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Hamburg zieht die Notbremse: Wieder strengere Kontaktregeln

Hamburg zieht die Notbremse: Wieder strengere Kontaktregeln

Hamburg zieht die Notbremse: Wieder strengere Kontaktregeln

dpa
Hamburg (dpa/lno) -
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Testsets mit Abstrichstäbchen liegen in einem Testzentrum für Corona-Verdachtsfälle. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

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Es hatte sich bereits angebahnt und ist nun amtlich: Wegen der seit drei Tagen über 100 liegenden Sieben-Tage-Inzidenz zieht Hamburg Konsequenzen. Das hat für Bürger und beispielsweise den Einzelhandel wieder einige unliebsame Folgen im Alltag.

Hamburg zieht die Corona-«Notbremse»: Da die Sieben-Tage-Inzidenz seit drei Tagen über 100 liegt, hat der Senat die erst Anfang vergangener Woche vollzogenen Öffnungsschritte wieder rückgängig gemacht. Damit dürfen unter anderem Geschäfte Waren nur noch zum Abholen bereitstellen und jeweils nur noch eine Person einen fremden Hausstand besuchen.

«Die Regelung gilt direkt ab Samstag», sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Freitag. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) kündigte nach der Empfehlung der Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) an, den Impfstoff von Astrazeneca kommende Woche wieder zu nutzen. «Wir werden mit Eingang der aktuellen Astrazeneca-Lieferung, die uns vermutlich am Montag erreicht, ganz planmäßig diesen Impfstoff wieder einsetzen.» Dann würden auch neue Impftermine vergeben.

Nach Angaben der Gesundheitsbehörde stieg die Zahl der registrierten Neuinfektionen am Freitag um 400. Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Infektionen pro 100 000 Einwohner und Woche, kletterte auf 108,6; am Donnerstag lag sie bei 105,4, am Mittwoch bei 100,9. «Die dritte Welle ist nicht nur da, sie ist stark», sagte Tschentscher. Auch wenn das Robert Koch-Institut für Hamburg noch eine Sieben-Tage-Inzidenz von 91 melde, wiesen eigene Daten auf eine höhere Inzidenz und zwängen zum Handeln.

Museen, Galerien, Zoos und botanische Gärten müssten daher wieder schließen, der Einzelhandel müsse auf «Click & Collect» umstellen. «Kein Terminshopping mehr», sagte Tschentscher. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Kinder bis 14 Jahre nicht von den Kontaktbeschränkungen betroffen seien. Sie dürften zudem in Gruppen bis zu zehn Jungen und Mädchen im Freien Sport betreiben. Hamburg folge damit exakt dem jüngsten Beschluss von Bund und Ländern zum Vorgehen beim dreitägigen Überschreiten der 100er-Inzidenz.

Acht Bundesländer haben Tschentscher zufolge noch höhere Inzidenzwerte als Hamburg. Er führte das auch darauf zurück, dass die Inzidenz-Grenze, ab der Schritte unternommen werden müssen, von 35 auf 50 angehoben wurde. Das habe in der Wirkung dazu geführt, «dass sofort große Öffnungsschritte in vielen Ländern und Landkreisen vorgenommen wurden». Dabei sei damals schon klar gewesen, dass man am Anfang einer von Virusmutationen bestimmten dritten Welle stehe. «Vor allem die Situation im Einzelhandel hat zu viel Shopping-Tourismus geführt.» Dabei sei Mobilität ein wesentlicher Pandemie-Faktor.

Mit Blick auf die nächste Gesprächsrunde der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zum weiteren Vorgehen in der Corona-Krise sagte Tschentscher: «Ich werde mich am Montag dafür aussprechen, dass wir keine weiteren Lockerungsschritte vornehmen und werde dafür plädieren, dass alle Länder die beschlossenen Regelungen zur Notbremse konsequent umsetzen.» Das betreffe auch den Tourismus über die Ostertage. «Wir haben zu frühe, zu große Schritte gemacht. Wir sind jetzt in einer schwierigeren Lage als noch vor zwei Wochen.» Entsprechend skeptisch zeigte sich der Regierungschef mit Blick auf Forderungen nach Sonderregelungen für den Ostertourismus.

Wegen der am Montag eingelegten Impfpause beim Vakzin von Astrazeneca mussten nach Angaben von Sozialsenatorin Leonhard fast keine Impftermine abgesagt werden. Durch die Erweiterung des Zweitimpfungs-Rhythmus bei Biontach/Pfizer von drei auf Sechs Wochen und einer überraschend doch eingetroffenen Moderna-Lieferung hätten mehr als 23 000 Termine umgeplant werden können. Die Folge: «Wir haben in Hamburg in den vergangenen fünf Tagen 18 000 Impfungen durchgeführt und insgesamt sind seit Start der Impfkampagne 160 000 Menschen erstgeimpft worden», sagte Leonhard.

Da die EMA nun ihre Haltung erneuert hat, dass der Nutzen des Impfstoffs von Astrazeneca die Risiken übersteigt, wird Hamburg das Impfen mit dem Vakzin am Montag wieder aufnehmen, wie Leonhard ankündigte. In den kommenden Tagen werde auch begonnen, weitere Gruppen zu den Impfungen einzuladen. «Das betrifft insbesondere die über 70-Jährigen, die jahrgangsweise von uns Post bekommen.» Zudem solle möglichst rasch das Impfen durch Hausärzte ermöglicht werden - sofern ausreichend Impfstoff vorhanden sei. Für die Woche nach Ostern sei die Lieferung von insgesamt 50 000 Impfdosen aller Hersteller zugesichert worden.

Eine Eingrenzung des Infektionsgeschehens auf einzelne Bezirke oder Stadtteile ist laut Leonhard nicht möglich. «Die Infektionen (...) gehen viel seltener auf den Wohnort zurück als auf den eigentlich Arbeits-, Aufenhalts- und Aktionsort.» Beispielsweise arbeiteten viele Bewohner des stark betroffenen Bezirks Harburg nicht dort, sondern an anderen Orten der Stadt. Zudem seien viele von ihnen in Berufen beschäftigt, wo sie überdurchschnittlich stark exponiert seien, etwa im Einzelhandel, in der Pflege oder bei Reinigungsdiensten.

Schulen und Kitas sind von den Einschränkungen vorerst nicht betroffen, allerdings soll von kommender Woche an jeder Schüler einmal und jeder Schulbeschäftigte dreimal pro Woche getestet werden. «Wir haben jetzt insgesamt 480 000 Selbst-Schnelltests an die Hamburger Schulen ausgeliefert - genug, um umfangreiche Testungen in den nächsten Wochen zu ermöglichen», erklärte Schulsenator Ties Rabe (SPD). Pilotversuche in dieser Woche mit mehr als 20 000 Selbst-Testungen bei Schulbeschäftigten hätten gezeigt, dass der Test auch von Laien einfach und unkompliziert anwendbar sei.

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