Schleswig-Holstein & Hamburg

Landtag beschließt Haushalt: Eine Milliarde Neuverschuldung

Landtag beschließt Haushalt: Eine Milliarde Neuverschuldung

Landtag beschließt Haushalt: Eine Milliarde Neuverschuldung

dpa
Kiel (dpa/lno) -
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Schleswig-Holsteins Schuldenberg steigt um eine Milliardensumme. Koalition und Oppositionsfraktionen sehen dazu in der Corona-Krise keine Alternative. Ein radikaler Sparkurs wäre jetzt falsch, sagt Finanzministerin Heinold in der Haushaltsdebatte.

Schleswig-Holsteins Landeshaushalt für das laufende Jahr steht. Der Landtag verabschiedete den 14-Milliarden-Euro-Etat am Mittwoch mit den Stimmen der Jamaika-Koalition von CDU, Grünen und FDP sowie des SSW. Die SPD enthielt sich, weil das Gesamtpaket auch Initiativen von ihr beinhaltet, andere Vorschläge aber abgelehnt wurden. Die Vertreter der AfD stimmten mit Nein. Der Etat beinhaltet eine Milliarde Euro aus einem Corona-Notkredit von 5,5 Milliarden, den das Parlament 2020 mit den Stimmen der oppositionellen SPD und SSW für die nächsten Jahre beschlossen hatte.

Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) sprach von einem großartigen parlamentarischen Schulterschluss in schwerer Zeit. Deshalb trage der Haushalt nicht nur die Handschrift von Jamaika, sondern auch von SPD und SSW. Der Notkredit lege den Grundstein für Zukunftsgestaltung.

Ein radikaler Sparkurs in dieser Krise wäre der falsche Weg, sagte Heinold. Zum Notkredit hinzu kommen 262 Millionen Euro an konjunkturell bedingten Schulden und 287 Millionen an Altlasten aus der HSH Nordbank.

Die Investitionsquote beträgt 10,6 Prozent. Insgesamt beinhaltet der Haushalt laut Finanzministerium Ausgaben von 14,4 Milliarden Euro. Auf der anderen Seite stehen bereinigte Einnahmen von 12,8 Milliarden plus Rücklagenentnahmen von 1,3 Milliarden aus dem Notkredit und dem Investitionsprogramm «Impuls». Der Abstand zur Grenze in der Landesverfassung beträgt laut Heinold 22,5 Millionen Euro. Die Gesamtverschuldung steigt mit dem Etat auf 32,3 Milliarden Euro.

Trotz der Krisenbelastungen sind 800 neue Stellen vorgesehen, unter anderem für Bildung, Digitalisierung, Polizeinachwuchs und allgemeine Verwaltung. In vielen Bereichen ließen sich Verbesserungen nur mit mehr Personal erreichen, sagte CDU-Fraktionschef Tobias Koch.

Die Personalausgaben steigen auf knapp 4,83 Milliarden Euro. Wegen der Corona-Krise beschloss das Parlament den Haushalt erst jetzt und nicht wie sonst üblich im Dezember des Vorjahres.

Jamaika möge 2017 in einer Schönwetterzeit gestartet sein, sagte Heinold. Seit einem Jahr stelle das Bündnis aber täglich unter Beweis, dass es auch in stürmischen Zeiten voll navigationsfähig sei. Angesichts der großen Unsicherheit in dieser Zeit müsse das Land aktiv und entschlossen handeln.

Vom Notkredit fließt die Hälfte in die unmittelbare Bewältigung der Corona-Krise - in Infektions- und Gesundheitsschutz, Wirtschaft, Innovation, Klimaschutz, Kultur, Sport und Soziales. Fast 400 Millionen sind zur Abfederung von Steuermindereinnahmen bestimmt, 94 Millionen für Infrastrukturmaßnahmen und 83 Millionen für die Kommunen.

CDU-Fraktionschef Koch sagte, die Schuldenbremse sei weiter in Kraft, lasse aber Kreditaufnahmen unter bestimmten Bedingungen zu. Im Gegensatz zu einer früheren leichtfertigen Ausgabenpolitik halte das Land Maß und Mitte, betreibe keine Laissez-faire-Politik.

Die SPD trage die Grundlinie des Haushalts mit, sagte Fraktionschef Ralf Stegner. Viele positive Akzente hätte es ohne die SPD nicht gegeben, betonte er. Beispiele sind für Stegner ein Schulbaufonds, Hilfen für Innenstädte, ein Millionenfonds für bezahlbares Wohnen und zusätzliche Mittel für die Kurzzeitpflege. Die SPD hätte sich noch mehr Gemeinsamkeiten gewünscht, sagte Stegner. Hintergrund ist die Ablehnung weiterer Anträge der SPD durch Jamaika. Für die Abschaffung der Kita-Beiträge und die Übernahme der Kosten für Fahrten von Senioren zu Impfzentren sei kein Geld da, für Lastenfahrräder, die die Klientel der Grünen befriedigten, aber wohl, rügte Stegner.

«Kürzungen wären niemandem zu vermitteln», sagte Grünen-Fraktionsvize Lasse Petersdotter im Hinblick auf die Ausgaben. Der Staat müsse handlungsfähig bleiben. Auf die Frage, wo das Land dauerhaft Ausgaben senken könnte, fand Petersdotter keine Antwort. Jamaika habe einen klaren Kompass für Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung. Petersdotters vehemente Forderung nach einer Vermögensteuer wies Annabell Krämer vom Koalitionspartner FDP ebenso heftig zurück.

«Die Neuverschuldung, die wir heute beschließen werden, soll eine Ausnahme in der Krise bleiben», sagte FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. «Meine Fraktion bekennt sich ausdrücklich zur Schuldenbremse und zur Rückkehr zu Haushalten ohne Neuverschuldung in den nächsten Jahren.» Mehrere hundert neue Stellen in einem Jahr seien kein Pappenstiel, sagte Vogt. «Aber es geht in erster Linie um die vernünftige Erfüllung der Kernaufgaben des Landes.»

Über die Zustimmung zu mehreren Anträgen des SSW freute sich Fraktionschef Lars Harms. Beispiele seien Mittel für ein friesisches Kulturzentrum, für ein Zentrum für selbstbestimmtes Leben, digitale Suchtberatung und jüdisch-arabische Verständigung.

Kreditaufnahmen seien in diesem Jahr unausweichlich, an notwendigen Investitionen in die Infrastruktur dürfe nicht gespart werden, sagte Jörg Nobis von der AfD. Aber «Lieblingsprojekte der Öko-Bourgeoisie» gehörten auf den Prüfstand. Nobis forderte die Streichung von Mitteln für die Klimaschutz-, Tierschutz-, Asyl- und Flüchtlingspolitik.

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