehmers: Er dreht manchmal durch

Ex-Frau des Flughafen-Geiselnehmers: Er dreht manchmal durch

dpa
Hamburg
Zuletzt aktualisiert um:
Im Prozess gegen den Hamburger Flughafen-Geiselnehmer sitzt der Angeklagte im Landgericht im Sitzungssaal. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Ein Mann entführt seine eigene Tochter und droht, sich mit ihr auf dem Hamburger Flughafen in die Luft zu sprengen. Im Prozess gegen den 35-Jährigen sagt nun die Mutter des Kindes aus - unter Tränen.

Im Prozess gegen den Hamburger Flughafen-Geiselnehmer hat dessen Ex-Frau den Angeklagten als aufbrausend und aggressiv beschrieben. Schon vor der Geiselnahme im November vergangenen Jahres, mit der der 35-jährige Türke die Ausreise mit der gemeinsamen Tochter in einem Flugzeug in die Türkei erzwingen wollte, habe er das Kind als Druckmittel gegen sie eingesetzt, sagte die 39-jährige Mutter am Mittwoch bei der Verhandlung vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg, der sie per Video zugeschaltet war.

Am 4. November vergangenen Jahres habe der 35-Jährige sich mit einem Trick Zugang zu ihrer Wohnung im niedersächsischen Stade verschafft, sie mit einer Waffe bedroht und das damals 4 Jahre alte Kind in seine Gewalt gebracht. «Ich hätte vorsichtiger sein müssen», sagte die Frau unter Tränen.

Anschließend war der Mann mit dem Kind zum Hamburger Flughafen gefahren, hatte mit einem Mietauto mehrere Schranken durchbrochen und war bis aufs Flugfeld vorgedrungen. Dort warf er laut Anklage zwei Brandsätze, schoss dreimal in die Luft und drohte, sich und das Kind mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft zu sprengen. Erst nach 18 Stunden gab der 35-Jährige auf und konnte festgenommen werden. Der vermeintliche Sprengstoffgürtel erwies sich als Attrappe.

Sie habe den Angeklagten 2017 im Internet kennengelernt, sagte die in Hamburg geborene Frau mit türkischen Wurzeln - in einer «Kennenlerngruppe auf Facebook». Kurze Zeit später hätten sie in Istanbul geheiratet. Ihren Familien hätten sie die Heirat zunächst verheimlicht. Auf die Frage des Richters, warum sie so schnell geheiratet hätten, antwortete sie achselzuckend: «Liebe?» In der Anfangsphase habe ihr Mann «eine sehr hilfsbereite Art gehabt - sehr liebevoll».

Das gemeinsame Kind sei gewünscht gewesen, auch um den Aufenthalt des Vaters in Deutschland zu erleichtern. Um schwanger zu werden, sei sie zunächst zu ihrem Mann in die Türkei gereist. Später sei er zu ihr nach Hamburg gekommen, zunächst mit einem Touristenvisum. «Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass er manchmal durchdrehte.» Kleinste Anlässe hätten ausgereicht. Auch «die häusliche Gewalt hat zugenommen», sagte die 39-Jährige.

Nach der Geburt der Tochter sei für kurze Zeit alles harmonisch verlaufen, dann hätten die Streitigkeiten aber schnell zugenommen. Auch von Trennung sei die Rede gewesen. Dennoch habe sie die Beziehung zunächst aufrechterhalten. Gemeinsam habe man sich für den Umzug in eine größere Wohnung in Stade entschieden. «Ich wollte die Familie nicht kaputt machen», sagte die Frau. «Ich wollte, dass meine Tochter mit ihrem Vater aufwächst, und habe deshalb alles ausgehalten.»

Immer wieder habe der Angeklagte im Streit damit gedroht, ihr das Kind wegzunehmen, sagte sie. «Ich habe Dir das Kind gegeben, ich kann es Dir auch wieder wegnehmen», soll er gesagt haben. Schließlich sei er dann mit dem Kind heimlich in die Türkei ausgereist. Obwohl ihr ein türkisches Gericht das vorläufige Sorgerecht zuerkannt habe, habe ihr Mann das Kind zunächst nicht herausgegeben. Erst nach Wochen sei es ihr gelungen, die Tochter wieder an sich zu nehmen und zurück nach Deutschland zu bringen.

Der Angeklagte verfolgte die Aussage seiner Ex-Frau in weiten Teilen regungslos. Erst als sie beschrieb, dass sie «auf gute Ehefrau machen» musste, um in der Türkei wieder an ihr Kind zu kommen, dass sie in seine Wohnung gezogen und es dabei auch zu Geschlechtsverkehr gekommen sei, riss er sich wütend die Kopfhörer herunter, über die er die Übersetzung der Aussage auf Türkisch verfolgte. Nach einer Ermahnung des Richters setzte er sie wieder auf.

Die Scheidung von ihrem Mann sei erst einen Monat vor der Geiselnahme am Hamburger Flughafen durch gewesen, sagte die Frau. Nach der Tat seien sie und ihre Tochter wegen der psychischen Belastung zunächst in einem Krankenhaus behandelt worden. Auch heute noch sei sie in Behandlung und nehme Beruhigungsmittel.

«Gegenüber meiner Tochter fühle ich mich sehr schuldig, weil ich sie nicht beschützt habe.» Wie es ihr heute gehe und wie sie sich fühle, wollte eine Gutachterin von der Zeugin wissen. «Ich habe schon Angst, wenn er rauskommt», antwortete sie.

Ihrem Ex-Mann droht eine langjährige Haftstrafe. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Geiselnahme, die Entziehung Minderjähriger, vorsätzliche Körperverletzung und verschiedene Waffendelikte vor.

Mehr lesen