Schleswig-Holstein & Hamburg
Messerattacke auf Nachbarn: Haft und Alkoholentzug
Messerattacke auf Nachbarn: Haft und Alkoholentzug
Messerattacke auf Nachbarn: Haft und Alkoholentzug
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Er betrank sich mal wieder zu Hause. Als die Mutter ihn deswegen rauswerfen wollte, rammte er dem Nachbarn ein Messer in den Hals. Jetzt gaben Jugendrichter ihm eine Chance.
Die unvermutete Messerattacke auf den Nachbarn im Februar 2021 hätte tödlich enden können. Doch der 69-Jährige hatte Glück und wurde körperlich nicht schwer verletzt. Für den Angriff verurteilte das Kieler Landgericht am Dienstag einen 18-Jährigen zu dreieinhalb Jahren Jugendstrafe. Die Jugendkammer blieb damit um ein Jahr unter dem Antrag von Staatsanwältin und Nebenklage. Zugleich ordnete das Gericht wegen der Alkoholabhängigkeit des Angeklagten dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an.
«Ohne Alkohol wäre es mit Sicherheit nicht zu der Tat gekommen», sagte der Vorsitzende Richter. Mit Alkohol allerdings sei der 18-Jährige «sozial gefährdet und gefährlich.» Laut Urteil hatte der Täter etwa 2,4 Promille Alkohol im Blut, als er in einer kleinen Gemeinde im Kreis Segeberg dem Nachbarn nach einem Streit mit seiner Mutter ein Fleischermesser in den Hals rammte. Sie hatte ihm nach dessen neuerlichem «Saufgelage» gedroht, ihn vor die Tür zu setzen.
Der nach Auffassung des Gerichts in seiner Reife in allen Lebensbereichen einem Jugendlichen gleichzusetzende Angeklagte war zur Tatzeit in einem psychischen Ausnahmezustand. Er habe zugestochen, «um der häuslichen Situation zu entfliehen und wieder ins Gefängnis zu kommen, so absurd dieses Motiv auch anmutet», sagte der Richter und ergänzte: «Die Haft ist Mittel und Gleichnis für die Flucht von zu Hause und ein Denkzettel für die Mutter.» Er wies darauf hin, dass der 18-Jährige wegen anderer Delikte schon ein Jahr und zehn Monate Haft in einem Jugendgefängnis verbüßt hatte.
Den Angriff wertete die Jugendkammer als versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Vom ursprünglichen Anklagevorwurf des versuchten Mordes aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen waren zuvor bereits Staatsanwältin und Nebenklage abgerückt. Es gebe aber «keine Zweifel, dass er das Opfer töten wollte, so sinnlos dies auch ist», so der Vorsitzende. Der Angeklagte war aber demnach «emotional außer Rand und Band», als er an der Tür des 69-Jährigen klingelte und sofort zustach, als der Mann öffnete.
Bei der Zumessung der Strafe berücksichtigte das Gericht auch, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich vermindert war. Strafmildernd wirkte sich nach dem «versuchten Totschlag aus heiterem Himmel» ebenfalls aus, dass sich der 18-Jährige nach der Tat gestellt, weitgehend gestanden und sich entschuldigt habe. Zudem bestünden unter anderem erhebliche Erziehungsdefizite. Für seine Zukunft sei «entscheidend, dass er in der Entziehungsanstalt eine Therapie macht und durchhält», so der Richter. Und er gab dem 18-Jährigen mit auf den Weg: «Nehmen Sie die Chance wahr.»