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Kommunalwahl stellt Bürgermeister vor neue Herausforderungen

Kommunalwahl stellt Bürgermeister vor neue Herausforderungen

Kommunalwahl stellt Bürgermeister vor neue Herausforderungen

dpa
Kiel (dpa/lno) -
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Daniel Günther (CDU, r), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, gibt zur Kommunalwahl in Schleswig-Holstein an seinem Wohnort seine Stimme ab. Foto: Frank Molter/dpa

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«Rote» Oberbürgermeister mit geschwächten Fraktionen im Stadtparlament - die Kommunalwahl im Norden hat einiges verändert. Im praktischen Verwaltungshandeln dürfte einiges schwieriger werden. Doch ein Spitzenakteur schaut schon viel weiter...

Nach der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein müssen die Oberbürgermeister großer Städte mit neuen Kräfteverhältnissen in den Ratsversammlungen klarkommen. In Kiel und Lübeck trifft dies die SPD-Verwaltungschefs Ulf Kämpfer und Jan Lindenau - in ihren Städten sind die Sozialdemokraten nicht mehr die Nr. 1, sondern Grüne beziehungsweise CDU.

In Flensburg hat es der parteilose Oberbürgermeister Fabian Geyer nunmehr mit dem SSW als stärkster Kraft zu tun, in Neumünster SPD-OB Tobias Bergmann weiterhin mit der CDU.

Die SPD hat sich landesweit mit 19,4 Prozent zwar hinter der CDU von Ministerpräsident Daniel Günther (33,8 Prozent) und vor den Grünen (17,7) auf Platz zwei behauptet und damit ihr Ergebnis von der Landtagswahl 2022 (16,0) verbessert. Aber die Verluste in großen Städten schmerzen sehr. Dass die SPD in Günthers Wohnort Eckernförde vorne lag, betonen die Genossen zwar bei jeder Gelegenheit, ist aber kaum mehr als ein Trostpflaster. In Flensburg rutschte die SPD sogar auf Rang vier ab.

Trotz allem steht die Landesvorsitzende Serpil Midyatli aktuell nicht zur Disposition, wenn auch anhaltend in der Kritik. Bei ihrer Wiederwahl hatte sie Anfang Februar - ohne Gegenkandidaten - nur 65 Prozent geholt. Landtagsfraktionschef Thomas Losse-Müller betont, Fraktionsspitze und Landesparteiführung zögen an einem Strang. «Wir müssen dicke Bretter bohren und das Vertrauen der Menschen wiedergewinnen, für die wir Politik machen», sagte er am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Dabei müsse die Nord-SPD klare Kante zeigen, «notfalls auch gegen die Bundespartei».

In Kiel sei passiert, was in Frankfurt/Main, München, Bonn, Münster oder Köln schon vor einiger Zeit geschehen sei - dass die SPD hinter Grüne und CDU rutschte, sagt Oberbürgermeister Kämpfer. «Da muss man sich überlegen, ob das etwas strukturell Gesellschaftliches ist, dass in modernen Großstädten mit starken Universitäten einfach im Moment die Grünen top sind oder ob es da eine Strategie auch für die SPD gibt, wie man dem entgegenwirkt und als SPD wieder um Platz eins mitspielen kann.»

Im Übrigen seien die Sozialdemokraten weiterhin in mehr und breiteren gesellschaftlichen Milieus verankert als die Grünen. Mit denen hat die SPD in Kiel auch bisher kooperiert, und diese Möglichkeit sieht Kämpfer auch künftig - nur eben mit verschobenen Kräfteverhältnissen zugunsten der Grünen. «Das war bisher nach meinem Empfinden eine Kooperation auf Augenhöhe, und wenn beide Partner weiter dazu bereit sind, dann könnte man konstruktiv und erfolgreich wie in der Vergangenheit zusammenarbeiten.»

Dass die SPD jetzt personelle Konsequenzen an der Parteispitze aus dem Abschneiden bei der Kommunalwahl ziehen müsste, sieht Kämpfer nicht. Er ist auch Landesparteivize und gilt als möglicher Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2027. «Wir haben ja nun den absoluten Tiefschlag letztes Jahr gehabt zur Landtagswahl», sagt Kämpfer und blickt nach vorn: «Man muss daran basteln, dass es auf Landesebene irgendwann auch wieder eine Mitte-Links-Mehrheit gibt, wie sie es mit der Küstenkoalition ja gab 2012 bis 2017». Damals regierten SPD, Grüne und SSW gemeinsam.

«Vier Jahre reichen dicke aus, um eine neue Mehrheit hinzubekommen», sagt Kämpfer. Das sei natürlich ehrgeizig. «Zunächst in einem ersten Schritt muss es für uns darum gehen, vor den Grünen zu bleiben und dann eine Koalition jenseits der CDU zu schmieden.» In seine Überlegungen schließt Kämpfer auch die FDP ein. «Insofern gibt es da, glaube ich, vier Parteien im Landtag, die sich auch was Anderes als eine CDU-geführte Landesregierung vorstellen können.»

Die FDP landete zur Kommunalwahl bei 6,8 Prozent und der SSW bei 4,4 Prozent. Die bei der Landtagswahl 2022 an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiterte AfD holte 8,1 Prozent - was den anderen Parteien Sorgen bereitet. Gerade in Krisenzeiten müsse Politik mehr Verlässlichkeit und Planbarkeit bieten, sagte Ministerpräsident Günther. «Das vermissen offenkundig viele Menschen bei der derzeitigen Bundesregierung.» Deshalb habe die Bundespolitik Auswirkungen auf das landesweite Ergebnis gehabt.

«Die Krise der SPD im Land geht weiter», sagte der Politikwissenschaftler Wilhelm Knelangen der dpa. «Die Partei erscheint mir eingezwängt zwischen den Grünen und ihrer Klimaprogrammatik und der CDU, die diesen Weg kritisch sieht.» Für die Wählerschaft sei nicht klar, wer die Partei eigentlich führt. Die SPD halte diese Frage zwischen der Landesvorsitzenden Serpil Midyatli, Fraktionschef Thomas Losse-Müller und dem Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer offen. «Das ist aus Landessicht verständlich, macht es aber den Wahlkämpfern vor Ort nicht leichter.»

Besonders auffällig ist für Knelangen das starke Abschneiden des SSW. Der Partei gelinge es immer besser, sich als Alternative für linksliberale Wählerinnen und Wähler zu platzieren, auch wenn sie mit der dänischen und friesischen Minderheit nichts zu tun haben. Die AfD (8,1) habe Proteststimmen einsammeln können. Knelangen verwies auf Unmut bei Themen wie Energie und Migration oder auch über die Politik allgemein. «Das reicht, um in die Kreistage zu kommen, auch wenn die Kandidaten der Partei völlig unbeschriebene Blätter sind.»

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