Geschichte

Machbarkeitsstudie belegt: Neubau von Synagoge möglich

Machbarkeitsstudie belegt: Neubau von Synagoge möglich

Machbarkeitsstudie belegt: Neubau von Synagoge möglich

dpa
Hamburg (dpa/lno) -
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Philipp Stricharz, 1. Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hamburg, zeigt auf ein Foto der Synagoge. Foto: Christiane Bosch/dpa/Archivbild

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Sie galt als die größte Synagoge Norddeutschlands, ehe Nationalsozialisten sie während der Novemberpogrome 1938 anzündeten und abreißen ließen. 83 Jahre danach macht sich Hamburg nun daran, die Bornplatzsynagoge im Grindelviertel wieder aufz...

Der Erste Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Hamburg, Philipp Stricharz, ist sichtlich bewegt. «Dass wir heute die Machbarkeit des Wiederaufbaus der Bornplatzsynagoge verkünden, ist nichts anderes als sensationell.» Nicht, weil es technisch möglich ist, wie die am Dienstag vorgelegte Machbarkeitsstudie aufzeigt. «Das Sensationelle ist, dass ganz Hamburg es gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde will», sagt Stricharz.

Die ehedem prächtige Synagoge im Eimsbütteler Grindelviertel unweit der Universität war bei ihrer Einweihung 1906 das größte jüdische Gotteshaus in Norddeutschland, rund 20.000 Jüdinnen und Juden prägten damals das gesellschaftliche Leben der Hansestadt mit - bis die Nationalsozialisten die Synagoge während der Novemberpogrome 1938 schändeten und in Brand setzten. Ein Jahr später zwangen sie die Jüdische Gemeinde, die Synagoge auf eigene Kosten abzureißen. Das Grundstück wurde enteignet und teils mit einem Hochbunker überbaut.

Heute erinnert am Standort der Synagoge - dem heutigen Joseph-Carlebach-Platz - ein 1988 verlegtes Bodenmosaik, das den Grundriss des Gotteshauses nachzeichnet. Das religiöse Leben der Jüdischen Gemeinde mit ihren rund 2500 Mitgliedern spielt sich inzwischen vornehmlich in der 1960 eingeweihten Synagoge Hohe Weide im Stadtteil Harvestehude ab.

Doch das soll sich ändern. Die neue Synagoge soll erkennen lassen, «dass wir Juden an den Bornplatz zurückkehren und nicht erstmalig dort auftauchen», sagt Stricharz. Zusammen mit der auf dem Nachbargrundstück 1911 errichteten Talmud Tora Schule, die seit 2007 die Schule der Jüdischen Gemeinde Hamburg beherbergt, der Kita und der geplanten Bibliothek werde sich die gesamte Jüdische Gemeinde dort wieder ansiedeln. «Der Masterplan sieht neben der Errichtung der orthodoxen Synagoge auch die erste Errichtung einer liberalen Synagoge in Hamburg nach der Schoah vor.»

Jedes Hamburger Kind soll die neue Synagoge, die nach dem Willen der Jüdischen Gemeinde an ihr zerstörtes Vorbild heranreichen soll, einmal während seiner Schullaufbahn besuchen. Und auch sonst soll sich das Gotteshaus mit seinen 600 geplanten Plätzen offen und nahbar präsentieren. «Wir sind nicht naiv. Wir wissen, dass es immer Menschen geben wird, denen daran gelegen ist, dass jüdische Religion und jüdische Tradition sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen, die dafür sorgen, dass vor unseren Gebäuden Polizisten stehen müssen», sagt Stricharz.

Trotzdem soll es keine Zäune und Mauern geben. «Geprägt ist der Entwurf unter anderem dadurch, dass es verschiedene Öffentlichkeitsstufen gibt», sagt Stricharz. Es werde Flächen geben, die für jeden zugänglich seien, aber auch Flächen, «die man sehr schnell und sehr elegant und unkompliziert etwas weniger öffentlich machen kann». Entscheidend sei, dass in der Bevölkerung nicht der Eindruck entstehe: «Ihr kommt nicht an uns ran.»

Grundlage der Machbarkeitsstudie des Frankfurter Architekturbüros Wandel Lorch Götze Wach sind Beschlüsse des Deutschen Bundestags und der Hamburgischen Bürgerschaft aus dem Jahr 2020 und für die der Bund 600.000 Euro zur Verfügung gestellt hat. Ausgangspunkt waren fünf unterschiedliche Konzepte, die innerhalb eines Jahres in der Studie zusammengeführt worden sind, wie Architekt Wolfgang Lorch sagt. Daraus sei das Konsensmodell entstanden, dessen Kern der Neubau der Synagoge sei, der aber nur ein Teil des jüdischen Lebens sei, «das an diesem Ort entstehen wird».

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) spricht von einer Idee, die sehr große Unterstützung in der Stadt finde. «Ein solcher Neubau ist machbar. Das ist sehr gut.» Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit betont: «Das schmerzhafte Erinnern an die Zerstörung der Bornplatzsynagoge soll nicht vergessen werden, es muss präsent bleiben. Umso wichtiger ist es, dass endlich - nach 83 Jahren - wir diesen entscheidenden Schritt jetzt gehen.»

Über Kosten oder das konkrete Aussehen der künftigen Synagoge sagen die Beteiligten bislang nichts. Nun stehe zunächst ein Architekturwettbewerb an. «Wenn wir uns ranmachen, schaffen wir es im nächsten Jahr, dieser Synagoge eine überzeugende architektonische Anmutung zu geben», sagt Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing. Ob es dabei Herbst oder Winter werden müsse, «das gucken wir mal. Aber ich wäre da zuversichtlich».

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