Strafverfahren

Landtag zieht Schlussstrich unter Rocker-Ermittlungen

Landtag zieht Schlussstrich unter Rocker-Ermittlungen

Landtag zieht Schlussstrich unter Rocker-Ermittlungen

dpa
Kiel (dpa/lno) -
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Fehler ja, aber kein Netzwerk innerhalb der Polizeiführung: Knapp vier Jahre lang arbeitete der Landtag eine Affäre um frühere Ermittlungen der Polizei gegen Rocker auf. Nun haben die Abgeordneten ihre Arbeit beendet. Nicht in allem besteht Einigkeit.

Unterdrückung entlastender Hinweise im Strafverfahren gegen einen Rocker, Einflussnahme von oben und Mobbing – die im Frühjahr 2017 gegen Schleswig-Holsteins Polizei medial erhobenen Vorwürfe wogen schwer. Knapp fünf Jahre später und nach Vorlage eines mehr als 1000 Seiten umfassenden Abschlussberichts hat der Landtag nun den Schlussstrich unter den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dieser Affäre gezogen.

«Ja, es sind Fehler gemacht worden», sagte der Ausschussvorsitzende Tim Brockmann (CDU) am Donnerstag im Landtag. Es seien bei Ermittlungen 2010 aber keine Grenzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens überschritten worden. Keinem der Beteiligten könne die Hauptschuld gegeben werden. Brockmann verwies auf den damaligen Hintergrund, die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen im Norden, den sogenannten Rockerkrieg.

Was war passiert? Im Zuge der Ermittlungen nach einem Überfall unter Rockern in einem Schnellrestaurant in Neumünster 2010 eskalierte innerhalb der Ermittlungsbehörden ein Konflikt. Sieben Jahre später gelangte dieser durch die Hartnäckigkeit von zwei ehemaligen Ermittlern der Sonderkommission «Rocker», die damals gegen ihren Willen versetzt wurden, ins Visier der Öffentlichkeit. Sie hatten darauf bestanden, einen entlastenden Hinweis zu den Akten zu nehmen. Der Hinweis stammte von einem V-Mann-Führer und bezog sich auf einen damals in Untersuchungshaft sitzenden Tatverdächtigen.

Am Anfang habe der Verdacht gestanden, die Polizei habe die Verantwortung für den Umgang mit dem Hinweis getragen, sagte FDP-Obmann Jan Marcus Rossa. Das habe sich als falsch erwiesen. «Dass hier entlastende Hinweise nicht verschriftlicht wurden, hat ein Staatsanwalt entschieden.» Entlastende Umstände müssten Verteidigern stets zugänglich gemacht werden.

Für Grünen-Obmann Burkhard Peters ist das Kernproblem der Umgang mit Fehlern. Bereits wenige Stunden nach Veröffentlichung des Abschlussberichtes sei von interessierter Seite pauschal behauptet worden, in der Polizei sei schon im Mai 2017 alles aufgearbeitet gewesen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den über 1100 Seiten des Berichts könne in der Kürze der Zeit gar nicht erfolgt sein, schlussfolgert der Jurist. «Das ist die Fehlerumgangskultur der 20er Jahre - leider des letzten Jahrhunderts.»

Der Ausschuss kämpfte in den vergangenen Jahren mit teils bemerkenswerten Gedächtnislücken, unzureichenden Aussagegenehmigungen und widersprüchlichen Erinnerungen damaliger Beteiligter, führte aber bereits zu einem vorsichtigeren Umgang mit V-Leuten im Norden. Dafür gelten nun strengere Regeln.

In einer Stellungnahme zum Abschlussbericht kommt einer der beiden Ermittler zu dem Schluss: «Erste Erkenntnisse sind in Gesetzesänderungen eingeflossen und zumindest einige Missstände in Polizei und Justiz werden vom Parlament wohl erstmalig öffentlich benannt, ohne dabei die Institutionen vorzuführen.» Am Ende des Ausschusses blieben jedoch «viele Fragen und Enttäuschungen».

SPD-Obmann Kai Dolgner verwies darauf, dass CDU, SPD, GRÜNE und SSW in allen Punkten eine gemeinsame Bewertung der Vorgänge gefunden hätten. Der Ausschuss habe zudem einstimmig festgestellt, dass es keine Anhaltspunkte für ein Netzwerk innerhalb der Polizeiführung gab. Problematisch seien die Umstände des Verfahrens um den Angriff in Neumünster.

Dolgner zitierte dazu aus dem Bericht: «Der Fall stellt einen rechtsstaatlich bedenklichen Umgang mit Quellen und deren Informationen dar und zeigt zudem organisatorische Schwächen, Kompetenzüberschreitungen, Kommunikationsprobleme sowie strukturelle und persönliche Führungsmängel innerhalb des LKA und innerhalb der Staatsanwaltschaft Kiel auf.»

Besorgniserregend sei aus Sicht des Ausschusses, dass einige Beteiligte zur Verdeckung von Fehlern bereit gewesen seien, weitere Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundsätze zu akzeptieren. «Dagegen wurden Beamte, die auf eine Einhaltung der Verfahrensregeln bestanden, von ihren Vorgesetzten in rechtswidriger Weise an Zeugenaussagen gehindert, mit Disziplinarmaßnahmen bedroht und im weiteren Verlauf mit für sie nachteiligen dienstlichen Maßnahmen diszipliniert.»

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