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Geldwäscheprozess: Anwälte sehen Corona-Gefahr

Geldwäscheprozess: Anwälte sehen Corona-Gefahr

Geldwäscheprozess: Anwälte sehen Corona-Gefahr

dpa
Hamburg
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In Hamburg hat der Prozess um mutmaßliche Geldwäsche in Millionenhöhe begonnen. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa Pool/dpa

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Drogenhändler müssen nicht nur Rauschgift, sondern auch viel Geld weltweit transportieren. Ein älteres Hamburger Ehepaar und dessen Söhne sollen beim Finanztransfer geholfen haben. Die insgesamt acht Angeklagten bringen die Justiz an ihre Corona-bedingten Grenzen.

Ein Prozess um mutmaßliche Geldwäsche von fast acht Millionen Euro hat mit einer Kraftprobe zwischen Strafkammer und Verteidigung am Landgericht Hamburg begonnen. Die Verteidiger wandten sich am Mittwoch mit mehreren Anträgen gegen die nach ihrer Ansicht unzureichenden Corona-Schutzmaßnahmen. Die Kammer wies jedoch alle Anträge zurück. «Sie haben Gelegenheit, Befangenheitsanträge zu stellen», sagte der Vorsitzende Richter Malte Hansen - und ließ die Anklage verlesen.

Demnach sollen sich die acht Beschuldigten der gewerbs- und bandenmäßigen Geldwäsche in bis zu 62 Fällen schuldig gemacht haben. Sie sollen zwischen September 2019 und Juli 2020 hohe Bargeldbeträge ins Ausland geschafft haben, insgesamt 7 888 650 Euro. Das Geld stammte der Anklage zufolge aus Drogengeschäften. Die Hauptbeschuldigten sind ein Ehepaar im Alter von 69 und 70 Jahren und dessen 36- und 42-jährige Söhne. Der 69-Jährige und die 70-Jährige betrieben einen An- und Verkauf für Gold und ein Pfandleihhaus.

Sie sollen zum Teil sechsstellige Summen in speziell präparierte Koffer mit Geldverstecken verpackt haben. Die vier Mitangeklagten brachten die Koffer laut Anklage meist nach Spanien, wofür sie einen Lohn von bis zu 1000 Euro plus Flugticket und Spesen bekamen. Ein Teil des Geldes soll auch über das sogenannte Hawala-Banking transferiert worden sein, wobei der eingezahlte Betrag von einem Gewährsmann im Zielland direkt ausgezahlt wird.

Alle acht Angeklagten sitzen in Untersuchungshaft, das ältere Ehepaar schon seit gut neun Monaten. In der Regel müssen Beschuldigte, die sich in Haft befinden, nach sechs Monaten vor Gericht kommen.

Jeder der Angeklagten hat zwei Pflichtverteidiger, einer der Beschuldigten hat sogar drei Anwälte. Sie müssen grundsätzlich an jedem der mehr als 30 geplanten Verhandlungstermine anwesend sein, ebenso wie je ein Justizbeamter pro Angeklagtem. Die Verteidiger des 69-Jährigen kritisierte, die Anwesenheit von bis zu 47 Prozessbeteiligten gefährde die Gesundheit ihres herzkranken Mandanten. Anwalt Arne Timmermann forderte, den Prozess zu unterbrechen und in einen größeren Saal, möglicherweise außerhalb des Strafjustizgebäudes, zu verlegen. Er befürchte, dass die Hauptverhandlung sonst zu einem Superspreader-Event werde. Dem Antrag schlossen sich mehrere andere Verteidiger an.

Der Vorsitzende Richter verwies in seiner Ablehnung auf die Einhaltung der Corona-Richtlinien der Justizbehörde, es sei für Plexiglaswände, Abstände, Masken, Lüftung und CO2-Messgeräte gesorgt. Eine Fachkraft für Arbeitsschutz habe den Saal nach den Richtlinien des arbeitsmedizinischen Dienstes geprüft, erklärte ein Gerichtssprecher am Rande der Verhandlung. Der Prozess finde in dem mit Abstand größten Raum des Strafjustizgebäudes statt. Der Saal verfüge über 45 Sprechanlagen.

Im Unterschied zu den Verteidigern hielt Hansen auch die Öffentlichkeit des Prozesses für gewährleistet. Timmermann hatte moniert, dass nur vier Pressevertreter und vier Zuschauer zugelassen wurden. Auch sein Einwand, die Verteidiger hätten nicht genügend Zeit zur Vorbereitung bekommen, wurde vom Gericht zurückgewiesen.

Zu den Beweismitteln gehören nach Angaben von Timmermann Videoaufzeichnungen mit einem Datenvolumen von 6,4 Terabyte. Dabei geht es nach Angaben des Gerichtssprechers vor allem um die Überwachung der Wohnung im Stadtteil Poppenbüttel. Ausgangspunkt der Ermittlungen seien konventionelle Maßnahmen wie Telefon- und Fahrzeuginnenraumüberwachung gewesen. In Frankreich entschlüsselte Daten von Encrochat-Handys hätten aus Sicht der Staatsanwaltschaft ermöglicht, einen Nickname (Pseudonym) dem 42-Jährigen Sohn des Ehepaars zuzuordnen.

(HINWEIS: Wiederholung der Meldung vom 5. Mai 2021. In der vorherigen Version wurde ein Foto verwendet, das aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen zurückgezogen werden musste.)

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