2. Bundesliga

HSV-Präsident Jansen darf vorerst weitermachen

HSV-Präsident Jansen darf vorerst weitermachen

HSV-Präsident Jansen darf vorerst weitermachen

dpa
Hamburg (dpa/lno) -
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Präsident Hamburger Sportverein e.V. und Aufsichtsrat der HSV Fußball AG Marcell Jansen hält seine Stimmkarte bei einer Abstimmung auf der Mitgliederversammlung. Foto: Christian Charisius/dpa

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Die Mitglieder des Hamburger SV haben Ex-Nationalspieler Marcell Jansen nicht vom Platz gestellt. Zwei Abwahlanträge scheitern. Die Kritik an ihm ist dennoch deutlich. Hat er sie verstanden?

Die Rote Karte mochten die Mitglieder des Hamburger SV Marcell Jansen nicht zeigen. Stattdessen zogen sie auf der Versammlung des Fußball-Zweitligisten die Gelbe Karte gegen ihren Club-Präsidenten. Und der frühere Nationalspieler gab sich am Samstag sichtlich Mühe, zu vermitteln, er habe die Botschaft verstanden.

«Ich habe einen großen Vorteil als ehemaliger Leistungssportler», sagte der 37-Jährige nach der mehr als sieben Stunden langen Veranstaltung im Saal 1 des CCH. «Ich glaube, in deinem Sport entwickelst du dich nicht weiter, wenn du sagst, du machst immer alles richtig. Selbstreflexion und Selbstkritik gehören immer dazu.»

Zwei Abwahlanträge gegen ihn hatten den Mitgliedern vorgelegen. Beide Anträge verpassten die erforderliche Zweidrittelmehrheit deutlicher als erwartet. 73,43 Prozent (467 Stimmen) hatten die zusammengeführten Anträge abgelehnt, 26,57 Prozent (169) der anwesenden Mitglieder stimmten für Jansens Absetzung. Im Vorfeld hatte er angekündigt, schon bei einer einfachen Mehrheit für die Anträge sich freiwillig zurückzuziehen. Als das Ergebnis bekannt gegeben wurde, gab es Standing Ovations von den Mitgliedern. Jansen selbst verzichtete wohlweislich auf Jubelgesten. Sie wären auch unangebracht gewesen. «Ich bedanke mich für die Klarheit. Für uns, nicht für mich persönlich. Ich kann mich nur bedanken», sagte er unmittelbar nach Bekanntgabe des Resultats. «Wir haben Großes vor uns. Lasst uns weiter gemeinsam den Weg weitergehen.» In einer Presserunde räumte er später aber ein: «Es hätte heute auch anders sein können.»

Dass Jansen im Verein kritisch betrachtet wird, wurde in der fast zweistündigen - phasenweise emotionalen - Aussprache vor der Abstimmung deutlich. Dabei richtete sich die Kritik weniger an den Präsidenten Jansen als vielmehr an seine Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender der Fußball AG.

Die beiden Antragssteller Till Hischemöller und Ulrich Becker wurden in ihren Begründungen deutlich, sprachen im Zusammenhang mit Jansen von «Versagen» und «Überforderung». Er sei «nicht die Führungspersönlichkeit, die der Verein braucht», meinte Jurist Hischemöller.

Vor allem der zögerliche Umgang mit dem umstrittenen und im September nach fast zehn Monaten zurückgetretenen Finanzvorstand Thomas Wüstefeld wurde Jansen vorgeworfen. Ebenso seine unklare Haltung zur 120-Millionen-Offerte von Investor Klaus-Michael Kühne. Zudem trage er die Verantwortung, dass das Präsidium und der AG-Aufsichtsrat angeblich zerstritten seien, die mächtige und mitgliederstärkste HSV-Abteilung «Supporters Club» ihn ablehne.

Etliche Redner teilten die in den Anträgen aufgeführten Kritikpunkte, doch die Mehrheit sprach sich zugleich für einen Verbleib des früheren Bundesliga-Profis an der Spitze aus. «Was auch klar wurde, dass es Menschen gibt, und zwar viele, die Verständnis für die Komplexität haben», bewertete Jansen die Diskussion. «Denn meine Aufgabe ist es nicht, der Erste zu sein, der den Finger richtet. Aber natürlich und ganz klar sind auch Fehler passiert, die man hätte besser lösen können.» Es gebe jedoch auch Themen und Zusammenhänge, «die dann manchmal nicht so trivial sind».

Jansen darf also weitermachen. Allerdings wohl in anderer Form als bisher: Die Frage, ob er weiter Aufsichtsratsvorsitzender bleiben wolle, ließ er jedenfalls offen. «Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich nicht nach dem einen oder anderen Amt gesprungen bin», meinte er. Es werde nach der Hauptversammlung der AG am 2. Februar mit dem neuen Aufsichtsrat geschaut, was die Schwerpunkte der Arbeit seien. «Danach werden wir uns natürlich auch ausrichten. Da ist noch gar nichts gesetzt.»

Der ehemalige Nationalspieler steht seit 2019 an der Spitze des Traditionsvereins. Anfang 2021 war er nach einem Streit mit seinen damaligen Stellvertretern Thomas Schulz und Moritz Schaefer zurückgetreten. Im August desselben Jahres wurde er wiedergewählt, an seiner Seite nun die beiden Vizepräsidenten Michael Papenfuß und Bernd Wehmeyer. Jansens Amtszeit läuft bis 2025.

Die Personalie Jansen überdeckte die Versammlung und eine eigentlich insgesamt positive Bilanz des Clubs. So hat der HSV e.V. erstmals mehr als 90.000 Mitglieder. Die Fußball AG erzielte im vergangenen Geschäftsjahr erstmals seit elf Jahren ein positives Ergebnis von etwa einer Million Euro, wie der neue Finanzvorstand Eric Huwer in seiner Rede betonte. Auch dank des enormen Zuschauerzuspruchs in der 2. Bundesliga.

Dazu kommt die finanziell gesicherte Modernisierungsmaßnahme des Volksparkstadions im Hinblick auf die EM 2024 sowie die neuen Verträge mit Sportvorstand Jonas Boldt, Finanzvorstand Huwer und Trainer Tim Walter. Im Mai soll dann noch das große Ziel erreicht werden: die Bundesliga-Rückkehr. Ein weiterer Schritt soll zum Rückrundenauftakt am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) gegen Eintracht Braunschweig erfolgen. Jansen hofft auf einen «geilen Anfang» und sicherlich auch darauf, dass auf die negativen Schlagzeilen gegen ihn wieder positive über die Mannschaft folgen.

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