Schleswig-Holstein & Hamburg
Mehr Gewalt im Norden gegen Polizisten
Mehr Gewalt im Norden gegen Polizisten
Mehr Gewalt im Norden gegen Polizisten
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Gewalt gegen Polizisten nimmt tendenziell zu. Oft bleibt es nicht bei wüsten Beschimpfungen. Am stärksten betroffen im Norden ist der Raum Lübeck. Die Frage nach den Ursachen konnten Wissenschaftler in einer Studie nur zum Teil beantworten.
Schleswig-Holsteins Landespolizei hat im vergangenen Jahr 1280 Fälle von verbaler und physischer Gewalt gegen Beamte registriert. Das waren 26 Fälle mehr als im Jahr zuvor, wie die Polizei am Montag in Kiel berichtete. Die Zahl der Betroffenen stieg von 2613 auf 2872 und die der Verletzten von 386 auf 438. Diese Zahlen seien zu hoch, sagte Landespolizeidirektor Michael Wilksen. «Es geht um das Leben und die Gesundheit unserer Kollegen. Im Vergleich zu 2015 wuchs die Zahl der Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte um 196, die der betroffenen Beamten um 858 und die der Verletzten um 83.
Die Polizei hat die Gewalt gegen Polizeibeamte im Norden wissenschaftlich untersuchen und Handlungsempfehlungen daraus ableiten lassen, die schrittweise in der Praxis umgesetzt werden sollen. Im Ländervergleich sei die Gewalt gegen Polizisten im Norden nicht besonders hoch, sagte Studienautor Lars Riesner. Aber die regionalen Unterschiede innerhalb des Landes seien auffällig groß.
Hier weist Lübeck seit vielen Jahren die höchsten Zahlen auf. Die Studie ging deshalb speziell der Frage nach, weshalb dies so ist. Jeder vierte Gewaltakt im Land gegen Polizisten entfalle auf die Polizeidirektion Lübeck mit ihren 1200 Beamten, sagte der Leiter der Direktion, Norbert Trabs. «Diese Gewalt ist nicht hinnehmbar; dahinter stehen Menschen.» Von den rund 9500 Beschäftigten der Landespolizei sind laut Landespolizeidirektor Wilksen gut 4000 im Streifen- und Schutzdienst, haben also direkten Kontakt mit Bürgern.
Im Hinblick auf die hohen Gewaltzahlen in Lübeck mit allein 115 verletzten Beamten im vorigen Jahr haben Mitarbeiter der kriminologischen Forschungsstelle des Landeskriminalamtes unter anderem das allgemeine Kriminalitätsniveau, Schuldenstand, Arbeitslosenquote und das Pro-Kopf-Einkommen untersucht. Auf dieser Grundlage kamen sie zu dem Schluss, als eine Erklärung für die höhere Belastung Lübecks könne ein «komplexes Zusammenspiel» aus spezifischen kommunalen und sozio-strukturellen Merkmalen angenommen werden.
Zudem sei das Thema in der Polizeidirektion schon seit längerem besonders sensibel behandelt worden. Daraus resultiere offenkundig eine größere Bereitschaft, Vorfälle auch zu melden. «Weitere hinreichend belastbare Erklärungen für die Höherbelastung Lübecks zeichneten sich im Forschungsprojekt nicht ab.»
Aus Sicht der Polizei konnten aus der Studie dennoch wertvolle Handlungsempfehlungen für die Polizei im ganzen Land abgeleitet werden. Das betreffe unter anderem die Auswertung von Einsätzen, den Umgang mit Bürgern «in konfliktreichen Einsatzsituationen» sowie die Aus- und Fortbildung gerade im Blick auf das Verhalten gegenüber Betrunkenen oder stark unter Drogen stehenden Menschen. «Mit den Handlungsempfehlungen können wir viel anfangen», sagte Lübecks Polizeidirektor Trabs.
Befragungen der Beamten hatten unter anderem ergeben, dass viele mit der Vorbereitung auf Konfliktsituationen in der Ausbildung nicht zufrieden sind. Demnach fanden auch nur etwa nach der Hälfte der Einsatze, zu denen Nachbesprechungen gewünscht wurden, diese dann auch statt. Landespolizeidirektor Wilksen sprach von ehrlichen Rückmeldungen zu Punkten, bei denen sich die Polizei verbessern könne.