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Monolog eines russischen Ex-Soldaten am Altonaer Theater

Monolog eines russischen Ex-Soldaten am Altonaer Theater

Monolog eines russischen Ex-Soldaten am Altonaer Theater

dpa
Hamburg
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Tobias Dürr als Pawel Filatjew steht auf der Bühne im Altonaer Theater. Foto: Christian Charisius/dpa

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Regisseur Kai Hufnagel bringt «ZOV - Der verbotene Bericht» von Pawel Filatjew am Altonaer Theater heraus. Darin schildert ein russischer Ex-Soldat seine Erlebnisse im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Vor dem Theater gibt es Proteste.

Eine karge Foyer-Bühne im Altonaer Theater. Ein schwarzer Raum. Ein Mann, ebenfalls ganz in Schwarz gekleidet, entrollt vor einem Mikrofon Malerband, reißt es effektvoll ab und beklebt sich über und über damit. Bald erläutert er die taktische Markierung auf den Fahrzeugen. Dann wieder erzählt er, dass die russischen Soldaten teilweise ukrainische Uniformen tragen, weil diese qualitativ hochwertiger seien und es ohnehin nicht genügend gebe. Das sind nur einige der vielen beklemmenden Einblicke in den Soldaten-Alltag, die der Schauspieler Tobias Dürr hier gibt.

Dürr spricht einen langen Theatermonolog in «ZOV - Der verbotene Bericht» nach dem Augenzeugentext des inzwischen im französischen Exil lebenden russischen Ex-Soldaten Pawel Filatjew. Regisseur Kai Hufnagel hat das Stück in deutschsprachiger Erstaufführung herausgebracht. Dürr verkörpert darin jenen Soldaten, der in den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zieht in Unkenntnis der Hintergründe, wer hier eigentlich wen angreift - und warum überhaupt.

Er erzählt von Kriegserlebnissen im Feld, von Aufträgen, die er in einem Geländelastkraftwagen ohne funktionierende Bremsen ausführen soll, von Ängsten, Schlaflosigkeit, Kälte. Die Situation des Soldaten nimmt im Kopf des Zuschauers Gestalt an. Man hört den Gedanken eines Menschen zu, der Angst um sein Leben hat. Der sich in der Erinnerung so manches Mal gegen die Obrigkeit auflehnte - weil er in seinem Leben immer nur die Wahrheit gesagt habe, auch wenn er sich damit selbst geschadet habe. Dann reißt Tobias Dürr auch mal eine Tür zum Treppenhaus des Theaters auf und brüllt sein Anliegen hinaus.

Kai Hufnagel setzt den von Dürr gesprochenen Text mit einfachen, aber wirkungsvollen Mitteln in Szene. Mal montiert Tobias Dürr metallene Beine an Tische, dann wieder lässt er Steine auf Metall klirren. Das Abreißen des Malerbandes vergleicht er mit einer herannahenden Granate.

Doch auch wenn Dürr als Filatjew versichert, er sei gegen den Krieg, so ist der Text nicht ohne Widersprüchlichkeit. Denn über weite Strecken des Monologes geht es um Fehlentscheidungen der russischen Armee und in der Folge um kriegerische Misserfolge - auch um Kameradschaft und Patriotismus. «Soldat zu sein hat eben seine Tücken».

Pawel Filatjew ist als Autor nicht unumstritten. Er verfasste den Text zwei Monate nach Kriegsbeginn, als er verwundet im Lazarett landete. Die russische Exil-Menschenrechtsorganisation Gulagu.net, die ihm zur Flucht nach Frankreich verhalf und die Veröffentlichung des Berichts beförderte, streitet mittlerweile mit ihm um die Erlöse des Buches, das inzwischen in vielen Ländern ein Bestseller wurde. Eigentlich sollten die Gelder an Wohltätigkeitsorganisationen in der Ukraine gespendet werden. Filatjew selbst behauptet, er sei zugunsten einer solchen Vereinbarung unter Druck gesetzt worden.

Vor dem Theater protestierte vor und während der Premiere eine rund 50-köpfige Gruppe aus Vertreterinnen und Vertretern ukrainischer Initiativen gegen die Aufführung. Sie riefen «Keine Bühne für die Täter» und bewerteten die Premiere als russische Propaganda.

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