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Maskengeschäft: Prozess um Steuerhinterziehung

Maskengeschäft: Prozess um Steuerhinterziehung

Maskengeschäft: Prozess um Steuerhinterziehung

dpa
Hamburg
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Ein Staatsanwalt steht vor einem Stapel Gerichtsakten. Foto: Christian Charisius/dpa/Symbolbild

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Im April 2020 will das Gesundheitsministerium ganz schnell große Mengen an Corona-Schutzmasken beschaffen. Ein Auftrag geht an einen Hamburger Autohandel. Die Ware wird geliefert, Millionenbeträge an Steuern aber angeblich nicht gezahlt. Jetzt verhandelt ein Gericht.

Bei Lieferungen von Corona-Schutzmasken an das Bundesgesundheitsministerium sollen vier Männer aus Hamburg mehrere Millionen Euro an Umsatzsteuer nicht ordnungsgemäß bezahlt haben. Die vier Angeklagten müssen sich seit Freitag vor dem Landgericht Hamburg wegen bandenmäßiger Steuerhinterziehung verantworten. Einem weiteren Angeklagten wird vorgeworfen, er habe als Steuerberater Beihilfe zu einer versuchten Steuerhinterziehung geleistet.

Laut Anklage sollen der 22 Jahre alte Inhaber eines Autohandels, sein 30 Jahre alter Bruder sowie dessen gleichaltriger Geschäftspartner mehr als 23 Millionen Atemschutzmasken an das Ministerium geliefert haben. Den Zuschlag für den Auftrag habe die Firma im April vergangenen Jahres bekommen. Das Bundesgesundheitsministerium habe 109 Millionen Euro gezahlt, davon 17 Millionen als Umsatzsteuer.

Von der Umsatzsteuer hätten die Angeklagten jeweils einen Monat nach Erhalt Vorsteuerbeträge an das Finanzamt Hamburg-Harburg abführen müssen, erklärte der Staatsanwalt. Dies hätten sie aber unterlassen und so insgesamt 4,5 Millionen Euro hinterzogen. Als die Angeklagten im April dieses Jahres von einem eingeleiteten Steuerstrafverfahren erfuhren, sollen sie in nachträglichen Erklärungen Scheinrechnungen angegeben haben, die die Steuerschuld rechnerisch überkompensierten. Tatsächlich hätten die Angeklagten dadurch erneut knapp eine Million Euro hinterzogen.

An den kriminellen Geschäften beteiligte sich laut Staatsanwalt auch ein 45 Jahre alter Rechtsanwalt, der ebenfalls der bandenmäßigen Steuerhinterziehung angeklagt ist. Er sei in die Geschäfte eingeweiht gewesen und habe sein Anwaltskonto zur Verfügung gestellt. Von den Angeklagten habe er ein Auto im Wert von 128.000 Euro geschenkt bekommen, ohne Schenkungssteuer zu bezahlen.

Der Verteidiger des angeklagten Anwalts widersprach mit Empörung. Zu Beginn des Prozesses versuchte er vergeblich, die Verlesung der Anklage zu verhindern. Sein Mandant sei völlig legitim tätig geworden und habe nichts Strafbares gemacht. Der Vorwurf, er habe mit den anderen Angeklagten eine Bande gebildet, sei von der Staatsanwaltschaft konstruiert worden, um eine Überwachung der Telekommunikation zu ermöglichen. Es sei «der Versuch, meinen Mandanten mit Dreck zu beschmeißen», sagte Verteidiger Suad Omanovic.

Die Verteidigerin des in Haft sitzenden Hauptangeklagten, Gabriele Heinecke, betonte, die 23 Millionen Corona-Masken seien ordnungsgemäß an das Ministerium geliefert worden. Es gehe nur um die Umsatzsteuer. Selbst wenn bei der Zahlung Fehler gemacht worden sein sollten, wären die Angeklagten keine Bande. «Das ist ein Konstrukt.»

Heinecke kritisierte zudem, dass ihr Mandant von der Staatsanwaltschaft in eine «Falle» gelockt worden sei. In einem Berufungsprozess in einer anderen Sache sei er im vergangenen Jahr von einem Staatsanwalt zu dem Maskengeschäft befragt worden. Der 30-Jährige sei damals davon ausgegangen, dass er nichts zu verbergen habe und habe bereitwillig Auskunft gegeben. Er erwarte einen Gewinn von drei Millionen Euro, habe er in jenem Prozess angegeben. Schließlich habe er dem Urteil gemäß 60.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation gespendet. Worum es um den Prozess ging, sagte die Anwältin nicht.

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft ist der 30-Jährige mehrfach vorbestraft. Er soll der faktische Geschäftsführer des Autohandels seines jüngeren Bruders gewesen sein. Dieser gab im Prozess an, selbstständig und Student zu sein. Offiziell gehört der Autohandel dem 22-Jährigen als «eingetragener Kaufmann» (e.K.).

Heinecke wies auch eine Erklärung von Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) zu dem Verfahren zurück. Der Senator hatte in einer Pressemitteilung vom 22. April erklärt: «Dieser besonders dreiste Fall zeigt, dass die Corona-Pandemie leider auch von Straftätern ausgenutzt wird. (...) Gegenüber solchen gemeinschädlichen Taten und Tätern muss gerade in der Pandemie die ganze Härte des Gesetzes greifen!» Die von Medien aufgegriffene Äußerung suggeriere, dass die Politik Einfluss auf ein Gerichtsverfahren nehmen wolle, sagte Heinecke. Im übrigen hätten die Angeklagten die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer vollständig abgeführt. «Der Fiskus hatte gar keinen Schaden», sagte die Anwältin.

Ein Sprecher des Gerichts wies am Rande des Prozesses darauf hin, dass bereits die Nicht-Zahlung von Umsatzsteuerteilbeträgen innerhalb der gesetzlichen Frist als vollendete Steuerhinterziehung gelte.

Der Verteidiger des Steuerberaters bestritt ebenfalls eine Schuld seines Mandanten. Er habe lediglich die Buchhaltung ausgewertet und nicht die Aufgabe gehabt, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen zu prüfen, sagte Rechtsanwalt Volker Glies. Nach Angaben des Staatsanwalts soll der ebenfalls 30 Jahre alte Steuerberater bei den nachträglichen Steuererklärungen geholfen haben, bei denen Scheinrechnungen von Lieferanten vorgelegt wurden.

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